Ein Leben ohne Plastik
Rund 250 Millionen Tonnen Plastik werden jährlich produziert. Im Meer schwimmen 13.000 Plastikteilchen auf einem Quadratkilometer. Bestandteile des Kunststoffs stehen im Verdacht die Gene zu schädigen. Nadine Schubert zog die Konsequenz - und versucht ohne Plastik zu leben.
Nadine Schubert wohnt in einem Haus voller kleiner und großer Erfolge. Abgelegen in einem Dorf im Steigerwald, nördliches Bayern. Sie versucht dort ohne Plastik zu leben. Ein beständiger Kampf, den die schlanke 35-Jährige auch im hell gekachelten Badezimmer führt. Es riecht leicht nach Essig und Kokosöl.
"Das ist jetzt eine Zahnbürste, die ist aus Bambus, die hat Naturborsten. Die verwendet man drei Monate, nach drei Monaten soll man wechseln, dann nehmen wir die noch und machen Fugen damit sauber, dann wandert sie in den Ofen. Nachhaltiger geht es ja kaum." (lacht)
Die Zahnpasta gibt es aus Alu-Tuben, oder als Kautabletten. Schubert ist der Kunststoff aus Mineralöl suspekt, in dem vieles eingepackt ist und der in fast allem drin steckt. Sie tüftelt seit drei Jahren an ihrer plastikfreien Welt.
In der der Dusche liegt jetzt Seife, früher standen da Waschgel-Flaschen. Die Putzmittel mischt sie sich selbst zusammen. Aber stehen da auf dem Beckenrand nicht doch ein paar Plastikflaschen?
"Plastik wegzuwerfen ist ja noch schlimmer, als Plastik zu kaufen, die braucht man auch, um den selbst gemachten Reiniger aufzufüllen und dann wieder irgendwo hinsprühen zu können. Das heißt, ich habe ganz viele dieser Flaschen ganz einfach aufgehoben und dann mische ich meine Reiniger an."
Nadine Schubert geht runter Richtung Küche. Ihre Haltung ist sehr gerade beim Laufen. Die Einrichtung im Haus ist ein bisschen im Landlust-Stil. Da ist sowieso nicht viel mit Plastik. Im Kamin glühen Scheite. Sie verbringt viel Zeit hier. Vor ein paar Jahren moderierte sie noch die Morgensendung im Lokalradio. Die Frühschichten wollte sie dann nicht mehr. Wegen der Familie. Jetzt arbeitet sie zwei Tage die Woche als Onlineredakteurin im Landratsamt. Sie hat so auch mehr Zeit für das Plastik-Thema.
"Ich habe 2013 in meiner zweiten Schwangerschaft Berichte gesehen über Schadstoffe im Plastik, Plastik in den Meeren, Umweltverschmutzung. Und habe dann mal natürlich geschaut, was denn bei uns so anfällt als Plastik: Tetra Paks in Massen und Verpackungen, die ja schon als Müll geboren werden. Das wollte ich ändern und ich wollte vor allen Dingen meinen Kindern nicht schaden und habe gesagt: Schluss, ab heute muss was passieren."
Kleine Plastikteilchen sogar im Blut
Es geht ihr ja nicht nur um den Müll, der sichtbar ist. Mikroskopisch kleine Plastikteilchen sind überall auf dem Planeten verteilt. Im Honig, im Trinkwasser. Sogar im Blut. Lösungsmittel bringen den Hormonhaushalt durcheinander. Schubert macht sich Sorgen.
"Plastik ist ja noch jung – 100 Jahre alt ungefähr und erforscht wird es [die Auswirkungen] erst seit ein paar Jahren – deshalb gibt es noch keine Langzeitstudien, keiner weiß, was Plastik mit uns macht. In Tierversuchen hat man es schon rausgefunden. Man hat Schnecken gezielt mit Mikroplastikpartikeln gefüttert. Den Schnecken selber, die das Plastik gefressen haben, hat das Plastik nichts ausgemacht, aber die Nachkommen waren alle verkrüppelt."
Das Richtige tun, kann schon mal lästig werden für die Menschen um einen herum. Ihr Sohn Emilio kriegt eine Blechbox für sein Pausenbrot und weicht auf die Oma aus, wenn er Gummibärchen will. Ihr Mann tut was er kann, um sie zu unterstützen.
"Alle müssen mit! Ich habe das natürlich besprochen, mein Mann war gleich begeistert und schockiert von dem, was ich ihm erzählt habe. Aber letztendlich kümmert er sich nur um den Getränkeeinkauf und da von Säften im Tetra Pak auf Säfte in Glasflaschen umzusteigen, ist jetzt nicht so schwer. Bier wurde auch schon immer nur im Glas gekauft."
Geraspelte Kernseife als Fleckenspray
Sie ist ziemlich findig. Überall im Haus zeigt sie Alternativen. Sie steht in der Küche und raspelt Kernseife klein – für Fleckenspray. Wo es keinen Ersatz gibt, fragt sie sich, ob sie den Artikel wirklich braucht. Das Einkaufen im Supermarkt geht inzwischen viel flotter – viele Dinge dürfen einfach nicht in den Einkaufsbeutel. Da ist sie auch hart zu sich selbst.
"Ich esse auch gerne Chips. Das heißt ich aß gerne Chips und davor hatte ich echt Angst. Oh, wenn ich jetzt keine Chips mehr kaufen kann, dann fehlt mir richtig was. Aber ich habe einfach keine mehr gekauft, denn es gab keine Alternative. Da war ich einfach strikt. Chips sind abgeschrieben. Punkt – und es geht."
Ein halbes Jahr nach ihrem Start ins plastikfreie Leben hat sie angefangen, ihre Erfahrungen in einem Blog zu verbreiten. "Besser-Leben-ohne-Plastik" heißt ihre Seite und jetzt auch ein Buch, das sie mit einer Mitstreiterin verfasst hat. Nadine Schubert zeigt darin, wie man Plastik aus seinem Alltag verdrängt, ohne sich aufzureiben. Aber konsequent und ohne Verbissenheit. Sie braucht ja auch Energie und Zeit für ihren Job und die Familie. Ihr Erfolg ist messbar. Schubert geht zu einem Küchenregal und holt ein Glasgefäß herunter.
"Ich habe im Keller von meinem Opa noch so ein riesiges Einmachglas gefunden und habe mir das in die Küche gestellt und darin wird der Plastikmüll gesammelt. Das ist so ein vier bis fünf Liter Glas. Da ist noch ein bisschen Luft drin, aber es ist schon gut gefüllt […] und das ist jetzt der Plastikmüll der letzten sechs Wochen."