Nordirland vor 50 Jahren
Die Demonstration in Londonderry begann friedlich, dann kamen Stein- und Flaschenwürfe auf die Truppen – und dann die tödlichen Schüsse. © Imago / ZUMA/Keystone
Wie der Bloody Sunday den Pop Protest lehrte
05:45 Minuten
Vor 50 Jahren erschossen britische Soldaten im nordirischen Derry 13 Demonstranten bei einem Protestmarsch. Die Tat ging als „Bloody Sunday“ in die Geschichte ein und löste auch in der Popwelt zahlreiche Reaktionen aus, nicht nur bei U2.
Die Nachrichten über den Bloody Sunday erschütterten die Welt. Mit ungeahnter Grausamkeit erschossen britische Militärs 13 Menschen, zum Teil Jugendliche, 15 wurden verletzt, 108 Schüsse mit scharfer Munition wurden insgesamt abgefeuert.
Die Großdemonstration, die an diesem 30. Januar 1972 in Derry stattfand, richtete sich gegen die sogenannte „Internment Politik“ der britischen Regierung, durch die Menschen in Nordirland ohne jedes Verfahren inhaftiert werden konnten. Sie begann friedlich, dann kamen Stein- und Flaschenwürfe auf die stets präsenten Truppen mit ihren Panzergeschützen, darauf Tränengas, Wasserwerfer – und dann die tödlichen Schüsse. Die anschließenden Ermittlungen, die die Täter von jeder Schuld freisprachen, stießen international auf Empörung.
Mit Inbrunst gesungen
Auch die Reaktionen in der Popmusik ließen nicht lange auf sich warten. Ausgerechnet der Ex-Beatle, der immer am wenigsten dazu bereit schien, sich mit jemandem anzulegen, reagierte sofort: „Give Ireland Back To The Irish“ war die erste Single von Paul und Linda McCartney mit den Wings, und erschien nicht einmal einen Monat später.
Als John Lennon wenig später ebenfalls einen Song zum Bloody Sunday rausbrachte, und deswegen ständig zu seinen irischen Wurzeln befragt wurde, reagierte er mit Lennon’schem Humor. So sagte er zum Beispiel direkt vor einer Performance: Ono schreibe sich „O'No“, sei also auch irisch. Er selbst gab sich dann einen Namen, der klang wie Sean Oleohann. Sein „Bloody Sunday“ ist ein scharfer Agitprop-Song gegen den britischen Imperialismus:
In Irland wurde der Song vielerorts als Rebel-Song musikalisch passend gemacht und mit Inbrunst gesungen, gerade Zeilen wie: „You Anglo Pigs and Scotties sent to colonise the north."
Viele junge, irische Menschen hatten allerdings beide Seiten satt: die britischen Militärs und Schikanen wie auch den bewaffneten Kampf der IRA, die erwartete, dass man für die Sache sein Leben lässt.
U2-Song militant interpretiert
„Wasted Life“ der Stiff Little Fingers ist irischer Punkrock der ersten Stunde:
Auch der U2-Hit „Sunday, Bloody Sunday“ aus den frühen 80ern vertritt keine radikale Agenda, sondern sehnt sich nach einer friedlichen Lösung, was in militanten Kreisen gerne anders interpretiert wurde.
Bono sagte in einem Interview für „Louder Than Words“:
"Jerry Adams, der Sinn Féin, den politischen Arm der Paramilitärs, anführte, hatte das Cover von ‚War‘ als Bild in seinem Büro: Hier, das ist der Song ‚Bloody Sunday‘, der erinnert an die Ungerechtigkeiten, die die Briten uns angetan haben. Dann erfuhr er, dass wir Gewalt ablehnten, dadurch änderte sich in dieser Community einiges für uns.“
Die Angehörigen der Opfer haben viele Jahre dafür gekämpft, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Schließlich wurden 1998 unter Premier Tony Blair neue Untersuchungen eingeleitet, es dauerte mehr als zehn Jahre, bis ein Ergebnis vorlag. 2010 gab Premier David Cameron bekannt, die britische Regierung gestehe die Schuld an dem Bloody-Sunday-Massaker ein und er entschuldigte sich in deren Namen bei den Angehörigen.