Bluegrass-Festival

Ein Hauch gutes, altes Amerika

Lindsay Lou & The Flatbellys, Bluegrass Jamboree
Der Publikumsliebling unter den drei Bands: Lindsay Lou & The Flatbellys © John Hanson / Promo
Von Veronika Schreiegg · 15.12.2014
Seit 2009 findet das sogenannte "Bluegrass-Jamboree" alljährlich in Deutschland statt: Drei amerikanische Bands touren durch Deutschland und stellen sich dem Publikum vor. Gerade ist das jüngste Festival in Rheinland-Pfalz zu Ende gegangen - erfolgreich, obwohl es zu Beginn unter keinem guten Stern stand.
Es lief alles andere als reibungslos an: Die fünf Bluegrass-Musiker von Town Mountain saßen wegen eines Unwetters am Flughafen im US-amerikanischen Ashville fest und erreichten den ersten Auftritt in Augsburg nur knapp mit einem 30-stündigen Schlafdefizit. Und Lindsay Lou von den Flatbellys aus Michigan war bei den ersten Gigs nicht einsatzfähig – sie kämpfte mit einer Grippe, die ihr das Singen unmöglich machte. Doch irgendwann lief’s und die drei Bands – in Deutschland bis dahin kaum bekannt - konnten sich dem Publikum vorstellen.
Das Duo Brennen Leigh und Noel McKay zum Beispiel – ein Pärchen aus Austin, das am wenigsten in den Bluegrass-Tross aus Amerika passte, denn sie spielen keinen Bluegrass, sondern traditionellen Country, der sich am Storytelling und Sound berühmter Country-Duos wie Dolly Parton und Porter Wagoner orientiert. Inspiration für ihre Songtexte finden die beiden meist in ihrem eigenen Bekanntenkreis, so wie im Song Breaking up and making up again.
"Wir haben diesen Song über Freunde von uns geschrieben, die ein Paar waren und ständig gestritten haben. Sie hatten eine schreckliche Beziehung und eine schlimme Wirkung aufeinander. Dann haben sie sich endlich getrennt und wir haben uns aufrichtig für sie gefreut. Wir haben die schlimmsten Widersprüche ausgesprochen, die wir uns bei diesem Paar auszumalen vermochten und dann einen Song daraus gemacht."
Jazz, Swing und andere Einflüsse
Beziehungsarbeit stand also im Mittelpunkt bei Brennen Leigh und Noel McKay, die das Bluegrass-Jamboree allabendlich eröffneten. Die zweiten, die auf die Bühne traten, stellten sich als die Publikumslieblinge heraus. Lindsay Lou & The Flatbellys – eine Band aus Michigan, die mit Bluegrass-Instrumenten und Dobro Popsongs spielt.
"Wir haben alle mittels Bluegrass gelernt – wir spielen Bluegrass-Songs und wir lieben Bluegrass-Songs – allerdings, wenn wir unsere eigenen Stücke performen, klingt es nicht so sehr danach. Wir sind Produkte dessen, was wir insgesamt gelernt haben und vieles davon rein übers Hören. Jazz, Swing und all diese unterschiedlichen Einflüsse. Alles davon klingt amerikanisch und letztlich spielen all diese Genres in unser Songwriting mit rein."
Das Bluegrass-Jamboree war bis zu diesem Punkt des Abends also nichts für Bluegrass-Puristen – doch das sollte sich ändern, sobald die dritte Band auf die Bühne trat: Town Mountain aus North Carolina. Fünf Musiker um Sänger Robert Greer – wahre Traditionalisten, die mit Herzblut das Erbe des Bluegrass-Pioniers Bill Monroe verteidigen.
"Wir spielen rau und getrieben und wir spielen mit einem rückwärtsgewandten Gefühl zur ersten Bluegrass-Generation. Ohne Bill Monroe würde diese Musik anders sein oder es würde sie nicht einmal geben. Definitiv umfasst Town Mountain diesen Sound der ersten Generation und damit die eher swingenden Facette der Bluegrass Musik."
Bluegrass in Reinform, aber auch Weiterentwicklungen des Genres konnte das Publikum an den vergangenen Abenden erleben – einen Hauch gutes, altes Amerika.
Ein wenig Zeit gefunden, auf den Weihnachtsmarkt zu gehen
Und die drei Bands? Für viele war es der erste Besuch in Deutschland, im guten alten Europa. Viel Zeit blieb den elf Musikern allerdings nicht, um Sightseeing zu betreiben. Bis zu acht Stunden täglich saßen die Bluegrasser im Bus um von A nach B zu gelangen.
"Wir waren meistens mit dem Bus unterwegs, Soundchecks gemacht und die Shows gespielt. Aber wir hatten auch Zeit ein wenig aus dem Busfenster zu schauen und deutsche Essen zu uns zu nehmen – und wir haben eine ganze Reihe Weihnachtsmärkte besucht."
Immerhin blieb also Zeit ein wenig Christbaumschmuck aus dem Erzgebirge einzukaufen – Platz genug war in den Koffern der Musiker, denn die deutschen Zuschauer hatten den Vorrat an mitgebrachten CDs nahezu restlos gekauft. Good Shows – Good Business.
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