Blütenlese der aktuellen Wagnerliteratur

2013 wird zum 200. Geburtstag und zum 130. Todestag Richard Wagners das Wagnerjahr eingeläutet.
2013 wird zum 200. Geburtstag und zum 130. Todestag Richard Wagners das Wagnerjahr eingeläutet. © picture alliance / dpa / Zentralbild
Noch hat das Wagnerjahr nicht begonnen. Dennoch ist bereits jetzt eine Fülle von Büchern über den Komponisten erschienen. Das Spektrum reicht von Werken renommierter Wagnerexperten bis hin zu grotesken und bisweilen überflüssigen Ausgaben.
Egon Voss, Editionsleiter der Richard-Wagner-Gesamtausgabe und einer der besten Kenner Richard Wagners und seines Werks, zieht im dünnsten davon souverän die Summe des heutigen Faktenwissens über Wagner jenseits von Polemik, Vorurteilen oder Verklärung.

Er weicht dem Thema des "umstrittenen Wagner", seinem Antisemitismus und dem Wagnermissbrauch im Dritten Reich nicht aus, es gelingt ihm aber auch, neben dessen Wirkungsgeschichte das musikdramatische Werk Wagners selbst präzise darzustellen. Als dessen "Grundthema" nennt er die Sexualität. Das "zentrale Problem" des anarchisch-antibürgerlichen Wagnerlebens zwischen Leipzig und Venedig wiederum seien "Schulden", also Geldmangel gewesen.

Voss gelingt es, das komplexe "Wechselverhältnis zwischen Leben und Kunst", ausgehend vom jungdeutsch-vormärzlichen Revolutionär bis hin zum Propheten schopenhauerisch infizierter Kunstreligion und fragwürdiger Regenerationsideen, zu veranschaulichen und so klar und einfach zu beschreiben, dass jeder Leser ihn versteht. Eine Glanzleistung.

Martin Geck hingegen, ebenfalls eine graue Eminenz der Wagnerphilologie, ist der Überzeugung, dass es unmöglich sei, auf der Basis der vorhandenen Quellen ein "objektives und zugleich aussagekräftiges" Wagnerbild zu erstellen. Daher ist sein Anliegen, nicht mehr länger Wagner "auf die Schliche kommen" zu wollen, sondern sich selbst und seinem Umgang mit Wagner, der, zwischen Grauen und Faszination schwankend, ebenso widersprüchlich ist wie das Phänomen Wagner selbst.

Dessen Widersprüche zwischen Kunst und Leben, Politik und Poesie, Revolutionärem und Chauvinistischem deckt Geck ungeschönt auf und erklärt Wagners Bühnenwerke von dessen erstem Opernentwurf "Leubald" bis hin zum Weltabschiedwerk "Parsifal" als "Rituale gegen die Angst". Kunst sei für Wagner (den "Spürhund der Moderne") vor allem "Rettung vor der Wahrheit" gewesen. Für alle Fortgeschrittenen unter den Wagnerianern wie Antiwagnerianern das ultimative Buch zum Wagnerjubiläum.

Dagegen können Alexander Busches Herzensergießungen in "Sachen Wagner" nurmehr als grotesker Fall von Selbstinszenierung ernst genommen werden. Schon das Cover ist eine Anmaßung: Brustporträt des Autors auf Augenhöhe mit Richard Wagner. Der 34-jährige PR-Manager, der sich zum auserwählten Propheten Wagners berufen fühlt, vermischt in hemdsärmeliger Oberflächlichkeit hinlänglich Bekanntes mit eigenen, völlig uninteressanten Bildungserlebnissen und Bayreutherfahrungen als ehemaliger Pressemann Katharina Wagners. Was dem Buch die Krone aufsetzt: dass der Autor seine Lebensstationen mit denen Wagners nahtlos verquickt. Eines der peinlichsten unter den vielen überflüssigen Wagnerbüchern.

Doch auch das des gefeierten Wagnerdirigenten Christian Thielemann ist nicht frei von Selbstüberschätzung, denn fast alles, was er dort gemeinsam mit seiner Mitautorin Christine Lemke-Matwey über Wagner, die Wagners und Wagner-Aufführungspraxis zu Papier bringt, ist bereits andernorts essenzieller behandelt worden. Thielemanns kindlich-naive Wagner-Schwärmerei und seine rührende Anhänglichkeit an den verstorbenen Bayreuth-Chef Wolfgang Wagner sind als Essenz des Buches etwas dürftig. Für Thielemann-Fans wohl kein Hinderungsgrund, es zu kaufen. Wem es aber eher um Wagner als um die eitle Selbstdarstellung des Autors geht, der erfährt auch hier nichts Neues.

Besprochen von Dieter David Scholz
Martin Geck: Richard Wagner
Siedler Verlag
416 Seiten, 24,99 Euro

Egon Voss: Richard Wagner
Beck WISSEN
128 Seiten 8,95 Euro

Christian Thielemann: Mein Leben mit Wagner
C.H. Beck
320 Seiten, 19,95 Euro

Alexander Busche: Mein Wagner
Grebennikoff Verlag
180 Seiten, 16,90 Euro