Blutige Schlachtgetümmel
In "Chroniken von Narnia" bringen Trickspezialisten blutige Schlachten und nicht ganz kindgerechte Action auf die Leinwand. Jan Kounen verfilmt in "39,90" den Bestsellerroman des Ex-Werbespezialisten Frédéric Beigbeder. "Maroa" ist eine Außenseiter-Entdeckung.
"Die Chroniken von Narnia - Prinz Kaspian von Narnia"
USA 2008. Regie: Andrew Adamson. Darsteller: Ben Barnes, William Moseley, Georgie Henley. 144 Minuten. Ab zwölf Jahre
Der Film ist von Andrew Adamson, einem 41-jährigen neuseeländischen Regisseur und Autor, der 2001 mit dem Animationsfilm "Shrek" sein Regie-Debüt gab und danach auch "Shrek 2" verantwortete (2004). Sein neues Projekt ist - nach "Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia" aus dem Jahr 2005, bei dem er auch am Drehbuch mitschrieb und Regie führte - die 200 Millionen Dollar teure wie aufwändige Fortsetzung der Fantasy-Roman-Adaptionen von C.S. Lewis.
"Die Chroniken von Narnia" sind eine 7-bändige Serie von Fantasyromanen, die zwischen 1950 und 1956 vom britischen Schriftsteller Clive Staples Lewis (29.11.1898 - 22.11.1963) geschrieben und veröffentlicht wurden und mit Abstand sein bekanntestes Werk geblieben sind. Mehr als 95 Millionen Ausgaben der Bücher wurden seit der Erstveröffentlichung im Jahr 1950 in 41 Sprachen verkauft und in Radio, Fernsehen, Theater und Kino umgesetzt. Parallelen zur "Herr der Ringe"-Trilogie von John Ronald Reuel Tolkien sind nicht zufällig: Beide waren miteinander befreundet. Sie lehrten zugleich an der Universität Oxford, beide waren überzeugte Christen und erzählen vom ewigen Kampf zwischen Gut und Böse. Wobei Lewis direkter beziehungsweise deutlicher in der Fantasy-Variante des Neuen Testaments vorging: Jesus tritt hier in Gestalt eines strengen Löwen-Guru mit Namen Aslan auf, der sich hinrichten lässt, um einen armen menschlichen Sünder zu retten, um dann sogleich wiederaufzuerstehen und das Böse zu vernichten.
Nach den überwältigenden Kino-Erfolgen mit den "Der Herr der Ringe"-Filmen des Neuseeländers Peter Jackson (2001-2003) investierte die ansonsten mit eher lieblichen Animatonsstreichen aufwartende Walt-Disney-Filmfirma 2004/2005 geschätzte 150 bis 180 Millionen Dollar, um zweigleisig Kasse zu machen: In den USA wurde der Film "Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia" vom "Bambi-Konzern" als fundamentalistische Christen-Botschaft verkauft, während in den "gottlosen Ländern" wie Deutschland die vorhersehbare, humorfreie Kitsch- und Trick-Orgie als pures Fantasy-Abenteuer (und Harry-Potter-Konkurrent) Anfang Dezember 2005 in unseren Kinos herhalten musste.
Nun also die Fortsetzung, die allerdings Kenntnis der Vorgeschichte voraussetzt. Kamen die vier britischen Pevensie-Geschwister Lucy, Edmund, Peter und Susan damals noch durch eine Schranktür in die Parallelwelt Narnia, befinden sie sich jetzt, wir schreiben das Jahr 1941, auf dem Weg zur Schule, als sie von einem starken Wind aufgesogen werden und sich sogleich in Narnia wiederfinden. Von dort hat sie Prinz Kaspian mittels eines magischen Horns zu Hilfe gerufen. Zwar ist für die Kinder "irdisch" nur ein Jahr seit dem ersten Aufenthalt vergangen, doch in Narnia sind inzwischen 1300 Jahre ins Land gezogen. König Miraz und seine Telmarer haben eine Diktatur-Herrschaft errichtet, die Magie von einst ist verschwunden, das Traumland, wie es die Geschwister kennen, existiert nicht mehr. Der rechtmäßige Thronerbe möchte seinen bösen Onkel verjagen und benötigt für seine Waldguerilla die Unterstützung der kleinen "britischen Hilfstruppe". Fortan sind blutige Schlachtgetümmel an der üppig-brutalen Tagesordnung, die kämpferischen Kids immer mittendrin, dazu die obligatorischen Tricks und Special-Effects, durch die Bäume lebendig werden und Katapult-Geschosse durch die Gegend krachen. Für Kinder ist der Film streckenweise viel zu furchteinflößend-gewalttätig, für ihre Erzeuger viel zu schlicht. Dazu kommt das völlig uninteressante Hauptakteuren-Quartett. Sowie diese blöde "himmlische Botschaft": Denn wie einst die Kreuzritter des Mittelalters ziehen hier die Narnier in eine Art "Heiligen Krieg". Angetrieben von ihrem Schlachtruf "Für Aslan!" hoffen sie auf seinen Beistand. Die Anlehnungen an die Bibel sind unübersehbar, vor allem dann am Schluss, wenn sintflutartige Wassermassen alles Böse vernichten.
Nicht die eigene Stärke ist also wichtig, sondern das - blinde - Gottvertrauen. So weiterhin die verlogene, reaktionär-fundamentalistische Kriegs-Heils-Botschaft-hier. "Halleluja, lobet den Löwen", notiert denn auch der "Tip" und beschreibt schon in der Überschrift den ärgerlichen Film-Weg: "Das Herrchen der Ringlein". 144 Minuten dummes Düster-Kino.
"39,90"
Frankreich 2007; Regie: Jan Kounen; Drehbuch: Frédéric Beigbeder, Jan Kounen, Bruno Lavaine; Darsteller: Jean Dujardin, Jocelyn Quivrin, Patrick Mille, Vahina Giocante; 104 Minuten
"39,90 " von Jan Kounen basiert auf einem Bestseller, dem 2001 erschienenen gleichnamigen Insider-Roman von Frédéric Beigbeder (französischer Originaltitel: "99 francs"). Der deutsche Buchtitel steht für den Verkaufspreis von 39,90 DM für die deutsche Erstausgabe. Thema: die Werbung. Für die Industrie notwendige "Kommunikation" in Richtung Verbraucher, für andere heißt es "Werbung ist Umweltgift" (Werbekritiker Kalle Lasn in seinem Buch "Culture Jamming").
500 Milliarden US-Dollar werden weltweit jährlich für Werbung ausgegeben, in Deutschland flossen 2007 20,9 Milliarden Euro in die Werbung. Frédéric Beigbeder war selbst ein erfolgreicher Texter bei der Werbeagentur "Young & Rubicam", als er den Roman, auf Anraten seines Freundes Michel Houellebecq ("Elementarteilchen"), verfasste. Das hierzulande im "Rowohlt Verlag" veröffentlichte Buch wurde als Hardcover und als Taschenbuch rund 250.000 mal verkauft. Die Verfilmung wird dem ruhelosen Wut-Buch vollauf gerecht. Dabei im ständigen Blick- und Mittelpunkt: Werbemanager Octave Parango. Dessen verführerisches Motto lautet: "Alles ist käuflich: Die Liebe, die Kunst, der Planet Erde, Sie, ich".
Der Pariser Werbeguru befindet sich permanent auf der Überholspur des Lebens. Er kokst und hurt, hält sich für den Größten, hat immer eine böse Anekdote parat, einen Spruch für jede Situation. Ein Hochkaräter von professionellem Lügenbold. Bis er sich zum ersten Mal "richtig" verliebt. Und es vergeigt. Plötzlich ist "mal etwas" nicht verfügbar, nicht käuflich. Der Zyniker, der sich gerne auch als Künstler sieht, fängt an, denkend aufzuatmen, hat so langsam aber sicher sich und sein "Handwerk" satt.
Beginnt sich umzupolen. Beschließt, diesen gigantischen Werbezirkus in seiner ganzen Verlogenheit, Oberflächlichkeit, Manipulation und Menschenverachtung bloßzustellen, anzuprangern. Der Film: Rasant, spritzig, komisch. Ein irrwitziger Spaß. Eine romantische Frechheit. Mit viel Realitätsgeschmack. Sowie ideenreich und spannend. Vor allem beeindruckend, weil der französische Komiker Jean Dujardin diesen Typ so wunderbar-kotzbrockig vereinnahmt, ihn als tragikomische Ikone regelrecht durchspült.. Abstoßend wie anziehend, eklig wie faszinierend, blendend wie surreal. Eine urig-clevere Kopf-und-Bauch-Provokation.
"Maroa"
Venezuela/Spanien 2005; Regie: Solveig Hoogesteijn; Darsteller: Yorlis Dominguez, Tristán Ulloa, Elba Escobar, Luke Grande, Engel Alejo, Victor Cuno, Víctor Cuica; 102 Minuten
"Maroa" von Solveig Hoogesteijn ist eine hinreißende Außenseiter-Entdeckung in diesen Blockbuster-brüllenden Kinotagen. Bekanntes, aber dennoch spannendes, sinnliches Thema: Musik als erzieherische Chance, Slums und Unterschicht-Milieu zu entkommen. Wir erleben den Blick auf Maroa. Sie ist in Caracas ein Kind der Straße. Die schon früh lernen muss, sich dort zu behaupten. Ihr einziges familiäres Bindeglied besteht aus der ewig nörgelnden Großmutter Brigada, die auf dem Markt "die Zukunft voraussagt", Lose verkauft und Maroa drangsaliert, durch den Verkauf von Heiligenbildern zusätzliches Geld zu verdienen. Außerdem verscherbelt Maroa Pornos. Das sieht die Großmama zwar nicht gern, das Geld dafür aber nimmt sie dennoch gerne der Kleinen ab. Telenovelas, Rap-Musik und gelegentliche Diebstähle prägen Maroas Leben.
Lesen hat sie nie gelernt, sehr wohl aber, sich gegenüber ihrer rauhen Umwelt zu wehren. Bis sie bei einer Knacki-Tour, wo sie Schmiere steht, den Musiklehrer Joaquin kennenlernt. Der spielt Klarinette, und Maroa ist von der Musik eingenommen. Die Begegnung mit der Musik Mozarts wird für sie zum magischen wie faszinierenden Erlebnis. Als sie in einem Heim landet, trifft sie dort Joaquin wieder und wird von ihm in seine Orchesterklasse aufgenommen. Für Maroa ist das der Beginn eines neuen Lebens, das allerdings auch mit zahlreichen Rückschlagen beziehungsweise misslichen Situationen gekennzeichnet ist.
Die Geschichte von Maroa beruht auf der authentischen, einst von der Unesco ins Leben gerufenen Jugendorchester-Bewegung in Venezuela. Der Film "Maroa" ist eine Hommage an den venezolanischen Komponisten José Antonio Abreu. Der hat in den 70er Jahren - zur Zeit des Ölbooms dort - begonnen, Musikschulen aufzubauen. Rund 90. In denen Kinder aus armen und sozial gefährdeten Familien kostenfreien Unterricht und die Möglichkeit bekamen, in einem Jugend-Ensemble mitzuspielen. Musikalische Ausbildung als Mittel gegen Armut, Verwahrlosung und Kriminalität bedeutet in Venezuela gelebte Realität. Laien-Darstellerin Yorlis Dominguez verkörpert ihre aufgeweckte kleine Titelheldin mit Bravour. Überzeugt in dieser Gossen-Mixtur aus Unschuld, Sinnlichkeit und Härte-Wesen. Ein mit vielen spannenden Ecken und Kanten gestalteter Film über einen ungewöhnlichen Menschen-Weg inmitten eines halbdokumentarischen, realistischen Blicks auf die Armutsviertel in Caracas.
USA 2008. Regie: Andrew Adamson. Darsteller: Ben Barnes, William Moseley, Georgie Henley. 144 Minuten. Ab zwölf Jahre
Der Film ist von Andrew Adamson, einem 41-jährigen neuseeländischen Regisseur und Autor, der 2001 mit dem Animationsfilm "Shrek" sein Regie-Debüt gab und danach auch "Shrek 2" verantwortete (2004). Sein neues Projekt ist - nach "Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia" aus dem Jahr 2005, bei dem er auch am Drehbuch mitschrieb und Regie führte - die 200 Millionen Dollar teure wie aufwändige Fortsetzung der Fantasy-Roman-Adaptionen von C.S. Lewis.
"Die Chroniken von Narnia" sind eine 7-bändige Serie von Fantasyromanen, die zwischen 1950 und 1956 vom britischen Schriftsteller Clive Staples Lewis (29.11.1898 - 22.11.1963) geschrieben und veröffentlicht wurden und mit Abstand sein bekanntestes Werk geblieben sind. Mehr als 95 Millionen Ausgaben der Bücher wurden seit der Erstveröffentlichung im Jahr 1950 in 41 Sprachen verkauft und in Radio, Fernsehen, Theater und Kino umgesetzt. Parallelen zur "Herr der Ringe"-Trilogie von John Ronald Reuel Tolkien sind nicht zufällig: Beide waren miteinander befreundet. Sie lehrten zugleich an der Universität Oxford, beide waren überzeugte Christen und erzählen vom ewigen Kampf zwischen Gut und Böse. Wobei Lewis direkter beziehungsweise deutlicher in der Fantasy-Variante des Neuen Testaments vorging: Jesus tritt hier in Gestalt eines strengen Löwen-Guru mit Namen Aslan auf, der sich hinrichten lässt, um einen armen menschlichen Sünder zu retten, um dann sogleich wiederaufzuerstehen und das Böse zu vernichten.
Nach den überwältigenden Kino-Erfolgen mit den "Der Herr der Ringe"-Filmen des Neuseeländers Peter Jackson (2001-2003) investierte die ansonsten mit eher lieblichen Animatonsstreichen aufwartende Walt-Disney-Filmfirma 2004/2005 geschätzte 150 bis 180 Millionen Dollar, um zweigleisig Kasse zu machen: In den USA wurde der Film "Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia" vom "Bambi-Konzern" als fundamentalistische Christen-Botschaft verkauft, während in den "gottlosen Ländern" wie Deutschland die vorhersehbare, humorfreie Kitsch- und Trick-Orgie als pures Fantasy-Abenteuer (und Harry-Potter-Konkurrent) Anfang Dezember 2005 in unseren Kinos herhalten musste.
Nun also die Fortsetzung, die allerdings Kenntnis der Vorgeschichte voraussetzt. Kamen die vier britischen Pevensie-Geschwister Lucy, Edmund, Peter und Susan damals noch durch eine Schranktür in die Parallelwelt Narnia, befinden sie sich jetzt, wir schreiben das Jahr 1941, auf dem Weg zur Schule, als sie von einem starken Wind aufgesogen werden und sich sogleich in Narnia wiederfinden. Von dort hat sie Prinz Kaspian mittels eines magischen Horns zu Hilfe gerufen. Zwar ist für die Kinder "irdisch" nur ein Jahr seit dem ersten Aufenthalt vergangen, doch in Narnia sind inzwischen 1300 Jahre ins Land gezogen. König Miraz und seine Telmarer haben eine Diktatur-Herrschaft errichtet, die Magie von einst ist verschwunden, das Traumland, wie es die Geschwister kennen, existiert nicht mehr. Der rechtmäßige Thronerbe möchte seinen bösen Onkel verjagen und benötigt für seine Waldguerilla die Unterstützung der kleinen "britischen Hilfstruppe". Fortan sind blutige Schlachtgetümmel an der üppig-brutalen Tagesordnung, die kämpferischen Kids immer mittendrin, dazu die obligatorischen Tricks und Special-Effects, durch die Bäume lebendig werden und Katapult-Geschosse durch die Gegend krachen. Für Kinder ist der Film streckenweise viel zu furchteinflößend-gewalttätig, für ihre Erzeuger viel zu schlicht. Dazu kommt das völlig uninteressante Hauptakteuren-Quartett. Sowie diese blöde "himmlische Botschaft": Denn wie einst die Kreuzritter des Mittelalters ziehen hier die Narnier in eine Art "Heiligen Krieg". Angetrieben von ihrem Schlachtruf "Für Aslan!" hoffen sie auf seinen Beistand. Die Anlehnungen an die Bibel sind unübersehbar, vor allem dann am Schluss, wenn sintflutartige Wassermassen alles Böse vernichten.
Nicht die eigene Stärke ist also wichtig, sondern das - blinde - Gottvertrauen. So weiterhin die verlogene, reaktionär-fundamentalistische Kriegs-Heils-Botschaft-hier. "Halleluja, lobet den Löwen", notiert denn auch der "Tip" und beschreibt schon in der Überschrift den ärgerlichen Film-Weg: "Das Herrchen der Ringlein". 144 Minuten dummes Düster-Kino.
"39,90"
Frankreich 2007; Regie: Jan Kounen; Drehbuch: Frédéric Beigbeder, Jan Kounen, Bruno Lavaine; Darsteller: Jean Dujardin, Jocelyn Quivrin, Patrick Mille, Vahina Giocante; 104 Minuten
"39,90 " von Jan Kounen basiert auf einem Bestseller, dem 2001 erschienenen gleichnamigen Insider-Roman von Frédéric Beigbeder (französischer Originaltitel: "99 francs"). Der deutsche Buchtitel steht für den Verkaufspreis von 39,90 DM für die deutsche Erstausgabe. Thema: die Werbung. Für die Industrie notwendige "Kommunikation" in Richtung Verbraucher, für andere heißt es "Werbung ist Umweltgift" (Werbekritiker Kalle Lasn in seinem Buch "Culture Jamming").
500 Milliarden US-Dollar werden weltweit jährlich für Werbung ausgegeben, in Deutschland flossen 2007 20,9 Milliarden Euro in die Werbung. Frédéric Beigbeder war selbst ein erfolgreicher Texter bei der Werbeagentur "Young & Rubicam", als er den Roman, auf Anraten seines Freundes Michel Houellebecq ("Elementarteilchen"), verfasste. Das hierzulande im "Rowohlt Verlag" veröffentlichte Buch wurde als Hardcover und als Taschenbuch rund 250.000 mal verkauft. Die Verfilmung wird dem ruhelosen Wut-Buch vollauf gerecht. Dabei im ständigen Blick- und Mittelpunkt: Werbemanager Octave Parango. Dessen verführerisches Motto lautet: "Alles ist käuflich: Die Liebe, die Kunst, der Planet Erde, Sie, ich".
Der Pariser Werbeguru befindet sich permanent auf der Überholspur des Lebens. Er kokst und hurt, hält sich für den Größten, hat immer eine böse Anekdote parat, einen Spruch für jede Situation. Ein Hochkaräter von professionellem Lügenbold. Bis er sich zum ersten Mal "richtig" verliebt. Und es vergeigt. Plötzlich ist "mal etwas" nicht verfügbar, nicht käuflich. Der Zyniker, der sich gerne auch als Künstler sieht, fängt an, denkend aufzuatmen, hat so langsam aber sicher sich und sein "Handwerk" satt.
Beginnt sich umzupolen. Beschließt, diesen gigantischen Werbezirkus in seiner ganzen Verlogenheit, Oberflächlichkeit, Manipulation und Menschenverachtung bloßzustellen, anzuprangern. Der Film: Rasant, spritzig, komisch. Ein irrwitziger Spaß. Eine romantische Frechheit. Mit viel Realitätsgeschmack. Sowie ideenreich und spannend. Vor allem beeindruckend, weil der französische Komiker Jean Dujardin diesen Typ so wunderbar-kotzbrockig vereinnahmt, ihn als tragikomische Ikone regelrecht durchspült.. Abstoßend wie anziehend, eklig wie faszinierend, blendend wie surreal. Eine urig-clevere Kopf-und-Bauch-Provokation.
"Maroa"
Venezuela/Spanien 2005; Regie: Solveig Hoogesteijn; Darsteller: Yorlis Dominguez, Tristán Ulloa, Elba Escobar, Luke Grande, Engel Alejo, Victor Cuno, Víctor Cuica; 102 Minuten
"Maroa" von Solveig Hoogesteijn ist eine hinreißende Außenseiter-Entdeckung in diesen Blockbuster-brüllenden Kinotagen. Bekanntes, aber dennoch spannendes, sinnliches Thema: Musik als erzieherische Chance, Slums und Unterschicht-Milieu zu entkommen. Wir erleben den Blick auf Maroa. Sie ist in Caracas ein Kind der Straße. Die schon früh lernen muss, sich dort zu behaupten. Ihr einziges familiäres Bindeglied besteht aus der ewig nörgelnden Großmutter Brigada, die auf dem Markt "die Zukunft voraussagt", Lose verkauft und Maroa drangsaliert, durch den Verkauf von Heiligenbildern zusätzliches Geld zu verdienen. Außerdem verscherbelt Maroa Pornos. Das sieht die Großmama zwar nicht gern, das Geld dafür aber nimmt sie dennoch gerne der Kleinen ab. Telenovelas, Rap-Musik und gelegentliche Diebstähle prägen Maroas Leben.
Lesen hat sie nie gelernt, sehr wohl aber, sich gegenüber ihrer rauhen Umwelt zu wehren. Bis sie bei einer Knacki-Tour, wo sie Schmiere steht, den Musiklehrer Joaquin kennenlernt. Der spielt Klarinette, und Maroa ist von der Musik eingenommen. Die Begegnung mit der Musik Mozarts wird für sie zum magischen wie faszinierenden Erlebnis. Als sie in einem Heim landet, trifft sie dort Joaquin wieder und wird von ihm in seine Orchesterklasse aufgenommen. Für Maroa ist das der Beginn eines neuen Lebens, das allerdings auch mit zahlreichen Rückschlagen beziehungsweise misslichen Situationen gekennzeichnet ist.
Die Geschichte von Maroa beruht auf der authentischen, einst von der Unesco ins Leben gerufenen Jugendorchester-Bewegung in Venezuela. Der Film "Maroa" ist eine Hommage an den venezolanischen Komponisten José Antonio Abreu. Der hat in den 70er Jahren - zur Zeit des Ölbooms dort - begonnen, Musikschulen aufzubauen. Rund 90. In denen Kinder aus armen und sozial gefährdeten Familien kostenfreien Unterricht und die Möglichkeit bekamen, in einem Jugend-Ensemble mitzuspielen. Musikalische Ausbildung als Mittel gegen Armut, Verwahrlosung und Kriminalität bedeutet in Venezuela gelebte Realität. Laien-Darstellerin Yorlis Dominguez verkörpert ihre aufgeweckte kleine Titelheldin mit Bravour. Überzeugt in dieser Gossen-Mixtur aus Unschuld, Sinnlichkeit und Härte-Wesen. Ein mit vielen spannenden Ecken und Kanten gestalteter Film über einen ungewöhnlichen Menschen-Weg inmitten eines halbdokumentarischen, realistischen Blicks auf die Armutsviertel in Caracas.