Blutsauger

Das gefährlichste Tier Deutschlands

Ute Mackenstedt im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
Die Zecke überträgt Krankheiten wie FSME und Borreliose. Wegen des milden Winters rücken die Tiere nun in nördliche Gebiete vor, sagt die Parasitologin Ute Mackenstedt.
Korbinian Frenzel: Es hat acht Beine, es kann zwei bis drei Jahre ohne Essen überleben, selbst ein Vollwaschgang bei 40 Grad kann ihm in der Regel nichts anhaben, kurzum: Das Tier, von dem wir jetzt reden, ist fast unkaputtbar. Und es ist – das ist die These meiner Gesprächspartnerin – das gefährlichste Tier Deutschlands: die Zecke. Guten Morgen, Ute Mackenstedt.
Ute Mackenstedt: Guten Morgen.
Frenzel: Sie sind Parasitologin an der Universität Stuttgart-Hohenheim, treffen sich ab heute zum zweiten süddeutschen Zecken-Kongress mit vielen anderen Experten. Für so ein kleines Tier ist das ziemlich großer Bahnhof. Was macht die Zecke so gefährlich?
Mackenstedt: Na ja, das eine ist: Sie ernährt sich ausschließlich von Blut. Aber sie kann sehr viele Krankheitserreger übertragen, und das ist der Grund, weswegen wir oder ich sie als gefährlichste Zecke Europas betrachte.
Frenzel: Ist das jede Zecke, oder sind es besondere Zecken, von denen wir da reden, die diese Krankheiten auslösen?
Der gemeine Holzbock ist wirklich gemein
Mackenstedt: Ich rede hauptsächlich von Ixodes Ricinus - das ist der gemeine Holzbock -, da er 95 Prozent unserer Zecken in ganz Deutschland ausmacht. Es gibt noch weitere Zeckenarten, aber wenn ich von einer Zecke rede, dann rede ich von diesem Holzbock.
Frenzel: Und welche Krankheiten sind das, die da ausgelöst werden können?
Mackenstedt: Na ja, hauptsächlich die FSME, also die Frühsommer-Meningoenzephalitis, und die Borreliose. Die FSME ist eine Viruserkrankung, die Borreliose ist eine bakterielle Erkrankung.
Frenzel: Ich habe mich ja schon gewundert beim Titel Ihres Kongresses: Süddeutscher Zeckenkongress. Ehrlich gesagt war ich etwas beruhigt als Berliner. Ist das ein Problem, das nur im Süden stattfindet?
Mackenstedt: Hauptsächlich. Wenn man sich die Zahlen ansieht, gerade in Bezug auf die FSME-Erkrankungen, dann findet man, dass etwa 80 Prozent aller FSME-Erkrankungen in Bayern und in Baden-Württemberg stattfinden. Das heißt nicht, dass andere Bundesländer nicht auch betroffen sein können, aber eben nur selten, und es kommt auch hier nur zu einzelnen Humanerkrankungen.
Frenzel: Wie kommt das? Sind das die klimatischen Bedingungen?
Zeckenwanderung gen Skandinavien
Mackenstedt: Da spielen viele Faktoren eine Rolle, klimatische Bedingungen ja. Die Verbreitung von Ixodes Ricinus ist nach Norden in den letzten Jahren kontinuierlich weiter fortgeschritten. Das heißt, wir haben Ixodes Ricinus jetzt auch mittlerweile in Skandinavien, was früher nicht der Fall war.
Frenzel: Wie kann man sich denn ganz konkret schützen? Ich denke, nicht mehr in den Wald gehen, keinen Spaziergang machen, das ist ja keine Lösung, oder?
Mackenstedt: Nein, nicht wirklich. Ich möchte auch nicht dazu beitragen, dass wir alle jetzt nur noch in den Häusern hier leben und einfach den Schritt vor die Haustür nicht mehr riskieren wollen. Es geht darum, dass man einfach im Hinterkopf hat, dass es Zecken draußen geben kann, und die gibt es nicht nur im Park oder die gibt es auch nicht nur im Wald, sondern die gibt es auch in Ihrem Garten.
Das heißt, Sie können, wenn Sie Waldspaziergänge machen, lange Hosen, lange T-Shirts anziehen. Helle Kleidung, sagt man, ist immer ganz gut, weil Sie auf dieser hellen Kleidung auch die Zecken sehr gut noch erkennen können. Und ganz wichtig ist, wenn Sie wieder zurückkommen, einfach auch mal sich selbst absuchen, denn je schneller Sie eine Zecke entfernen, desto besser. Das spielt insbesondere bei dem Krankheitsbild der Borreliose eine sehr große Rolle.
Frenzel: Gibt es denn auch die Möglichkeit, sich zu impfen oder anderweitig medizinisch vorab zu schützen?
Mackenstedt: Bei der FSME ja. Da gibt es eine Impfung, die auch sehr sicher ist und die eigentlich auch keine Nebenwirkungen hat. Bei der Borreliose gibt es eine Antibiotika-Therapie. Es gibt allerdings bei der Borreliose keine Impfung.
Frenzel: Jetzt haben Sie es schon angesprochen: Wenn man feststellt, man hat einen Zeckenbiss – wahrscheinlich hatte ja jeder schon mal einen Zeckenbiss oder die meisten: Wie merke ich denn dann, dass es jetzt wirklich ein gefährlicher Zeckenbiss war? Was sind da die Anzeichen?
Infizierung nicht sofort sichtbar
Mackenstedt: Bei der FSME haben Sie eigentlich Krankheitssymptome, aber Sie sehen das nicht, dass Sie infiziert worden sind. Bei der Borreliose können Sie die sogenannte Wanderröte entwickeln. Das heißt, das ist eine Rötung um die Zeckenstichstelle herum, die wie der Name es auch schon sagt wandern kann. Aber es bedeutet nicht, dass in 100 Prozent der Fälle auch wirklich so eine Wanderröte auftreten kann, und dann muss man die Symptome wie Fieber oder auch Unwohlsein und so etwas einfach beobachten.
Frenzel: Das heißt, im Zweifel am besten zum Arzt. Wie ist es denn mit den Ärzten? Erkennen die das in der Regel gut und schnell genug?
Mackenstedt: Normalerweise schon, obgleich bei der FSME redet man auch von einer Chamäleon-Krankheit, weil sie auch Symptome entwickelt, die nicht ganz so spezifisch sind. Das ist leider immer das Problem gerade bei der FSME und auch bei der Borreliose, dass sie verschiedene Krankheitssymptome haben, die zunächst einmal nicht so spezifisch sind, dass Sie sofort auf eine FSME kommen.
Was allerdings man noch sagen muss ist, dass wir eine veränderte Zeckenaktivität haben. Das heißt, wir haben durch die milden Winter eigentlich Zecken, die das ganze Jahr über hinweg aktiv sind, und wir haben aktuell bereits mehrere FSME-Erkrankungen in Deutschland. Das ist sehr unüblich. Die ersten Erkrankungen kommen normalerweise immer ab April, Mai, und jetzt, Mitte März, haben wir schon die ersten FSME-Fälle in Deutschland und natürlich in Süddeutschland, also Baden-Württemberg und Bayern.
Frenzel: Der Holzbock, die Zecke ist es, mit der sich Experten ab heute beim süddeutschen Zeckenkongress beschäftigen. Ute Mackenstedt ist mit dabei, Parasitologin an der Universität Stuttgart-Hohenheim. Ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch.
Mackenstedt: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.