Eine Litanei von überwältigender emotionaler Wirkung
06:32 Minuten
Der Sänger Bob Dylan hat ohne jede Vorankündigung wieder ein Lied veröffentlicht. "Murder Most Foul" dauert 17 Minuten und wecke Erinnerungen mehrerer Generationen, sagt Kritiker Helmut Heimann. Manche befürchten, es sei Dylans Abschiedssong.
"Murder Most Foul" ist der längste Song, den der Sänger Bob Dylan je veröffentlicht hat. Er spielt Piano, ein paar Streicher sind zu hören. Das Lied sei ein doppelter Rückblick, sagt Kritiker Helmut Heimann. Die erste Ebene beschäftige sich mit der Ermordung des US-Präsidenten John F. Kennedy am 22. November 1963 in Dallas, die Dylan auch mit recht drastischen Worten beschreibe. "Der Tag, als dem König das Gehirn aus dem Kopf geschossen wurden", hieße es etwa ins Deutsche übersetzt. Es handele sich um eine Art Reportage. Und dann werfe Dylan ein, mit dem Tag des Attentats sei das Zeitalter des Anti-Christen, des Teufels, angebrochen.
Referenzen an die Popkultur
Die andere Ebene besteht aus Referenzen an die Popkultur der letzten 50 Jahre. Erst werden Filme zitiert, ab den 1960er Jahren tauchen dann Musikerkollegen und Musikereignisse auf, wie die Beatles, The Who, das Woodstock-Festival. Dylan fordert den legendären DJ Wolfman Jack auf, bestimmte Musiker oder Songs aufzulegen. "Play John Lee Hooker" etwa, "Play 'Please don’t let me be missunderstood'".
"Diese Litanei hat eine überwältigende emotionale Wirkung, die Erinnerungen einer ganzen Generation oder sogar mehrerer Generationen werden wach, unglaublich starke Emotionen", sagt Heimann. "Zumal man bestimmt davon ausgehen kann, dass er dies Stück nicht zufällig jetzt veröffentlicht hat." Das Lied rege in jedem Fall dazu an, sich Gedanken über den Zustand der Welt und der Menschheit zu machen.
Das Abschiedslied?
Es gibt auch Leute, die darin schon Dylans Abschiedslied erkennen wollen. Heimann hofft, dass dies nicht so ist. Allerdings richte sich der 78-Jährige Sänger in einer Nachricht an die Fans und bedanke sich für deren Treue über all die Jahre – etwas, was der Literatur-Nobelpreisträger eigentlich nicht zu tun pflege. Das wecke natürlich Befürchtungen, sagt Heimann.
(mfu)