80. Geburtstag

Bob Marley: Warum seine Musik noch immer bewegt

Bob Marley singt mit geschlossenen Augen und fasst sich dabei ans Herz.
Bob Marley hatte auch kurz vor seinem Tod nichts von seiner Bühnenpräsenz eingebüßt, hier 1980 in München. © picture alliance / Sammy Minkoff
Am 6. Februar wäre Bob Marley 80 Jahre alt geworden. Der jamaikanische Musiker war schon zu Lebzeiten eine Ikone, er stand gleichermaßen für Rebellion wie für Nächstenliebe. Privat war Marley vor allem ein tiefreligiöser Mensch.
Geboren als Außenseiter und in armen Verhältnissen aufgewachsen, wird Bob Marley schon als Teenager ein einflussreicher Musiker in seiner Heimat Jamaika und später, mit Anfang 30, schließlich gefeierter Weltstar. Mit seiner Musik und seinen Texten steht der Sänger und Gitarrist bis heute für Toleranz, Nächstenliebe und Frieden, aber auch für den individuellen Kampf um Freiheit und eine tiefe Spiritualität.
Songs wie „Could You Be Loved“, „I Shot The Sheriff“ oder „No Woman No Cry“ sind mehr als Popsongs, sie sind Teil des globalen kulturellen Gedächtnisses. Seit seinem Tod 1981 entdeckt immer wieder eine junge Generation den Reggae-Superstar neu. Privat galt Marley als schüchterner Mensch und als aufmerksamer, angenehmer Gesprächspartner. Seine tiefe Religiosität, die sein Werk entscheidend prägte, hatte jedoch nicht nur positive Folgen für sein Umfeld.  

Geburtshelfer des Reggae

Bob Marley und seine Mitmusiker Bunny Wailer und Peter Tosh, später bekannt als The Wailers, gehörten zu einem kleinen Kreis an Musikern, die in den 1960ern aus Ska, Rocksteady und zahlreichen weiteren jamaikanischen und US-amerikanischen Einflüssen ein neues musikalisches Genre entwickelten: den Reggae. Bob Marley war nicht nur Miterfinder, sondern wurde mit den Jahren zum Botschafter des Reggae in der Welt. Seit 2018 zählt Reggae zum immateriellen Weltkulturerbe.
Für seine Offenheit gegenüber Einflüssen aus Rock und Pop wurde Marley von Puristen anfangs noch kritisiert. Doch ohne seine musikalische Weitsicht hätte Reggae wohl ein Nischendasein gefristet und wäre nie zu dem populären Genre geworden, das es heute noch ist – gemeinsam mit seinen Nachkommen Lovers Rock, Dub, Ragga, Dancehall und weiteren Spielarten. Auch heute noch verkaufen sich Bob Marleys Aufnahmen rund eine Million Mal im Jahr.

Vom Außenseiter zum Weltmusik-Superstar

Jimi Hendrix, der mit seiner Musik und seinem ganzen Wirken Rassengrenzen aufgehoben hatte, starb im Jahr 1970. Chris Blackwell, Gründer des legendären Labels Island Records, bei dem Bob Marley zusammen mit den Wailers ab 1972 unter Vertrag stand, sah in Bob Marley einen möglichen Nachfolger für Hendrix – jemanden, der die schmerzhafte Lücke schließen konnte. Und tatsächlich wurde Marley, Sohn einer Jamaikanerin und eines Engländers, nach Hendrix der nächste große Rockstar, der sowohl von schwarzen als auch von weißen Einflüssen geprägt war und dies auch öffentlich vertrat. Er war Identifikationsfigur für Schwarze, Weiße und Menschen mit multiethnischen Wurzeln.

Ich stehe weder auf der schwarzen noch auf der weißen Seite. Ich stehe auf Gottes Seite, auf der Seite des Schöpfers, der mich erschaffen hat aus Schwarz und Weiß.

Bob Marley in einem undatierten Interview

Bob Marley war nach den großen Protestbewegungen Ende der 60er Jahre auch einer jener Musiker, die in den Siebzigern den Faden der Protestlieder wiederaufnahmen. Zahlreiche seiner Songs handeln vom Kampf um Freiheit und Gleichberechtigung, vom Überleben in Armut und von der Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Einigkeit. Auch nach seinem weltweiten Durchbruch blieb Marley diesen Themen treu.
Bob Marley reckt die Faust in die Höhe und singt mit geschlossenen Augen.
Bereits ein Weltstar: Bob Marley bei seinem Auftritt beim Roskilde Festival 1978.© picture alliance / Photoshot
Ohne Bob Marleys nachhaltige Wirkung auf die Popkultur wären so unterschiedliche Acts wie The Police, Madness, No Doubt oder Gentleman gar nicht möglich gewesen. Auch ganze Musikgenres wie Punk, Post-Punk, New Wave oder Downbeat wären ohne den in verschiedenen Reinkarnationen wiederkehrenden Offbeat aus Reggae und Dub entweder deutlich ärmer oder gar nicht erst entstanden.

Stand up for your right!

Bob Marley wurde 1945 in Nine Miles geboren, einem Dorf in den Bergen Jamaikas. Zu jener Zeit war Jamaika noch britische Kolonie. Schon als Kind musste Bob erleben, wie es sich anfühlt, anders zu sein als die Mehrheit. Denn die Hochzeit seiner Eltern – der jungen Sängerin Cedella Booker und des über 40 Jahre älteren Briten und Ex-Soldaten Norval Sinclair Marley – galt als Skandal. Der Musiker, der wie kaum ein anderer für Gemeinschaft stehen sollte, wurde als Außenseiter geboren und als „Halbblut“ beschimpft.
Nach dem Tod des Vaters, den Bob kaum sah, zog die Mutter mit Bob ins Armenviertel Trenchtown in der Hauptstadt Kingston. Dort war Bob eines von vielen Kindern, die oft hungrig zu Bett gehen mussten. Er sah, wie seine Mutter kämpfen musste, um ihn und seine jüngere Schwester durchzubringen. Über die Zeit in Trenchtown singt er unter anderem in seinem Hit „No Woman No Cry“.

Then we would cook cornmeal porridge
Of which I'll share with you
My feet is my only carriage
So I've got to push on through

Vers aus Bob Marleys Song "No Woman No Cry"

Zeit seines Lebens setzte sich Bob Marley gegen Kolonialismus, gegen Apartheid und für den Frieden ein. Sein politischer Einfluss war so groß, dass kurz vor einem Gratiskonzert am 3. Dezember 1976 ein wahrscheinlich politisch motivierter Mordanschlag auf ihn ausgeübt wurde. Sieben bewaffnete Männer drangen in Marleys schwerbewachtes Haus ein und verletzen seine Frau Rita und seinen Manager schwer. Marley selbst wurde durch Schüsse leicht verletzt.
Keine zwei Tage später stand Marley trotz seiner Schussverletzungen wieder auf der Bühne, um damit ein Zeichen gegen die politisch motivierte Gewalt zwischen den Anhängern der beiden dominierenden Parteien auf Jamaika zu setzen. 1978 sorgte er dafür, dass sich die Vorsitzenden der gegnerischen Parteien auf der Bühne des One Love Peace Concerts öffentlich vor den Augen tausender Jamaikanerinnen und Jamaikaner miteinander versöhnten.
Bob Marley schüttelt die Hand des jamaikanischen Oppositionsführers Edward Seaga.
Bob Marleys großer Einfluss zeigte sich auch, als er beim One Love Peace Festival Opposition und Regierung öffentlich miteinander versöhnte. Hier mit Oppositionsführer Edward Seaga.© picture alliance / Photoshot
Der Song „Get Up, Stand Up“ entstand, nachdem Bob Marley in Haiti Zeuge der durch die Duvalier-Diktatur verursachte Armut wurde. Heute ist es einer der bekanntesten Protestsongs überhaupt, der Aktivistinnen und Aktivisten ermutigt, nicht aufzugeben, egal unter welchen Umständen.

We're sick and tired of your bullshit game
To die and go to heaven in a Jesus' name
We know and we understand
Almighty God is a living man
You can fool some people sometimes
But you can't fool all the people all the time
Cause now we see the light
We gonna stand up for our right

Verse aus Bob Marleys Song "Get Up, Stand Up"

Marley setzte sich auch für Panafrikanismus und die Unabhängigkeit afrikanischer Staaten ein. So trat er unter anderem auf der Unabhängigkeitsfeier in Simbabwe auf. Da die Regierung ausschließlich Würdenträger geladen hatte, wurde das Areal während Marleys Konzert von den Fans gestürmt. Die Polizei setzte Tränengas ein. Marley war davon so enttäuscht, dass er am nächsten Tag ein Gratiskonzert für alle gab.
Bob Marley und seine Band auf einer Bühne.
Das "Exodus"-Album und die dazugehörige Tour machten Bob Marley 1977 endgültig zum Weltstar.© picture alliance / Photoshot

Wichtiger Motor Jamaikas

Mit seinem Label Tuff Gong und dem anhängigen Tonstudio brachten Bob Marley und seine Mitstreiter die Musikindustrie in Jamaika voran. Bob Marleys Familie ist bis heute enorm einflussreich auf Jamaika. So leitet beispielsweise seine älteste Tochter Cedella Tuff Gong heute als Geschäftsführerin. Bobs Witwe Rita lebt nach vielen Jahren in Ghana heute in Miami, doch die Multimillionärin galt aufgrund ihres großen Einflusses lange als heimliche Königin Jamaikas. Bob Marleys zwölf Kinder und knapp 40 Enkelkinder sind zu einem großen Teil in der Musikindustrie tätig. Am bekanntesten und erfolgreichsten sind wohl seine beiden Söhne Ziggy und Damian.
Kurz vor seinem Tod wurde Bob Marley für seinen unermüdlichen Einsatz für die Insel mit dem Order of Merit, der höchsten Auszeichnung Jamaikas, geehrt. Nach seinem Tod erhielt er im Mai 1981 ein Staatsbegräbnis. Marley und Reggae sind nicht nur Ausdruck des jamaikanischen Lebensgefühls, sondern auch Magnet für viele tausend Touristen, die jährlich die Karibikinsel besuchen. Die Jamaikaner sind Marley bis heute dankbar. So steht unter anderem eine lebensgroße Statue des Musikers im Independence Park in Kingston und auf Mauern, T-Shirts und Postern im ganzen Land ist sein Konterfei zu sehen.

Rastaman vibration

Nach einem kurzen Aufenthalt in den USA konvertierte Bob Marley mit Anfang 20 vom Katholizismus zur Rastafari-Religion. Er war schon lange zuvor von dem jamaikanischen Back to Africa-Vordenker Marcus Garvey und dessen Lehren beeinflusst worden. Marleys Freund und Mentor, der Rastafari-Prediger Mortimer Planno, übte ebenfalls einen großen Einfluss auf Marleys Glauben aus. Zwar entstand Rastafarianismus aus jüdisch-christlichen Wurzeln, die Auslegung der Bibel ist jedoch eine ganz eigene.
Rastafari glauben an eine spirituelle Rückkehr nach Afrika nach dem Exil durch die Versklavung ihrer Vorfahren. Rastafari ist also eine Befreiungsreligion, die neben Nächstenliebe und Frieden ein naturnahes Leben predigt. Babylon steht für die westliche Welt, die endloses Leid über die Schwarzen gebracht hat. Songs wie der berühmte „Redemption Song“ handeln von der Befreiung, auch spiritueller Art.

Emancipate yourself from mental slavery, none but ourselves can free our mind.

Zeile aus "Redemption Song"

Rastas ernähren sich fleischlos und verzichten auf Alkohol und Nikotin. Marihuana, auch Ganja genannt, spielt eine große Rolle bei Versammlungen. Das Rauchen von Marihuana gilt für Rastafari als Möglichkeit, Kontakt mit dem Göttlichen, mit „Jah“ aufzunehmen. Bob Marley setzte sich daher auch für die Legalisierung von Marihuana ein. Seine Religion bestimmte sein Leben. In seinen Songs und auch in zahlreichen Interviews hat Marley immer wieder bekräftigt, dass sein Glaube sein innerer Antrieb sei.

Es geht um die Erfüllung der Offenbarung, nämlich meine Musik nach Babylon zu bringen. (…) Meine Aufgabe ist die Jugend zu einen, und ich sehe, dass es zu etwas Positivem führt. Darin liegt meine Bestimmung.

Bob Marley in einem Radiointerview mit Neville Ruby

Nachdem er an Hautkrebs erkrankt war, ließ sich Bob Marley aufgrund seiner religiösen Überzeugungen viel zu spät behandeln. So wuchs sich die Erkrankung, die anfangs vergleichsweise leicht zu behandeln gewesen wäre, zu einem tödlichen Hirntumor aus. Marley starb mit nur 36 Jahren, auf dem Höhepunkt seines Erfolgs.

Patriarchales Frauenbild: Kritik an Bob Marley

Marleys Religiosität fütterte seine progressiven Ideen, stand ihnen aber auch oft im Weg. So gibt es in der Rastafari-Religion keine Gleichheit zwischen den Geschlechtern. Eine Frau muss ihrem Mann zwar treu ergeben sein, er selbst ist von dieser Pflicht jedoch befreit.
Bob Marley zeugte neben den gemeinsamen Kindern mit Rita (vier leiblichen Kindern und einer Adoptivtochter) sieben weitere uneheliche Kinder. In ihrer Autobiografie berichtet Rita Marley, dass sie aufgrund des ungeschützten Sex mit anderen Frauen, den ihr Mann regelmäßig hatte, ihm den Beischlaf mehrfach verweigert habe, er dann aber dennoch Sex eingefordert habe.
Rita und Ziggy Marley stehen auf einer Bühne, Rita spricht durch ein Mikrofon, Ziggy winkt.
Rita Marley (links) mit ihrem ältesten Sohn Ziggy bei einem seltenen gemeinsamen Auftritt auf einem Musikfestival.© picture alliance / dpa / Domenech Castello

Was von Bob Marley heute bleibt

Neben seinem Werk, bestehend aus 13 Studioalben, fünf Livealben sowie zahlreichen Singles und Compilations, lebt Bob Marleys Geist auch in der Musik seiner Kinder und Enkel weiter. Romane und Sachbücher, Dokus und Spielfilme befassen sich mit Bob Marley oder sind von ihm inspiriert, am bekanntesten sind wohl der Dokumentarfilm "Marley" von 2012 und das Biopic "Bob Marley: One Love" aus dem Jahr 2024.
Auch wenn die nach wie vor große Präsenz seines Werkes, seines Konterfeis und seines Namens hin und wieder als Ausverkauf angeprangert wird, ist die Erinnerung an Bob Marley für viele Menschen weltweit eine wichtige Inspiration.

pj
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