Bodenständiges Ufo
Es ist ein neues Wahrzeichen für die Freie Universität: die von Stararchitekt Norman Foster neugebaute Bibliothek. Der Bau trägt den Spitznamen "The Berlin Brain", das Berliner Gehirn. Das Gebäude fasst elf ehemals dezentrale Bibliotheken zusammen.
Grau ist alle Theorie: Wände, Regale, Stühle und Tische, alles ist grau. Doch kein ödes Mausgrau erwartet die Besucher, sondern ein dezentes Feuerwerk aller Grautöne, die das Farbspektrum zu bieten hat. Und so ist Dieter Lenzen, Präsident der Freien Universität Berlin, auf den Neubau richtig stolz:
" Wir hoffen, dass wir mit dieser Bibliothek so etwas wie ein Wahrzeichen für die Freie Universität gewinnen werden. Die Freie Universität ist vielleicht eines der wenigen Universitätsbeispiele in Deutschland, wo verschiedene Architekturepochen durchbuchstabiert worden sind, also durchdekliniert worden sind. Und die gerade aktuelle, in dieser befinden Sie sich hier."
Die so genannte "Rostlaube" aus den frühen 70er Jahren gehört zu den spektakulären Bauten der Freien Universität. Sie wurde als flexible Wissenschaftslandschaft mit variablen Modulen geplant, die je nach Bedarf leicht auf- und abgebaut werden können.
So entstand ein System von Seminar- und Aufenthaltsräumen, Hörsälen, Bibliotheken und kleinen begrünten Höfen. Es wurde ein Labyrinth, in dem sich bisher noch jeder Student mehr als einmal verlaufen hat. Diese vernetzte Architektur entsprach dem Gesellschaftsideal einer für alle offenen, dynamischen Gesellschaft, die gegenüber hierarchischen Strukturen misstrauisch war.
Das ambitionierte Projekt war allerdings schon drei Jahrzehnte später vollständig renovierungsbedürftig, und so hatte das Büro Norman Foster 1997 den Gutachterwettbewerb für die Sanierung der so genannten "Rostlaube" und den Neubau einer Bibliothek gewonnen.
Damals war das Gebäude in einem desaströsen Zustand: Wände und Teppichböden waren verschmiert und verdreckt, und auf den Ritzen der Deckenverkleidung klebte Paketklebeband, damit der Asbest noch eine Weile dort blieb, wo er bleiben sollte, bis die Sanierer kamen. Und auch die braune Außenhaut, die zunächst nur ein bisschen rosten sollte, um dann edle Patina anzusetzen, machte den Architekten einen Strich durch die Rechnung: Der Stahl rostete einfach frech weiter, solange bis die Fassade Löcher bekam.
Umso schöner ist jetzt das Ergebnis der Renovierung. Die baulichen Qualitäten des Gebäudes wurden von Lord Norman Foster sensibel bewahrt. Und doch hat sich der Architekt auch bemüht, mehr Intimität und Konzentration in das Gebäude zu bringen. Das entspricht dem neuen Geist der Freien Universität, die sich ja längst vom Ideal der offenen Massenuniversität verabschiedet hat. Dieser Gesinnungswandel prägt auch die neue Bibliothek, die nichts anderes mehr sein will als eine Bibliothek, die ausschließlich dem Studium und der Forschung dient.
" Wie findet man die ideale Form für eine Bibliothek? Schon in der frühen Entwurfsphase erhielt der Bau den Spitznamen "The Berlin Brain", das Berliner Gehirn. Bei jeder Suche nach einem Ideal wird die gesamte rationale und intellektuelle Kraft mit spirituellen und emotionalen Werten verwoben. Das Rationale und das Intellektuelle fließen in dieses Ideal mit ein. Es entsteht etwas, das einerseits ideal für Bücher ist, die ja buchstäblich das Herz dieses Projekts bilden, es ist aber auch ideal für all jene, die den Zugang zu Informationen, Kontemplation, Ruhe und Gemeinschaft suchen."
Jetzt hat Lord Norman Foster die zentrale Bibliothek als ein bodenständiges Ufo in die variable Modular-Architektur der Rostlaube implantiert. Er nahm einfach ein paar Module heraus und setzte in die so entstandenen Freiflächen die neue Bibliothek, die er mit dem Rest des Gebäudes wieder vernetzte und die nun seltsam kompakt, wie ein trutziger Fels in der Siebziger-Jahre-Patchwork-Landschaft steht.
The Brain: Wer durch die große gelbe Röhre das Hirn betritt, sieht sich mit zwei architektonischen Hirnhälften konfrontiert, die auf mehreren Etagen mit Büchern und Zeitschriften bestückt sind. An den serpentinenartigen Kurven der Hirnrinde wurden 636 individuelle, technisch gut ausgestattete Arbeitsplätze eingerichtet, jeweils mit einer Leselampe und einem Designerstuhl à la Egon Eiermann. Hier können sich die Studenten andocken an den unendlichen Wissensfluss der Informationsgesellschaft und ihn weiter vermehren.
Der Schädel des künstlichen Hirns ist ein milchig schimmerndes Oval. Der elegante Kuppelbau besteht aus Aluminiumsegmenten, Belüftungselementen und doppelt verglasten Scheiben, die zu einer optimalen natürlichen Belüftung beitragen sollen. Die Bibliothek, erklärt Lord Norman Foster, ist ein technisch-ökologisches Wunderwerk:
" Eine andere Geschichte ist das Ökologische. Aus Gründen der Energieersparnis, aber auch wegen der schweren Last von beinahe einer Dreiviertelmillion Büchern, ist es eine sehr stabile Konstruktion aus Kern und Etagen geworden. In dem schweren Beton stecken kilometerlange Rohrleitungen, durch die – je nach Jahreszeit – warmes oder kaltes Wasser geleitet wird. Im Vergleich zu einem herkömmlichen Gebäude verbrauchen wir dadurch nur etwa 35 Prozent der Energie, die sonst zur Klimatisierung erforderlich ist."
In der neuen Bibliothek werden jetzt elf ehemals dezentrale Bibliotheken zusammengefasst. Die Bestände der Germanisten und Romanisten bilden dabei den Löwenanteil. Alles in allem kommen 700.000 Bände zusammen, was einer Buchreihe von 20 Kilometern entspricht.
Übrigens: The Brain - der Spitzname für den Bibliotheksneubau - ist durchaus ernst gemeint. Das Hirn als markantes Zeichen eines berühmten Stararchitekten kann die FU im noblen Dahlem ganz gut gebrauchen.
" Wir hoffen, dass wir mit dieser Bibliothek so etwas wie ein Wahrzeichen für die Freie Universität gewinnen werden. Die Freie Universität ist vielleicht eines der wenigen Universitätsbeispiele in Deutschland, wo verschiedene Architekturepochen durchbuchstabiert worden sind, also durchdekliniert worden sind. Und die gerade aktuelle, in dieser befinden Sie sich hier."
Die so genannte "Rostlaube" aus den frühen 70er Jahren gehört zu den spektakulären Bauten der Freien Universität. Sie wurde als flexible Wissenschaftslandschaft mit variablen Modulen geplant, die je nach Bedarf leicht auf- und abgebaut werden können.
So entstand ein System von Seminar- und Aufenthaltsräumen, Hörsälen, Bibliotheken und kleinen begrünten Höfen. Es wurde ein Labyrinth, in dem sich bisher noch jeder Student mehr als einmal verlaufen hat. Diese vernetzte Architektur entsprach dem Gesellschaftsideal einer für alle offenen, dynamischen Gesellschaft, die gegenüber hierarchischen Strukturen misstrauisch war.
Das ambitionierte Projekt war allerdings schon drei Jahrzehnte später vollständig renovierungsbedürftig, und so hatte das Büro Norman Foster 1997 den Gutachterwettbewerb für die Sanierung der so genannten "Rostlaube" und den Neubau einer Bibliothek gewonnen.
Damals war das Gebäude in einem desaströsen Zustand: Wände und Teppichböden waren verschmiert und verdreckt, und auf den Ritzen der Deckenverkleidung klebte Paketklebeband, damit der Asbest noch eine Weile dort blieb, wo er bleiben sollte, bis die Sanierer kamen. Und auch die braune Außenhaut, die zunächst nur ein bisschen rosten sollte, um dann edle Patina anzusetzen, machte den Architekten einen Strich durch die Rechnung: Der Stahl rostete einfach frech weiter, solange bis die Fassade Löcher bekam.
Umso schöner ist jetzt das Ergebnis der Renovierung. Die baulichen Qualitäten des Gebäudes wurden von Lord Norman Foster sensibel bewahrt. Und doch hat sich der Architekt auch bemüht, mehr Intimität und Konzentration in das Gebäude zu bringen. Das entspricht dem neuen Geist der Freien Universität, die sich ja längst vom Ideal der offenen Massenuniversität verabschiedet hat. Dieser Gesinnungswandel prägt auch die neue Bibliothek, die nichts anderes mehr sein will als eine Bibliothek, die ausschließlich dem Studium und der Forschung dient.
" Wie findet man die ideale Form für eine Bibliothek? Schon in der frühen Entwurfsphase erhielt der Bau den Spitznamen "The Berlin Brain", das Berliner Gehirn. Bei jeder Suche nach einem Ideal wird die gesamte rationale und intellektuelle Kraft mit spirituellen und emotionalen Werten verwoben. Das Rationale und das Intellektuelle fließen in dieses Ideal mit ein. Es entsteht etwas, das einerseits ideal für Bücher ist, die ja buchstäblich das Herz dieses Projekts bilden, es ist aber auch ideal für all jene, die den Zugang zu Informationen, Kontemplation, Ruhe und Gemeinschaft suchen."
Jetzt hat Lord Norman Foster die zentrale Bibliothek als ein bodenständiges Ufo in die variable Modular-Architektur der Rostlaube implantiert. Er nahm einfach ein paar Module heraus und setzte in die so entstandenen Freiflächen die neue Bibliothek, die er mit dem Rest des Gebäudes wieder vernetzte und die nun seltsam kompakt, wie ein trutziger Fels in der Siebziger-Jahre-Patchwork-Landschaft steht.
The Brain: Wer durch die große gelbe Röhre das Hirn betritt, sieht sich mit zwei architektonischen Hirnhälften konfrontiert, die auf mehreren Etagen mit Büchern und Zeitschriften bestückt sind. An den serpentinenartigen Kurven der Hirnrinde wurden 636 individuelle, technisch gut ausgestattete Arbeitsplätze eingerichtet, jeweils mit einer Leselampe und einem Designerstuhl à la Egon Eiermann. Hier können sich die Studenten andocken an den unendlichen Wissensfluss der Informationsgesellschaft und ihn weiter vermehren.
Der Schädel des künstlichen Hirns ist ein milchig schimmerndes Oval. Der elegante Kuppelbau besteht aus Aluminiumsegmenten, Belüftungselementen und doppelt verglasten Scheiben, die zu einer optimalen natürlichen Belüftung beitragen sollen. Die Bibliothek, erklärt Lord Norman Foster, ist ein technisch-ökologisches Wunderwerk:
" Eine andere Geschichte ist das Ökologische. Aus Gründen der Energieersparnis, aber auch wegen der schweren Last von beinahe einer Dreiviertelmillion Büchern, ist es eine sehr stabile Konstruktion aus Kern und Etagen geworden. In dem schweren Beton stecken kilometerlange Rohrleitungen, durch die – je nach Jahreszeit – warmes oder kaltes Wasser geleitet wird. Im Vergleich zu einem herkömmlichen Gebäude verbrauchen wir dadurch nur etwa 35 Prozent der Energie, die sonst zur Klimatisierung erforderlich ist."
In der neuen Bibliothek werden jetzt elf ehemals dezentrale Bibliotheken zusammengefasst. Die Bestände der Germanisten und Romanisten bilden dabei den Löwenanteil. Alles in allem kommen 700.000 Bände zusammen, was einer Buchreihe von 20 Kilometern entspricht.
Übrigens: The Brain - der Spitzname für den Bibliotheksneubau - ist durchaus ernst gemeint. Das Hirn als markantes Zeichen eines berühmten Stararchitekten kann die FU im noblen Dahlem ganz gut gebrauchen.