Bodyshaming-Vorwurf

Dicke Luft bei den Salzburger Festspielen

08:40 Minuten
Die Sängerin Kathryn Lewek wird in einem hautfarbenen Korsett von drei Männern im Teufelskostüm auf Händen getragen.
Sopranistin Kathryn Lewek fordert, dass Kritiker den Gesang beurteilen, nicht den Körper. © imago images / Ernst Wukits
Franziska Stürz im Gespräch mit Max Oppel |
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Ein Opernkritiker verwendet in seiner Besprechung der "Orpheus in der Unterwelt"-Inszenierung bei den Salzburger Festspielen das Wort "dick" – und löst damit einen Shitstorm aus. Ist die Empörung berechtigt?
Penisse und Vulven auf der Bühne – und das bei den Salzburger Festspielen: Barrie Koskys Inszenierung von Jacques Offenbachs "Orpheus in der Unterwelt" war ein kalkulierter Skandal. Trotz eines begeisterten Publikums schwappt nun eine Welle der Empörung durch die Opernwelt – und das aus einer ganz anderen Richtung, als man erwarten könnte.
Losgetreten hat sie die Hauptdarstellerin Kathryn Lewek auf ihrem Twitterkanal. Dort wirft Lewek dem Kritiker Manuel Brug von der Zeitung "Die Welt" "Fatshaming" vor – also Diskriminierung aufgrund ihres Körpergewichts. Brug hatte die Aufführung als "immer gleiches Sexboulevardstück" kritisiert, in dem "dicke Frauen in engen Korsetten in diversen Separees die Beine breit" machen würden.

Salzburger Festspiele loben Leweks Mut

Lewek wird von Brug an der kritischen Stelle nicht namentlich genannt. Die US-amerikanische Sopranistin bezog die Äußerung dennoch auf sich und kritisierte sie als unagemessen. Sie könne nicht nachvollziehen, warum Brug im selben Atemzug ihre gesanglichen Qualitäten und ihre körperliche Erscheinung thematisiere, so Lewek auf Twitter. In einer öffentlichen Stellungnahme gratulierten die Salzburger Festspiele Lewek zu ihrer "außergewöhnlichen künstlerischen Leistung" und lobten ihren Mut, sich gegen "Bodyshaming" auszusprechen.
In der Inszenierung tritt Lewek als Eurydike fast nackt auf, nur mit einem hauftarbenen Korsett bekleidet. Auch an Sexszenen mangelt es nicht. Eine Frau so zu zeigen, sei eine bewusste Entscheidung des Regisseurs, meint die Kritikerin Franziska Stürz im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur.

Man "weiß, worauf man sich einlässt"

Barrie Kosky wolle ein bestimmtes Frauenbild in den Fokus rücken – und so ein Konzept sei für jede Darstellerin eine Herausforderung. "Als Darstellerin weiß man aber auch, worauf man sich einlässt – und darf dann nicht überrascht sein, wenn das auch thematisiert wird", so Stürz.
Die Opernsängerin Kathryn Lewek steht in einem hautfarbenen Korsett auf der Bühne vor einem Kamin
Das Kostüm thematisiere den Körper der Eurydike, der deshalb auch Teil einer Opernkritik sein dürfe, so Kritikerin Stürz.© imago images / Ernst Wukits
Regisseur Kosky hätte Lewek auch ein Kostüm geben können, das ihren Körper weniger in den Fokus rückt. Doch Kosky entschied sich, Eurydike in dieser Form als Lustobjekt zu präsentieren. Für Stürz werde die Debatte deshalb momentan auf der falschen Ebene geführt.

Keine Formulierungspolizei

Das eigentliche Streitobjekt sei vielmehr die Sichtweise des Regisseurs auf die Frau. Und diese müsse man als Kritiker auch thematisieren dürfen. "Wenn ich beschreibe, dass jemand Übergewichtiges eine Figur darstellt und das auf eine bestimmte Weise wirkt, heißt das nicht, dass ich ihn lächerlich mache."
Kritiker bräuchten keine "Formulierungspolizei", die festlegt, welche Worte zur Beschreibung von Körpern verwendet werden dürfen und welche nicht. Stattdessen läge es in der Verantwortung jedes Kritikers, im Einzelfall angemessene Worte zu finden.
(rod)

Unsere Sendung "Fazit" sendete außerdem einen Kommentar von Franziska Stürz:
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