Böhm: Spendenbereitschaft für Äthiopien nach wie vor hoch

Moderation: Hanns Ostermann |
Trotz der verheerenden Umweltkatastrophen des vergangenen Jahres hat die Spendenbereitschaft der Deutschen für langfristige Hilfsprojekte offenbar nicht abgenommen. Die Äthiopienhilfe "Menschen für Menschen" habe in diesem Jahr sogar fast höhere Spendeneingänge als in den vorangegangenen Jahren, sagte Karl-Heinz Böhm, Gründer der Hilfsorganisation.
Ostermann: Wut und Empörung haben zwei Seiten. Einerseits können sie für das unmittelbare Umfeld schon belastend sein, ein wütender Chef ist alles andere als angenehm. Zugleich sind Wut und Empörung ein sehr fruchtbarer Boden.

Ein gutes Beispiel hierfür liefert Karl-Heinz Böhm. Der ehemalige Schauspieler gründete 1981 die Stiftung "Menschen für Menschen". Die Diskrepanz zwischen Arm und Reich war es, die sein Leben veränderte. Seit fast 25 Jahren setzt er sich seither für Äthiopien ein, ein Land, das mittlerweile zwar auf dem Papier eine Verfassung nach deutschem Vorbild hat, dem aber Hunger, Not, Bürgerkriege immer wieder zu schaffen machen. Karl-Heinz Böhm ist jetzt am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen.

Böhm: Einen schönen guten Morgen, Herr Ostermann, aber auch liebe Hörerinnen und Hörer.

Ostermann: Welche Fortschritte, Herr Böhm, hat die Demokratisierung in Äthiopien gemacht?

Böhm: Die Demokratisierung hat man versucht zu Beginn der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, und man ist Schritt für Schritt da weiter gekommen. Obwohl man von dem, was wir uns von einer Demokratie vorstellen, glaube ich, noch eine ganze Weile entfernt ist, die einfach eine historische andere Grundlage auch hat. Aber ob die Demokratie die richtige Form des Staates für einen afrikanischen Staat ist, ist nicht voraussehbar.

Ostermann: Wie geht der Staat heute mit Kritikern, mit Mitarbeitern von Nichtregierungsorganisationen um?

Böhm: Ich muss Ihnen gestehen, ich bin seit 1981 in dem Land und ich habe von vorneherein gesagt, dass ich keine wie immer gearteten Bedingungen stelle, weder politisch noch kulturell, noch im wirtschaftlichen Sinne in irgendeiner Weise. Und das hat sich dadurch wirklich erwiesen, dass die Regierung sowohl der Militärdiktatur vorher als auch die heutige Regierung überhaupt keine Bedingungen an "Menschen für Menschen" stellt. Und wir arbeiten also ganz hervorragend mit denen - vor allem auf den untersten Ebenen der Administration und so weiter - zusammen, was wir ja müssen. Ob das jetzt die Landwirtschaft ist, ob das die Schulen sind, die wir bauen, oder ob das die Krankenhäuser sind. Das müssen ja alles enge Zusammenarbeiten mit diesen Infrastrukturen sein.

Ostermann: Lassen Sie uns über die vielen Projekte, die Sie da eben angedeutet haben, sprechen. Ihnen liegt vor allem auch die Situation der Frauen am Herzen. Was haben Sie hier erreichen können?

Böhm: Also ich habe erstens mal festgestellt, dass die Position der Frau in der äthiopischen Gesellschaft so ist wie etwa bei uns vor 150 Jahren. Das haben wir ja auch alles selber durchgemacht. Und ich habe versucht auf allen Basen, da, wo die Frau am meisten betroffen ist, zum Beispiel verwitwet oder geschiedene Frauen, die sind die mit am schwersten Betroffenen in der Gesellschaft, dass wir da zum Beispiel Kreditprogramme begonnen haben, die wir jetzt allerdings nicht nur auf diese zwei Faktoren limitieren, sondern die also überall für Frauen vorhanden sind, damit sie sich selbständig machen können.

Dann, was mir sehr wichtig erschien, es gibt alte schädliche Traditionen, die zum Teil 3000 Jahre alt sind, wie die schrecklichste Form der Frauenbeschneidung oder wie Kinderheirat. Das alles sind Dinge, wo wir versucht haben und wo ich auch vor neun Jahren schon begonnen habe, das abzubauen. Und ich muss sagen, ich war eigentlich erstaunt, dass die Türen alle weit offen waren, wie ich das nur ein bisschen angestoßen habe. Die Menschen sind sehr bereit, mit diesen schrecklichen Traditionen so schnell als möglich aufzuhören.

Ostermann: Herr Böhm, Sie sind auf Spenden angewiesen. Da gab es 2004, 2005 Katastrophen biblischen Ausmaßes und ebenso beeindruckend war die Flut der Hilfsbereitschaft. Mussten Sie demzufolge Einbußen hinnehmen, denn die Spendenbereitschaft ist ja schon begrenzt.

Böhm: Ich muss Ihnen zu meiner Freude sagen, dass die Spenderinnen und Spender, die mir also jetzt schon 24 Jahre Vertrauen gegeben haben, durch diese Naturkatastrophen, die ja grässlich waren und wirklich erschreckend in jeder Beziehung, keine wie immer gearteten Einbußen der Spendenhöhe gegenüber "Menschen für Menschen" gezeigt haben, sondern wir sind fast etwas höher sogar noch, wie in den letzten zwei, drei Jahren.

Ostermann: Was wünschen Sie sich für die kommenden Tage für 2006 ganz konkret?

Böhm: Ich wünsche mir, dass die Menschen allmählich begreifen, dass sie von dem Fest der Geburt dieses Menschen Christus sich immer weiter entfernen und das ganze wird nur noch ein Kaufwahn, das heißt eine Wirtschaftsexplosion sozusagen im Jahr. Und es wird ja nicht mehr gesagt, ob schöne Weihnachten sind durch Frieden, den wir haben miteinander, vielleicht weniger Konflikte sind und weniger Terror ist, sondern es wird gesagt, es ist ein gutes Weihnachtsfest, wenn möglichst viel gekauft wird.

Ich möchte gerne mal wissen, was Christus, der mal einen Tempel ausgeräumt hat, wenn Sie sich erinnern - im Neuen Testament beschrieben - was er sagen würde, wenn er heute unsere Kaufwut zu seinem Geburtstag sieht oder hört.

Ich möchte allen Spenderinnen und Spendern für dieses Vertrauen danken, das sie mir 24 Jahre gegeben haben. Und ich hoffe, sie geben es mir auch weiter, nicht nur in der Weihnachtszeit, sondern 365 Tage im Jahr und die kommenden Jahre, damit wir alles tun können, um die Armut dieses Landes weiter abzubauen und den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich zu entwickeln.