"Ich finde, das war eine kluge Show"
Lobende Worte findet die Fernsehkritikerin Klaudia Wick für Jan Böhmermanns erste Sendung nach seiner vierwöchigen Sendepause. Der Satirikerin sei gestärkt aus der Affäre um sein umstrittenes Erdogan-Gedicht hervorgegangen.
"Herbert Wehner hat mal gesagt, wer rausgeht muss auch wieder reinkommen", sagte die Fernsehkritikerin Klaudia Wick im Deutschlandradio Kultur. Es sei für Jan Böhmermann sehr schwierig gewesen, nach der Staatsaffäre um den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit seiner Witzeshow wieder anzufangen. "Ich glaube, er hat das ganz geschickt gemacht", sagte Wick.
103 Euro für einen Witz
Böhmermann habe vor seiner satirischen Late-Night-Show "Neo Magazin Royale" über soziale Medien die Zuschauer dazu aufgefordert, ihm Witze zuzuschicken. Dafür seien 103 Euro für den verwendeten Witz angeboten worden, was dem umstrittenen Majestätsbeleidigungsparagraphen 103 entspreche. "Das war schon ein Aufruf mit ganz vielen Anspielungen", sagte Wick. "Und dann waren die Witze mau." Damit habe Böhmermann verdeutlicht, dass ein Witzemacher auch mal maue Witze machen können müsse. Auf der anderen Seite habe man sehen können, dass es besser sei, wenn Böhmermann sie selber mache oder seine Autoren.
Anwalt Gysi als Studiogast
Zu der Affäre habe sich Böhmermann die ganze Zeit indirekt geäußert, sagte Wick. "Es war so wie der Oberton in der Musik die ganze Zeit da." Auch die Wahl des Studiogastes sei mit Gregor Gysi als Anwalt sei bewusst gewählt gewesen. "Der hat natürlich ein Statement abgegeben", sagte Wick.
Böhmermann ist gestärkt
"Danach kann alles wieder kommen, das ist das Kluge daran", sagte Wick. "Ich finde, das war eine kluge Show." Jetzt könne Böhmermann wieder alles machen und werde auch wieder alles machen. Der Satiriker sei gestärkt aus der Debatte hervorgegangen, sagte Wick. "Weil wir alle jetzt darüber reden, was Kunstfreiheit eigentlich bedeutet, was Meinungsfreiheit eigentlich bedeutet und wie man damit umgehen muss." Das könne Böhmermann jetzt weitermachen, aber auch einfach der Witzemacher sein.
Scoop über "Schwiegertochter gesucht"
Die Fernsehkritikerin lobte auch, dass der Sendung gleich ein neuer Scoop gelungen sei. Für die Rubrik "Die Fernsehnothilfe" habe die Redaktion zwei verkleidete Schauspieler in die RTL-Sendung "Schwiegertochter gesucht" geschickt, wo arme, einsame Herzen verkuppelt werden. "Jetzt konnte man halt sehen, wie diese Sendung aufgezeichnet wird, wie die Leute gezwungen werden, auch Dinge zu tun, die sie nicht tun wollten", sagte Wick. Das sei für Fernsehkritiker nicht neu, aber in der Sendung sehr gut gelungen. Das werde die Moderatorin der Doku-Soap, Vera Int-Veen, noch länger beschäftigen.
Hören Sie zum Thema auch die Frühkritik vom 13.5. 2016 / Rezensent: Matthias Dell