Bundesregierung prüft Strafverfolgung
Am Wochenende hat die die Türkei ein förmliches Strafverlangen gestellt, so dass ein Verfahren gegen den TV-Moderator Jan Böhmermann möglich würde. Allerdings müsste die Bundesregierung der Strafverfolgung zustimmen. Eine Zustimmung ist aber sehr umstritten.
Von sich aus beginnt Regierungssprecher Steffen Seibert die Regierungspressekonferenz mit einer Erklärung zum Fall Böhmermann:
"Lassen Sie mich diesen Sachverhalt zum Anlass nehmen, um noch einmal unmissverständlich deutlich zu machen: Artikel 5 unseres Grundgesetzes, die Freiheit der Meinung, der Kunst und der Wissenschaft ist für die Bundeskanzlerin selbstverständlich höchstes Gut und weder nach Innen noch nach Außen verhandelbar. Und das gilt unabhängig davon, ob sie persönlich etwas für geschmackvoll oder geschmacklos, für gelungen oder für abstoßend hält."
Weiterhin aber muss sich die Bundesregierung positionieren. Am Wochenende hat die Türkei laut Medienberichten ein förmliches Strafverlangen gestellt. Damit kommt ein Strafverfahren gegen Böhmermann nach § 103 Strafgesetzbuch in Frage. Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt beleidigt, heißt es darin, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren betraft. War verleumderische Absicht im Spiel, steigt die Strafdrohung auf fünf Jahre.
Schah-Beleidigung wurde verfolgt
Allerdings muss die Bundesregierung der Strafverfolgung zustimmen, in der Vergangenheit wurden solche Ermächtigungen auch schon erteilt, zuletzt wegen Beleidigung der Schweizer Bundespräsidentin. Auch nach Demonstrationen gegen den Schah in den Sechziger-Jahren waren die Ermächtigungen erteilt worden.
Das Strafgesetzbuch verlangt für die Strafverfolgung außerdem, dass es eine entsprechende Strafnorm auch in dem anderen Land gibt und dass die Bundesrepublik dorthin diplomatische Beziehungen unterhält.
Der CDU-Politiker Ansgar Heveling hält vor dem Hintergrund darüber hinausgehende inhaltliche Maßstäbe für die Prüfung der Bundesregierung gar nicht für nötig. Im Deutschlandfunk sagte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses:
"Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, bin ich der Auffassung, sollte die Bundesregierung dem zustimmen. Und das bedeutet ja noch lange nicht, dass damit ein Urteil gesprochen ist, sondern das bedeutet ja nur, dass damit unser Verfahren in Gang gesetzt wird. Wir haben da klare Gewaltenteilung und feste Regeln."
Brok: Prozess wäre falsch
Das ist umstritten, auch unter CDU-Politikern. In der ARD-Sendung Anne Will riet der Europaabgeordnete Elmar Brok von der Zustimmung ab:
"Ich glaube nicht, dass es klug wäre, hier einen Prozess zuzulassen. Ich weiß nicht, was da entschieden wird, aber ich würde es für falsch halten, wenn das gemacht würde. Denn das würde dann eine andere Dimension bekommen, eine Dimension, die dieser Sachverhalt innerhalb der deutschen Debatte nicht hat. Unsere Probleme – wo Grenzen von Satire sind, wo Grenzen von Rechten von Ehre der Persönlichkeit sind, die wir haben müssen nach dem Grundgesetz – da sollte nicht der Punkt sein, dass eine ausländische Macht darauf Einfluss hat, dass wir ein Strafverfahren eröffnen."
Frank Überall, der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, zeigte sich im Sender n-tv abwartend:
"Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass hier im Moment so eine Situation entstanden ist, wo ausgelotet wird. Und wie lotet man aus? Mit einem Pendel. Und dieses Pendel kann auch mal Grenzen überschreiten. Und damit hat Böhmermann gespielt. Und wenn er da möglicherweise in einen Bereich gependelt ist, der strafrechtlich relevant ist, dann muss er auch dazu stehen."
Springer-Chef zeigt Solidarität zu Böhmermann
Andere bringen einer möglichen Strafverfolgung weit weniger Verständnis entgegen. Die Frage, ob es sich bei dem Schmähgedicht, dem Grenztest mit Ansage überhaupt um Satire handele, bejahte der Chef des Springer-Verlages Matthias Döpfner. Er erklärte Böhmermanns Auftritt zu einem Kunstwerk. Der habe versucht, mit Maximalprovokation die Leute zu verstören, um sie über den Umgang mit Satire und Satire-Intoleranz nachdenken zu lassen.
Und Döpfner machte sich – mit Blick auf ein mögliches Strafverfahren – alle Schmähungen des Gedichts zu Eigen. Mit dem Satz "Erdogan, zeig mich bitte auch mal an" solidarisierte sich auch der Komiker Didi Hallervorden.
Umstritten ist nach wie vor, dass Angela Merkel das Gedicht gegenüber Erdogan als "bewusst verletzend" bezeichnet hat. Als Teil ihrer Meinungsfreiheit sieht das Elmar Brok. Als schändlich bezeichnete es die Politikerin der Linksfraktion, Savim Dagdelen. Merkel habe die Meinungsfreiheit verteidigen müssen.