Böhmermanns Schmähkritik

Zwickmühle für Kanzlerin Merkel

Von Frank Capellan, Hauptstadtstudio Berlin |
Eigentlich könne Kanzlerin Merkel nicht anders, als dem Wunsch Erdogans zu folgen, gegen Jan Böhmermann Ermittlungen aufnehmen zu lassen. Schließlich habe sie öffentlich gemacht, dass die Schmähkritik ihrer Meinung nach keine Satire war, kommentiert Frank Capellan.
Hätte sie doch nur den Mund gehalten! Oder zumindest nicht öffentlich gemacht, dass sie dem türkischen Premier Davutoglu ihre ganze Abneigung hinsichtlich der Erdogan-Schmähungen kundgetan hat. Bewusst verletzend war das Böhmermann-Gedicht in den Augen der Kanzlerin: Ihren Sprecher ließ Angela Merkel erklären, dass sie die weit unter die Gürtellinie gehenden Verse des Satirikers scharf verurteilt.
Das sollte reichen, damit wäre alles gesagt, die Sache erledigt, hatte Merkel gehofft, schließlich hatte das ZDF den umstrittenen Beitrag ja umgehend aus der Mediathek genommen.
Denkste! Jetzt will ausgerechnet der türkische Präsident Erdogan, der das eigene Recht im Kampf gegen seine Kritiker beugt, wo er nur kann, die deutsche Justiz bemühen! Paragraf 103 Strafgesetzbuch, Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes. Die Bundesregierung soll dafür sorgen, dass Ermittlungen gegen Jan Böhmermann aufgenommen werden.
Selbstverschuldet hat sich Angela Merkel in die Zwickmühle gebracht. Eigentlich kann sie nun gar nicht anders, als dem Wunsch Erdogans zu folgen, schließlich hat sie ja öffentlich gemacht, dass die Schmähkritik ihrer Meinung nach keine Satire war.

Kotau vor dem türkischen Präsidenten

Darüber aber lässt sich streiten, juristisch wird dem Comedian mit seinen Beleidigungen kaum beizukommen sein, hatte er doch seinen Auftritt ganz explizit in den Kontext der Extra-Drei-Persiflage über Erdogan gestellt, wegen derer sogar der deutsche Botschafter im türkischen Außenamt antanzen musste. Dazu aber sagte die Kanzlerin Ende März lieber gar nichts, eine deutliche Verteidigung eines Fernsehbeitrages, der zweifelsfrei unter die Freiheit der Satire fiel, war von der Bundesregierung nicht zu hören.
Damals hätte sie sich jede Einmischung von türkischer Seite verbitten müssen. Dass sie das nicht tat, jetzt aber den Böhmermann-Text verurteilte, hat ihren Kotau vor dem türkischen Präsidenten öffentlich unterstrichen.
Merkels Sorge, Erdogan könnte in der Flüchtlingsfrage nicht weiter kooperieren und ihr damit innenpolitisch neue Schwierigkeiten machen, scheint unermesslich zu sein. Mit ihrem ungeschickten Vorgehen aber hat sie den Eindruck verfestigt, dass sich Deutschland in Fragen der Meinungsfreiheit ausgerechnet von der Türkei treiben lässt.
Innerhalb der nächsten Tage muss die Bundesregierung nun über die Einleitung eines Strafverfahrens entscheiden, das ausgehen wird wie das Hornberger Schießen. Angela Merkel hätte sich das ersparen können – und lieber für sich behalten, wie sehr sie Böhmermanns Ergüsse verschmäht. Es hätte Gold wert sein können, einfach mal an der richtigen Stelle zu schweigen!
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