Böll-Stiftung: Klimaschutz in den USA nur "Wohlfühlthema"

Arne Jungjohann im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler |
Arne Jungjohann von der Heinrich-Böll-Stiftung warnt vor einem Rückschlag für die Klimaschutzbemühungen durch die anstehenden Wahlen in den USA. Bei einer Verschiebung der Mehrheiten zugunsten der Republikaner drohten viele Umweltprojekte zu scheitern.
Jan-Christoph Kitzler: Knapp zwei Jahre ist US-Präsident Barack Obama im Amt, und er ist ja nicht nur angetreten, um etwas für den Frieden in der Welt zu tun und für die Abrüstung, sondern auch etwas für den Klimaschutz. Doch seine Ziele sind inzwischen ziemlich bescheidene geworden: Während Deutschland bis 2020 seine Treibhausgase im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent reduzieren will, hat Obama bei der Klimakonferenz in Kopenhagen magere vier Prozent für den gleichen Zeitraum versprochen. Und auch dieses Ziel ist in Gefahr: Vor den Halbzeitwahlen in der kommenden Woche schwindet die Zahl derer, die seinen klimapolitischen Kurs unterstützen.

Was ist aus Obama, dem Klimaschützer, geworden? Das habe ich mit Arne Jungjohann besprochen, er arbeitet für die grünennahe Heinrich Böll Stiftung in Washington, und meine erste Frage an ihn war, was er in Sachen Klimaschutz von den Wahlen der kommenden Woche erwartet.

Arne Jungjohann: Wir erwarten zumindest für das Abgeordnetenhaus, dass da die Republikaner mit höchster Wahrscheinlichkeit die Mehrheit übernehmen werden. Sie werden damit auch Hoheit über das Budget bekommen und zum Beispiel darüber entscheiden, ob die Umweltagentur, die Enviromental Protection Agency, überhaupt genug Gelder hat zum Arbeiten und ob die Umweltagentur wie geplant zum 1. Januar 2011 Grenzwerte für den CO2-Ausstoß von großen Kraftwerken und Industrieanlagen einführen kann. Nach dem Scheitern des Klimagesetzes jetzt im Sommer wird das die neue Kampfstelle hier auf der Bundesebene werden: Die Bundesregierung will diese neuen CO2-Grenzwerte einführen, die Republikaner werden mit ihren parlamentarischen Mitteln alles daran setzen, das zu verhindern.

Kitzler: Aber es sind ja nicht nur die Republikaner, sondern auch einige Demokraten, die gegen stärkeren Klimaschutz mobil machen. Kämpft Barack Obama inzwischen auf verlorenem Posten?

Jungjohann: Wir haben gesehen, als die Demokraten in der aktuellen Legislaturperiode satte Mehrheiten in beiden Kammern hatten, sowohl im Repräsentantenhaus wie auch im Senat, dass es da eben vor allen Dingen die moderaten Demokraten in den eigenen Reihen waren, aus den ländlichen Bundesstaaten, aus Bundesstaaten mit Kohle- oder Ölindustrie, die nicht bereit waren, diesen Kurs mitzugehen, den Obama vorgegeben hat für mehr Klimaschutz, für erneuerbare Energien. In der nächsten Legislatur wird sich das jetzt ein Stück weit verschieben gegen die Republikaner.

Es gibt aber andererseits auch zum Beispiel im mittleren Westen, in Chicago und der erweiterten Nachbarschaft, neue Ansätze für Klimaschutz. Dort begreifen inzwischen auch die demokratischen Politiker, dass Klimaschutz und Jobs in den erneuerbaren Energien, dass da Umweltschutz und wirtschaftliche Entwicklung Hand in Hand gehen.

Kitzler: Der Klimaschutz in den USA wird ja auch in den Bundesstaaten vor allem vorangetrieben, da galt Kalifornien immer als Vorreiter, zum Beispiel mit besonders strengen Abgasnormen. Ist das immer noch so, bleibt das so, oder sind auch dort die Klimaschutzskeptiker auf dem Vormarsch?

Jungjohann: Ja, in Kalifornien bahnt sich jetzt für Dienstag ein klimapolitisches Endspiel an. Dort gibt es mehrere Wahlen, die im Prinzip relevant sind für den Ausgang des Klimaschutzes, zum einen wird da die Nachfolge von Arnold Schwarzenegger ermittelt. Es gibt aber auch ein Volksbegehren, was zum Ziel hat, das geltende Klimaschutzgesetz in Kalifornien abzuschaffen. Das wird finanziert von der Öllobby und zwar gar nicht aus Kalifornien heraus, sondern von umliegenden Staaten, aus Texas zum Beispiel, denn die Lobby weiß: Kalifornien ist Trendsetter in Sachen grüner Energiepolitik in den USA, und wenn wir Kalifornien stoppen können, dann haben wir damit auch eine Signalwirkung hinein in den Rest des Landes. Und das wird eine sehr knappe Sache werden.

Kitzler: Gerade nach einer Katastrophe wie zum Beispiel der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko sollte man doch meinen, dass die erneuerbaren Energien jetzt einen guten Stand hätten in der öffentlichen Meinung. Warum ist das offensichtlich nicht so?

Jungjohann: Die Ölkrise wurde verstärkt als Wirtschaftskrise wahrgenommen. In einem Bundesstaat wie Louisiana, also direkt am Golf von Mexiko, da gibt es im Prinzip drei Industriebereiche, wo der Staat seine Steuereinnahmen generiert: Die Fischerei sorgt ungefähr für eine Milliarde Einnahmen an Steuer für den Bundesstaat, der Tourismus für zehn Milliarden und die Ölindustrie für zehn Milliarden. Und die Ölkatastrophe hat gezeigt, dass praktisch die zwei wichtigsten Wirtschaftsbereiche komplett ausgefallen sind wegen der Katastrophe, und das ist einer der Gründe dafür, warum diese Wahrnehmung der Katastrophe, anders als zum Beispiel wie man das in Deutschland erwarten würde, dass das nicht als großes Umweltdesaster wahrgenommen wurde, sondern vor allen Dingen in erster Linie als weitere wirtschaftliche Katastrophenmeldung.

Kitzler: Und bei vielen Menschen in den USA ist offensichtlich die Sorge, die mit der Wirtschaftskrise verbunden ist, größer als die Sorgen vor dem Klimawandel, oder?

Jungjohann: Das ist in der Tat gerade so. Wir beobachten bei allen Umfragen, dass Klimaschutz abgesackt ist in der Bedeutung der wichtigsten politischen Themen, und das muss man auch als ausländischer Beobachter hier konstatieren: Klimaschutz wird immer noch als Wohlfühlthema gesehen in den USA, es wird immer noch der alte Widerspruch gesehen zwischen Wirtschaft und Umweltschutz. Umweltschutz müsse Geld kosten. Und ich glaube, da sind wir in Europa schon ein ganzes Stück weiter, dass wir dort die Einsicht haben, dass eben eine gute Umweltpolitik auch eine gute Wirtschaftspolitik ist.

Dieser Status von Klimaschutz und von Umweltschutz, der muss in den USA immer noch erarbeitet werden. Es gibt gute Beispiele, wo eben der Umwelt- und der Klimaschutz wirtschaftlich erfolgreich ist in den USA, zum Beispiel in Texas, wo die Windenergie rasant wächst, auch mit Geldern aus der Ölindustrie. Aber die politischen Zusammenhänge werden da gern unter den Teppich gekehrt.

Kitzler: Noch eine Frage zum Schluss: Kann Barack Obama seine Klimaschutzziele überhaupt einhalten, wenn die Wahlen so ausgehen, wie es jetzt aussieht?

Jungjohann: Manche sagen, ja, es wird für den Präsidenten leichter, zumindest in der Öffentlichkeit sich gegenüber einem republikanisch dominierten Kongress durchzusetzen oder zu profilieren. Das sagt aber noch wenig aus über die tatsächlichen Ziele, die erreicht werden. Aus meiner Sicht ist es so, dass klimapolitisch wir auf der Bundesebene weiter warten müssen mit einem ernsthaften Gesetz, das kann noch ein paar Jahre dauern.

Für Obama wird es vor allen Dingen darauf ankommen, dass er mit seiner Umweltagentur sich durchsetzt gegen die Klagewellen, die da jetzt vor den Gerichten hochziehen, und diese Grenzwerte per Ordnungsrecht einführt.

Das wäre ein großer Gewinn für den Klimaschutz, und das würde auch den Trend unterstützen, den wir ohnehin beobachten: In den letzten zehn Jahren sind faktisch keine neuen Kohlekraftwerke hier ans Netz gegangen zurzeit ist Erdgas die große Energieform, wo alle Investoren reingehen. Es wird sehr viel in Wind investiert, das heißt, wir haben schon ein Stück weit diese positive wirtschaftliche Entwicklung in diese Bereiche hinein, aber der politische Rahmen muss erst noch auf der Bundesebene gesetzt werden.

Kitzler: Der Klimaschutz hat einen schweren Stand in den USA. Das war Arne Jungjohann von der grünennahen Heinrich Böll Stiftung in Washington. Vielen Dank dafür!

Jungjohann: Vielen Dank!
Mehr zum Thema