"Eine Wellness-Oase für die Seele"
Die Zahl der Buchkäufer ist in den letzten Jahren um sechs Millionen zurückgegangen. Vielen fehle die Zeit zum Lesen, sagt Alexander Skipis vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Zugleich sehnen sich viele auch nach Auszeiten. Darin sieht Skipis Zukunftschancen fürs Buch.
Frank Meyer: Die Zahl der Buchkäufer in Deutschland geht deutlich zurück, das hat vor Kurzem die Interessengruppe Belletristik und Sachbuch des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels mitgeteilt. In den Jahren 2012 bis 2016 sei die Zahl der Buchkäufer um sechs Millionen gesunken, von knapp 37 Millionen auf nur noch knapp 31 Millionen. Darüber wollen wir reden mit Alexander Skipis. Er ist der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins. Guten Tag, Herr Skipis!
Alexander Skipis: Guten Tag, Herr Meyer!
Meyer: Wie haben Sie das überhaupt festgestellt, diesen sehr deutlichen Rückgang bei der Zahl der Buchkäufer?
Skipis: Das war zu Beginn des letzten Jahres, also 2017, da hörten wir immer deutlichere Stimmen aus unserer Mitgliedschaft, dass irgendwas auf dem Buchmarkt nicht stimmt. Wir haben ja in den letzten Jahren, und da blicke ich jetzt mal die letzten zehn, 15 Jahre zurück, immer einen mehr oder weniger konstanten Umsatz von round about 9,3 Milliarden Euro gemacht, und es schien so, als sei da eigentlich alles in Ordnung. Das war es auch eine Zeit lang, aber in der jüngsten Vergangenheit – und Sie haben die Zahlen ja richtig zitiert –, in der jüngsten Vergangenheit sind die Buchkäuferzahlen zurückgegangen. Das haben wir zusammen mit der GFK sehr intensiv mit den zu Verfügung stehenden Daten ermittelt. Es gibt da ein Consumer Panel von GFK, bei dem schreiben 25.000 Menschen ihre täglichen Käufe auf. Und aus diesen Zahlen kann man erkennen, dass es genau so mit einem Rückgang, wie Sie ihn zitiert haben, nämlich ungefähr 16,5 Prozent seit 2012 tatsächlich vonstatten gegangen ist. Und das ist ein Rückgang, der zum Teil in der Vergangenheit kompensiert worden ist dadurch, dass die weniger Käufer mehr Bücher gekauft haben und die Preise ein klein wenig teurer geworden sind, sodass man es an den Umsätzen nicht gemerkt hat.
Situation ist ernst, aber chancenreich
Meyer: Können Sie denn jetzt auch sagen, warum das so ist, warum die Zahl der Buchkäufer so stark zurückgegangen ist?
Skipis: Das ist natürlich die superspannende Frage. Denn wir sehen zwar in dieser Entwicklung eine sehr ernste Situation, aber sie ist nach jüngsten Befragungen, die wir durchgeführt haben, sehr chancenreich. Denn wir haben Fokusgruppenbefragungen gemacht. Die sind jetzt noch nicht vollständig ausgewertet, aber es zeichnet sich ab, dass die Menschen, gerade die, die mehr Bücher gelesen haben, dass diese zum einen sehr positive Erfahrungen mit dem Buch haben, sich nach dem Buchlesen sehnen, nach der Auszeit, nach der Beschäftigung mit sich selbst, mit fremden Fantasien und so weiter. Das ist die eine Seite, die positive Seite. Und die negative ist, dass diese Menschen unisono darüber klagen, dass sie gerade durch die sozialen Medien so stark in der Kommunikation beansprucht sind, dass sie einfach zeitlich nicht mehr zum Lesen kommen.
Meyer: Das ist wohl auch vor allem ja auch bei jüngeren Menschen so, bei den bekannten Digital Natives. Und die sind es wohl auch, wenn ich das richtig verstehe, die sich auch massiv vom Buch abwenden. Das ist dann die sehr schlechte Nachricht bei all diesen Zahlen, oder?
Skipis: Nicht ganz. Die ganz Jungen, bis 19 Jahre, und dann die Älteren ab 70, bei denen steigt das Buchlesen und der Buchkauf. Aber dazwischen, da spielt sich eben genau diese Problematik ab. Und diese Menschen fühlen sich so stark in Anspruch genommen von den sozialen Medien. Da kann ich Ihnen wunderbare Originaltöne dazu sagen, die geradezu darunter leiden, dass sie ständig antworten müssen und in dieser Kommunikation sind, weil sie sagen, ich will ja nicht unhöflich sein. Oder aber, ich will auch nicht draußen sein. Und diese Situation ist eine, die ich als für uns jedenfalls sehr chancenreich sehe, weil wir mit dem Buch dann doch so etwas wie eine Wellness-Oase für die Seele bieten können. Wir müssen es nur verdeutlichen, dass das Buch eben diese Funktion hat und diese Möglichkeiten bietet.
"Das wird natürlich jetzt sehr viel mit Marketing zu tun haben"
Meyer: Und gibt es da schon Ideen, wie Sie das tun wollen, dieses – das Buch als Wellness-Oase, wie Sie sagen, wieder nach vorn bringen?
Skipis: Das wird natürlich jetzt sehr viel mit Marketing zu tun haben. Da haben wir noch keine ganz konkreten Vorstellungen. Wir beginnen aber unsere Kampagne "Jetzt ein Buch" schon auf diese Situation einzustellen. Wir müssen natürlich noch warten, bis wir diese Untersuchung ganz ausgewertet haben. Aber es deutet eben alles darauf hin, dass wir aufmerksam machen müssen darauf, dass das Buch gerade in Zeiten der enormen Hektik eine Entspannung bieten kann und auch eine langfristige Beschäftigung mit Themen, die ja in dieser Hektik der sonstigen Kommunikation auch nicht mehr möglich ist.
Meyer: Die Zahl der Buchkäufer in Deutschland ist in den letzten Jahren deutlich gesunken. Wir haben darüber gesprochen mit Alexander Skipis, Geschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Herr Skipis, vielen Dank für das Gespräch!
Skipis: Sehr gern, Herr Meyer!
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