Börsenverein protestiert gegen Erdogan-Besuch

"Ein Schlag ins Gesicht derer, die jetzt im Gefängnis sitzen"

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bei einer Veranstaltung seiner Partei AKP in Ankara.
Umstrittener Staatsbesuch: der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. © AP / Burhan Ozbilici
Alexander Skipis im Gespräch mit Elena Gorgis |
Alexander Skipis vom Börsenverein des deutschen Buchhandels hält Frank-Walter Steinmeiers Einladung des türkischen Staatspräsidenten Erdogans für ein "fatalales Zeichen". Man dürfe die politischen Gefangenen in der Türkei nicht vergessen.
Am 28. September wird der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit militärischen Ehren im Schloss Bellevue empfangen. Selten war ein Staatsbesuch so umstritten. Viele Politiker der Opposition haben ihre Teilnahme an einem geplanten Staatsbankett am Abend abgesagt und wollen damit ein Zeichen gegen die Missachtung der Menschenrechte in der Türkei setzen.
Der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Alexander Skipis
Der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Alexander Skipis© picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt
Auch der Börsenverein des deutschen Buchhandels kritisiert scharf, die Bundesregierung rolle "für einen Despoten den roten Teppich aus". Er will sich solidarisch zeigen mit den zehntausenden Regierungskritikern, darunter viele Journalisten und Autoren, die nach dem Putsch im Sommer 2016 im Gefängnis landeten. Während des Staatsbanketts wird der Börsenverein in Frankfurt am Main deshalb eine Solidaritätslesung veranstalten.

"Champagner mit dem Despoten"

Dessen Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis sagt: "Wir halten es für ein fatales, falsches Zeichen, wenn am 28. September abends beim Staatsbankett die Bundesregierung und der Bundespräsident Champagner trinken und ein Mehrgängemenü mit dem Despoten Erdogan verspeisen, während in der Türkei Hunderte von Menschen in den Gefängnissen verschwunden sind – nur weil sie ihre Meinung gesagt haben oder als Journalisten ihrer Aufgabe nachgegangen sind. Das ist ein Schlag ins Gesicht derer, die jetzt im Gefängnis sitzen."
Die Türkei sei ein Unrechtsstaat, und der Börsenverein fordere, die politischen Gefangenen sofort freizulassen. Es sei beschämend zu sehen, wie die Freiheitsrechte der UN-Menschenrechtscharta "immer dann zurückweichen, wenn es um wirtschaftliche Interessen geht."

An Einzelschicksale erinnern

Mit der Solidaritätslesung wolle der Börsenverein an "die schrecklichen Einzelschicksale" derjenigen erinnern, die "nachts aus ihren Wohnungen geholt werden und in den Gefängnissen verschwinden" – oft ohne Prozess und ohne überhaupt zu wissen, was ihnen vorgeworfen werde.
All das sei indiskutabel. "Und nichts ist schlimmer als dann auch noch, wenn man im Gefängnis sitzt, vergessen zu werden", sagte Skipis. Deshalb wolle der Börsenverein mit der Lesung, die auch im Live Stream zu verfolgen sei, ein Zeichen setzen.
Generell werde die Einmischung und das Engagement von Nicht-Politikern immer wichtiger.
(mkn)

An diesem Freitag um 18 Uhr findet die Solidaritätslesung "Lesen für die Freiheit" in Frankfurt am Main statt.
Unter den Gästen sind unter anderem Aslı Erdogan, Michel Friedman, Insa Wilke, Hauke Hückstädt und Jörg Bong. Die Lesung wird per Livestream übertragen: www.wort-und-freiheit.de.

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