Böses Erwachen an der Börse

Von Christoph Giesa |
In gewissen Abständen gibt es an den Kapitalmärkten Ereignisse, die auch die Laien in ihren Bann ziehen. Der Facebook-Börsengang war so eine Situation – die für den Kleinanleger mit einem entsprechenden Kater endete. Dabei war die Entwicklung absehbar - und bietet einige Möglichkeiten, für die Zukunft zu lernen.
Seit 1996 Yahoo zum ersten Mal notiert wurde, gab es immer wieder viel erwartete Technologie-Börsengänge. Gingen am Anfang die Kurse oftmals noch innerhalb des ersten Handelstages im dreistelligen%bereich durch die Decke, schien die Luft schon beim Börsengang von Google im Jahr 2004 deutlich dünner zu werden.

Spätestens seit Groupons Niedergang, der auf einen guten ersten Tag folgte, herrscht bei den Aktionären des Rabattportals aber ein mindestens ebenso großer Kater wie bei denen, die Zynga-, Facebook- oder auch Telekom-Aktien gezeichnet haben. Dafür gibt es handfeste Gründe.

Im Fall von Yahoo oder Ebay, von denen niemand wusste, ob es sie zwei Jahre später noch geben würde, fiel es allen Beteiligten extrem schwer, einen fairen Marktpreis vorauszusagen. Die Informationslage beim Börsengang von Facebook allerdings, das diesen Schritt in einer viel späteren Phase wagte und zu diesem Zeitpunkt schon Umsätze im Milliardenbereich vorweisen konnte und Geld verdiente, war da eine ganz andere. Aber wenn der Unternehmenserfolg erst einmal in allen Zeitungen steht, ist es typischerweise schon zu spät, noch aufzuspringen. Wenn nicht sogar gefährlich.

Nicht jeder ist mit dieser Entwicklung unglücklich. Sämtliche große Konsortialbanken haben nach dem Goldrausch Ende des letzten Jahrtausends ihre Prognosesysteme professionalisiert. Denn so schön kurzfristige Steigerungen nach einem Börsengang vor allem für die Privatanleger waren, so unbefriedigend waren diese oftmals für die Kunden der Banken, nämlich die Unternehmen, die ihre Aktien möglichst gewinnbringend am Markt platzieren wollten.

Wäre Facebook anstatt zu 38 Dollar etwa zu 20 Dollar in den Markt gegangen, wären die Kurse danach sicher gestiegen und die Kritik wäre, wenn überhaupt, dann zumindest nicht so harsch ausgefallen. Das Unternehmen und die Alt-Investoren allerdings hätten bis dahin eine Menge Geld verschenkt.

Bei näherer Betrachtung ist der Börsengang von Facebook damit der endgültige Beweis dafür, dass der Kleinanleger in Zukunft zumindest bei der Platzierung von Aktien großer Namen immer der Dumme sein wird. Nicht nur, weil die Banken inzwischen wissen, wie man Aktien zum bestmöglichen Preis losschlägt. Sondern vor allem, weil das Geld in genau dem Augenblick, in dem Otto Normalanleger Zugriff auf die Unternehmensanteile bekommt, regelmäßig schon verdient ist.

Wachstum wird nicht mehr, wie bei Yahoo oder Ebay, aus den Erlösen eines Börsengangs finanziert. Vielmehr geschieht die Finanzierung des Wachstums über private Beteiligungen, die dann über den Börsengang mit typischerweise fürstlichen Gewinnen wieder ausbezahlt werden. In diese Welt dringt der Kleinanleger normalerweise nicht mehr vor. Und am Ende beißen den Letzten eben die Hunde.

Wer sich dessen bewusst ist, kann trotzdem weiterhin investieren, sollte das dann aber als das verstehen, was es für ihn ist: eine gehobene Form der Lotterie. Seine Altersvorsorge allerdings sichert man nicht derart riskant. Eine Alternative könnte vielleicht auch im wachsenden Anleihemarkt mittelständischer Unternehmen zu finden sein. Das ist zwar vielleicht nicht ganz so sexy, aber langfristig vermutlich ergiebiger.

Die Politik wiederum kann nicht allzu viel tun. Sie sollte aber zumindest das Ziel im Blick haben, mit kluger Rahmensetzung Fairness durch gleich gute Information für alle Anleger zu schaffen. Und vielleicht schafft man es dann auch, den Kleinanlegern wieder den Weg dahin zu öffnen, wo inzwischen das Geld verdient wird. Denn eine Umverteilung von unten nach oben kann ganz sicher nicht in ihrem – und auch nicht in unserem - Interesse liegen.

Christoph Giesa arbeitet als Publizist und Unternehmensberater in Hamburg, war Landesvorsitzender der Jungen Liberalen Rheinland-Pfalz, Initiator der Bürgerbewegung zur Unterstützung von Joachim Gauck als Bundespräsidentschaftskandidat und Mitbegründer der linksliberalen FDP-Vereinigung "Dahrendorfkreis". Er schrieb das Buch "Bürger. Macht. Politik” (Campus-Verlag 2011). Das Zeitgeschehen kommentiert er in seinem "blog.christophgiesa.de" und als Kolumnist von "The European".

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