Böttiger: Der Tod steht im Zentrum seines Schaffens
Sein Grundthema sei der Tod, miterlebt schon von Kindesbeinen an, das sich durch sein Werk ziehe, meint Helmut Böttiger über den österreichischen Autor Josef Winkler. Der frischgebackene Büchner-Preisträger schreibe "opulent" und "barock". Dennoch sei die Wahl Winklers nicht ganz unumstritten.
Kassel: Ich frage Sie, Helmut Böttiger, ist das auch typisch für ihn, weil typisch österreichisch ist es, Tod unter leicht absurden Umständen?
Böttiger: Der Tod ist etwas Absurdes, vor allem in Österreich. Und diese Stelle war tatsächlich aus dem Roman "Natura Morta". Das schildert ein römisches Markttreiben. Und das ist ein interessantes Buch, weil Josef Winkler sich mit diesem Buch wegschreiben wollte von der österreichischen Heimat, von diesem Kärntner Dorf und seiner Familie und von den Todesritualen. Er hat ein römisches Markttreiben beschrieben, wo man am Anfang denkt, ein pralles Leben. Es ist auch an dieser Stelle deutlich, die Fischköpfe, diese ganzen Menschenleiber, die sich durcheinanderdrängen, die Rufe der Marktfrauen. Das ist ein kunterbuntes Leben wie auf einem flämischen Bild des 17. Jahrhunderts, auch barock alles, die Sprache ist sehr ausgeschmückt. Und dann tritt der Tod natürlich ein. Der Picoletto, ein Junge mit langen Wimpern, der immer leitmotivisch auftaucht, der wird von einem Einsatzwagen der Feuerwehr überfahren, und der Tod kommt hinterrücks in dieses aufblühende römische Leben hinein. Von daher, der Tod, der ist das Zentrum bei Josef Winkler, er lässt ihn nicht los, und er versucht es aber in dieses rhythmisch pulsierende Leben immer mehr einzubinden. Das ist im Verlauf seines Werks ziemlich interessant zu verfolgen.
Kassel: Ist es ihm, um bei diesem Beispiel zu bleiben, gelungen, sich wegzuschreiben? Ich meine, der äußere Rahmen, anstatt Dorf die Millionenstadt Rom, anstatt Österreich Italien, aber die Themen sind die gleichen, oder?
Böttiger: Die Themen sind letztlich immer die gleichen, wobei er sich geografisch immer wieder neue Zonen sucht. Zuerst hat er sich versucht in Indien, die Einäscherungsplätze am Ganges in Benares. Da hat er ein sehr fulminantes Buch geschrieben "Domra", da sind die priesterähnlichen Leichenbestatter. "Domra" heißt auch dieses Buch, wo er diese Szenarien am Ganges genau beschreibt, wo Leben und Tod ineinander übergehen. Die Begräbnisse sind dort nicht so abgetrennt wie hier in Mitteleuropa, sondern das Leben spielt sich kunterbunt um diese Todesrituale herum weiter und die Kinder spielen und es gibt da ein lautes Geschrei drum herum. Der Tod ist da eingebettet, und das hat ihn sehr fasziniert. Die österreichische Familienkeimzelle, das Sterben der Großmutter, das war sein erstes Erlebnis als Dreijähriger, dass er die Großmutter aufgebahrt gesehen hat von Immergrün umwuchert. Und das ist das erste Bild, an das Josef Winkler erinnert. Das ist das Zentrum. Aber er versucht es durch andere Regionen, Indien oder hier Rom, wo das Erleben ganz anders konfiguriert ist, ganz andere buntere Blüten treibt, das versucht er zusammenzubringen und immer wieder taucht dann diese österreichische Urszene auf, selbst im blühendsten Leben. Und "Natura Morte", dieses Buch, das mit dem Alfred-Döblin-Preis damals ausgezeichnet wurde, das bringt die Sache eigentlich auf die Spitze. Das ist so schwelgerisch, dieses Markttreiben, das ist so üppig. Und dann dieser Junge mit den langen Wimpern, ein Schönling, wie ein italienisches Sehnsuchtsmotiv, das man sich wirklich aus mitteleuropäischer Perspektive fast klischeehafter nicht vorstellen kann, den ereilt es dann durch den Feuerwehrwagen, der ihn überfährt. Das ist einfach die Existenz, die Josef Winkler lebt und von der er nicht loskommt, die er aber in immer neuen Arabesken beschreibt. Und das kann man doch auch sagen, dass es erstaunlich ist, zu wie viel neuen Arabesken er immer wieder findet.
Kassel: Ist es das, was die Jury in Darmstadt als obsessive Dringlichkeit bezeichnet?
Böttiger: Diese Formulierung trifft durchaus den Kern. Es ist eine Obsession. Das Todesmotiv ist in Österreich natürlich verankert und in Kärnten natürlich noch mehr. Und dieses Szene, wo er als Drei-Jähriger die Großmutter aufgebahrt sieht, führt dazu, dass er Ministrant wird und diese ganze Todesrituale dann an der Seite des Priesters erlebt. Und zusätzlich kommt eine Szene hinzu, die in allen seinen Romanen eine Rolle spielt. Zwei Jugendliche, zwei 17-Jährige, bringen sich in seinem Heimatdorft Kamering um mit einem Kälberstrick. Und diese zwei 17-Jährigen, die sich mit einem Kälberstrick umbrachten, die tauchen in jedem seiner Bücher auf und lassen dieses Todesmotiv natürlich kulminieren, und das ist tatsächlich eine Obsession. Und von daher hat sein Werk auch immer wieder zwiespältige Reaktion hervorgerufen. Es gibt durchaus jubilierende Kritiken, die wirklich auch diesen Sprachteppich, dieses rhythmische Verknüpfen von Leitmotiven sehr stark hervorheben. Aber es gibt auch Stimmen, die sich doch an der thematischen Beschränkung ein bisschen stoßen, weil es ist natürlich sehr monothematisch.
Kassel: Darauf wollte ich kommen, Herr Böttiger. Seien wir mal ehrlich, Büchner-Preis bei allem Respekt, ich glaube, der erste Roman von Winkler ist 1979 herausgekommen und seitdem, er ist kein Vielschreiber, aber er hat doch immer wieder neue Romane veröffentlicht. Und wenn ich Sie mal sehr böse zusammenfassen darf, es immer wieder um dasselbe geht, wird das nicht auch langweilig?
Böttiger: Nun ja, da könnte man entgegnen, dass natürlich jeder Autor sein Thema hat. Jeder große Autor hat sein Thema und umschreibt es in immer neuen Variationen. Da ist Josef Winkler jetzt keine große Ausnahme. Der Tod als österreichisches Zentralthema ist auch keine große Überraschung, dass das so im Mittelpunkt steht. Aber es stimmt schon, ein Kritiker hat einmal gesagt, das ist etwas zwischen Ludwig Ganghofer und Jean Genet. Und das trifft die Sache sehr gut. Die österreichischen, fast folkloristischen Motive und die großen existenziellen Verwerfungen, die bei Jean Genet auftauchen, das ist auch einer der Lieblingsautoren von Josef Winkler, auf den er sich immer wieder bezieht, über den er auch ein Buch geschrieben hat. Da werden zwei Dinge zusammengebracht, die im geglückten Fall tatsächlich etwas ergeben, was so eine Suggestion ausmacht, einen rhythmischen Strom, dem man sich kaum entziehen kann. Aber wenn man dann drei, vier Bücher gelesen hat, denkt man doch, also das hat man doch schon einmal gelesen und bewundert nur noch, mit welchen Überraschungsmomenten er versucht, sich davon wegzuschreiben.
Kassel: Wie es der Zufall will, weil, ich weiß nicht, ob Sie es mitbekommen haben, Herr Böttiger, gestern gab es in Österreich ein Fußballspiel, wo Deutsche involviert waren, und wie es der Zufall will, haben wir eigentlich deshalb heute im "Feuilleton-Pressegespräch" mit dem Kulturchef der "Kleinen Zeitung" in Graz gesprochen, und da war das schon bekannt, dass Josef Winkler den Büchner-Preis bekommt. Und er hat sich ein bisschen rumgeredet, weil er als Österreicher in Deutschland jetzt natürlich sich nicht unzufrieden zeigen wollte mit dieser Entscheidung. Aber er hat schon zwischen den Zeilen gesagt, er findet das nicht ganz angemessen, dass er diesen Preis bekommt. Wenn ich mir jetzt die Liste angucke, Büchner-Preis, das sind immer sehr bekannte Autoren gewesen. Wir können Tausend Namen nennen, von Max Frisch bis zu Wolfgang Koeppen, wer den alles bekommen hat, letztes Jahr Mosebach. Wie sehen Sie das, ist das die richtige Entscheidung in Darmstadt?
Böttiger: Man kann gegen Josef Winkler tatsächlich wenig sagen. Aber wenn man das so herum formuliert, man kann gegen den Autor eigentlich nichts sagen, ist es schon eine kleine atmosphärische Einschränkung. Ich würde schon Autoren dieser Generation, da gibt es eine Handvoll, wo ich spontan sagen würde, zu denen würde ich jetzt persönlich eher neigen. Aber Josef Winkler, wenn ein Österreicher dran gewesen ist, das muss man ja berücksichtigen, es gibt die Schweiz, es gibt Österreich, diese beiden Länder legen auch großen Wert darauf, dass sie deutschsprachig sind, und bei diesem Preiskarussell dann adäquat berücksichtigt werden, wenn ein Österreicher dran gewesen ist, turnusmäßig, dann liegt Josef Winkler sehr nahe. Man kann gegen diese Entscheidung eigentlich wenig sagen. Literarisch gesehen kann man eigentlich nichts dagegen sagen, weil er ist schon ein sehr opulenter, barocker, suggestiver Autor mit diesen ganzen rhythmischen Strukturierungen der Sprache, die in Österreich eben zu Hause sind. Aber das ist dann Geschmackssache, sind subjektive Kriterien, dass man sagt, nun ja, es hätte noch andere gegeben. Und dass aus Österreich kritische Stimmen kommen, das ist kein Zufall. Auch gegen Elfriede Jelinek wurde natürlich vor allem auch aus Österreich immer gern geschossen.
Kassel: Selbstzerfleischung ist der Standard.
Böttiger: Der bringt schon die Kalamitäten der österreichischen Seele auf den Punkt, und mancher verträgt das besser und mancher schlechter.
Kassel: Zu ändern ist daran aber nichts mehr. Josef Winkler, der österreichische Autor, bekommt den Büchner-Preis 2008, verliehen wird er am 1. November in Darmstadt. Helmut Böttiger, ich danke Ihnen!
Böttiger: Der Tod ist etwas Absurdes, vor allem in Österreich. Und diese Stelle war tatsächlich aus dem Roman "Natura Morta". Das schildert ein römisches Markttreiben. Und das ist ein interessantes Buch, weil Josef Winkler sich mit diesem Buch wegschreiben wollte von der österreichischen Heimat, von diesem Kärntner Dorf und seiner Familie und von den Todesritualen. Er hat ein römisches Markttreiben beschrieben, wo man am Anfang denkt, ein pralles Leben. Es ist auch an dieser Stelle deutlich, die Fischköpfe, diese ganzen Menschenleiber, die sich durcheinanderdrängen, die Rufe der Marktfrauen. Das ist ein kunterbuntes Leben wie auf einem flämischen Bild des 17. Jahrhunderts, auch barock alles, die Sprache ist sehr ausgeschmückt. Und dann tritt der Tod natürlich ein. Der Picoletto, ein Junge mit langen Wimpern, der immer leitmotivisch auftaucht, der wird von einem Einsatzwagen der Feuerwehr überfahren, und der Tod kommt hinterrücks in dieses aufblühende römische Leben hinein. Von daher, der Tod, der ist das Zentrum bei Josef Winkler, er lässt ihn nicht los, und er versucht es aber in dieses rhythmisch pulsierende Leben immer mehr einzubinden. Das ist im Verlauf seines Werks ziemlich interessant zu verfolgen.
Kassel: Ist es ihm, um bei diesem Beispiel zu bleiben, gelungen, sich wegzuschreiben? Ich meine, der äußere Rahmen, anstatt Dorf die Millionenstadt Rom, anstatt Österreich Italien, aber die Themen sind die gleichen, oder?
Böttiger: Die Themen sind letztlich immer die gleichen, wobei er sich geografisch immer wieder neue Zonen sucht. Zuerst hat er sich versucht in Indien, die Einäscherungsplätze am Ganges in Benares. Da hat er ein sehr fulminantes Buch geschrieben "Domra", da sind die priesterähnlichen Leichenbestatter. "Domra" heißt auch dieses Buch, wo er diese Szenarien am Ganges genau beschreibt, wo Leben und Tod ineinander übergehen. Die Begräbnisse sind dort nicht so abgetrennt wie hier in Mitteleuropa, sondern das Leben spielt sich kunterbunt um diese Todesrituale herum weiter und die Kinder spielen und es gibt da ein lautes Geschrei drum herum. Der Tod ist da eingebettet, und das hat ihn sehr fasziniert. Die österreichische Familienkeimzelle, das Sterben der Großmutter, das war sein erstes Erlebnis als Dreijähriger, dass er die Großmutter aufgebahrt gesehen hat von Immergrün umwuchert. Und das ist das erste Bild, an das Josef Winkler erinnert. Das ist das Zentrum. Aber er versucht es durch andere Regionen, Indien oder hier Rom, wo das Erleben ganz anders konfiguriert ist, ganz andere buntere Blüten treibt, das versucht er zusammenzubringen und immer wieder taucht dann diese österreichische Urszene auf, selbst im blühendsten Leben. Und "Natura Morte", dieses Buch, das mit dem Alfred-Döblin-Preis damals ausgezeichnet wurde, das bringt die Sache eigentlich auf die Spitze. Das ist so schwelgerisch, dieses Markttreiben, das ist so üppig. Und dann dieser Junge mit den langen Wimpern, ein Schönling, wie ein italienisches Sehnsuchtsmotiv, das man sich wirklich aus mitteleuropäischer Perspektive fast klischeehafter nicht vorstellen kann, den ereilt es dann durch den Feuerwehrwagen, der ihn überfährt. Das ist einfach die Existenz, die Josef Winkler lebt und von der er nicht loskommt, die er aber in immer neuen Arabesken beschreibt. Und das kann man doch auch sagen, dass es erstaunlich ist, zu wie viel neuen Arabesken er immer wieder findet.
Kassel: Ist es das, was die Jury in Darmstadt als obsessive Dringlichkeit bezeichnet?
Böttiger: Diese Formulierung trifft durchaus den Kern. Es ist eine Obsession. Das Todesmotiv ist in Österreich natürlich verankert und in Kärnten natürlich noch mehr. Und dieses Szene, wo er als Drei-Jähriger die Großmutter aufgebahrt sieht, führt dazu, dass er Ministrant wird und diese ganze Todesrituale dann an der Seite des Priesters erlebt. Und zusätzlich kommt eine Szene hinzu, die in allen seinen Romanen eine Rolle spielt. Zwei Jugendliche, zwei 17-Jährige, bringen sich in seinem Heimatdorft Kamering um mit einem Kälberstrick. Und diese zwei 17-Jährigen, die sich mit einem Kälberstrick umbrachten, die tauchen in jedem seiner Bücher auf und lassen dieses Todesmotiv natürlich kulminieren, und das ist tatsächlich eine Obsession. Und von daher hat sein Werk auch immer wieder zwiespältige Reaktion hervorgerufen. Es gibt durchaus jubilierende Kritiken, die wirklich auch diesen Sprachteppich, dieses rhythmische Verknüpfen von Leitmotiven sehr stark hervorheben. Aber es gibt auch Stimmen, die sich doch an der thematischen Beschränkung ein bisschen stoßen, weil es ist natürlich sehr monothematisch.
Kassel: Darauf wollte ich kommen, Herr Böttiger. Seien wir mal ehrlich, Büchner-Preis bei allem Respekt, ich glaube, der erste Roman von Winkler ist 1979 herausgekommen und seitdem, er ist kein Vielschreiber, aber er hat doch immer wieder neue Romane veröffentlicht. Und wenn ich Sie mal sehr böse zusammenfassen darf, es immer wieder um dasselbe geht, wird das nicht auch langweilig?
Böttiger: Nun ja, da könnte man entgegnen, dass natürlich jeder Autor sein Thema hat. Jeder große Autor hat sein Thema und umschreibt es in immer neuen Variationen. Da ist Josef Winkler jetzt keine große Ausnahme. Der Tod als österreichisches Zentralthema ist auch keine große Überraschung, dass das so im Mittelpunkt steht. Aber es stimmt schon, ein Kritiker hat einmal gesagt, das ist etwas zwischen Ludwig Ganghofer und Jean Genet. Und das trifft die Sache sehr gut. Die österreichischen, fast folkloristischen Motive und die großen existenziellen Verwerfungen, die bei Jean Genet auftauchen, das ist auch einer der Lieblingsautoren von Josef Winkler, auf den er sich immer wieder bezieht, über den er auch ein Buch geschrieben hat. Da werden zwei Dinge zusammengebracht, die im geglückten Fall tatsächlich etwas ergeben, was so eine Suggestion ausmacht, einen rhythmischen Strom, dem man sich kaum entziehen kann. Aber wenn man dann drei, vier Bücher gelesen hat, denkt man doch, also das hat man doch schon einmal gelesen und bewundert nur noch, mit welchen Überraschungsmomenten er versucht, sich davon wegzuschreiben.
Kassel: Wie es der Zufall will, weil, ich weiß nicht, ob Sie es mitbekommen haben, Herr Böttiger, gestern gab es in Österreich ein Fußballspiel, wo Deutsche involviert waren, und wie es der Zufall will, haben wir eigentlich deshalb heute im "Feuilleton-Pressegespräch" mit dem Kulturchef der "Kleinen Zeitung" in Graz gesprochen, und da war das schon bekannt, dass Josef Winkler den Büchner-Preis bekommt. Und er hat sich ein bisschen rumgeredet, weil er als Österreicher in Deutschland jetzt natürlich sich nicht unzufrieden zeigen wollte mit dieser Entscheidung. Aber er hat schon zwischen den Zeilen gesagt, er findet das nicht ganz angemessen, dass er diesen Preis bekommt. Wenn ich mir jetzt die Liste angucke, Büchner-Preis, das sind immer sehr bekannte Autoren gewesen. Wir können Tausend Namen nennen, von Max Frisch bis zu Wolfgang Koeppen, wer den alles bekommen hat, letztes Jahr Mosebach. Wie sehen Sie das, ist das die richtige Entscheidung in Darmstadt?
Böttiger: Man kann gegen Josef Winkler tatsächlich wenig sagen. Aber wenn man das so herum formuliert, man kann gegen den Autor eigentlich nichts sagen, ist es schon eine kleine atmosphärische Einschränkung. Ich würde schon Autoren dieser Generation, da gibt es eine Handvoll, wo ich spontan sagen würde, zu denen würde ich jetzt persönlich eher neigen. Aber Josef Winkler, wenn ein Österreicher dran gewesen ist, das muss man ja berücksichtigen, es gibt die Schweiz, es gibt Österreich, diese beiden Länder legen auch großen Wert darauf, dass sie deutschsprachig sind, und bei diesem Preiskarussell dann adäquat berücksichtigt werden, wenn ein Österreicher dran gewesen ist, turnusmäßig, dann liegt Josef Winkler sehr nahe. Man kann gegen diese Entscheidung eigentlich wenig sagen. Literarisch gesehen kann man eigentlich nichts dagegen sagen, weil er ist schon ein sehr opulenter, barocker, suggestiver Autor mit diesen ganzen rhythmischen Strukturierungen der Sprache, die in Österreich eben zu Hause sind. Aber das ist dann Geschmackssache, sind subjektive Kriterien, dass man sagt, nun ja, es hätte noch andere gegeben. Und dass aus Österreich kritische Stimmen kommen, das ist kein Zufall. Auch gegen Elfriede Jelinek wurde natürlich vor allem auch aus Österreich immer gern geschossen.
Kassel: Selbstzerfleischung ist der Standard.
Böttiger: Der bringt schon die Kalamitäten der österreichischen Seele auf den Punkt, und mancher verträgt das besser und mancher schlechter.
Kassel: Zu ändern ist daran aber nichts mehr. Josef Winkler, der österreichische Autor, bekommt den Büchner-Preis 2008, verliehen wird er am 1. November in Darmstadt. Helmut Böttiger, ich danke Ihnen!