Der Fotograf des Montparnasse
Er wurde berühmt als der Fotograf des nächtlichen Paris in den 1930er-Jahren. Gyula Halász "Brassaï" fing wie kein zweiter die Stimmungen der Metropole ein. Vor 30 Jahren ist er gestorben.
Natürlich hat er sich auch selbst in Szene gesetzt: Auf einer leicht verschneiten nächtlichen Straße steht er hinter dem Stativ seines Fotoapparates, ein schwarzer Hut auf dem Kopf, die Hände tief in den Taschen seines langen Mantels - so schaut er durch den Sucher der Kamera. Da hat sich für einen Moment einer Aufnahme der Mann, der die Nacht von Paris zu seinem Thema gemacht hat, selbst zum Gegenstand seiner Kunst erhoben und sich - die Zigarette leger im Mundwinkel - als Pariser Bohemien dargestellt. Er war weit mehr.
"Ich habe hundert Gesichter, und jeder kennt eine andere Maske von mir", schrieb Gyula Halász, der unter dem Namen "Brassaï", angelehnt an den Namen seiner Geburtsstadt, berühmt werden sollte.
Im heutigen Rumänien geboren
Am 9. September 1899 wurde er in Brassó, damals Ungarn, heute Rumänien, geboren. Er studierte in Budapest, wechselte 1920 an die Kunstakademie in Berlin-Charlottenburg, wo er lustlos seinen Abschluss machte. Er begann, als Journalist zu arbeiten, ging Anfang 1924 nach Paris und schrieb als Korrespondent für deutsche und ungarische Zeitungen. Nach und nach bemerkte er, dass er seine Artikel leichter verkaufen konnte, wenn er die Fotos gleich mitlieferte. Sein Landsmann André Kertész führte ihn in die technischen Geheimnisse der Fotografie ein. "Brassaï" entflammte sofort:
"Um meine Vorurteile war es geschehen! Ich war der Fotografie in die Falle geflogen.“
1933 legte er mit dem Bildband "Paris de nuit" ein Porträt des nächtlichen Paris vor: Obdachlose, die sich an Feuern wärmen, Straßenarbeiter, die funkensprühend die Gleise schleifen, Prostituierte unter den Laternen an den Hallen, dem legendären Pariser Großmarkt. Da ist ein zweirädriger Karren, mannshoch beladen, und obenauf schläft der Lumpensammler, da tanzen junge Frauen barbusig auf einem Künstlerball und hinter den Kulissen eilen die Tänzerinnen der Folies Bergère zu ihrem Auftritt.
Das Künstlerviertel Montparnasse ist Brassaïs Welt, die er durch seine nächtlichen Streifzüge kannte wie kein anderer:
"Ich habe ich mich eher zufällig der Fotografie zugewandt, um mich auszudrücken. Vorher hatte ich das Leben eines Nachtschwärmers geführt, war viel nachts spazieren gegangen, und habe dann nach einem Weg gesucht, um die verlorene Zeit, le temps perdu, wiederzufinden. Montparnasse war so etwas wie diese verlorene Zeit. Ich bin zu lange dort gewesen."
Inszenierungen, aber authentisch
Brassaï war nicht der erste, der mit den sehr aufwendigen Nachtaufnahmen experimentierte, aber ihm gelang es, die verborgenen Geschichten der Stadt sehr intensiv zu erzählen. Manchmal setzte er dazu ein hartes Schlaglicht, das seine Protagonisten von der Seite traf, manchmal nutzte er nächtlichen Nebel aus, um eine ganz bestimmte geheimnisvolle Stimmung zu inszenieren.
Im Dialog und in der Auseinandersetzung mit den Surrealisten wie Man Ray formte sich seine Foto-Ästhetik. Heute zählt man diese Künstler zu den Überlebenden des Montparnasse, wie Brassaï sie nennt.
"Ja, man starb daran, das ist so, Männer wie Frauen sind daran gestorben. Die Opfer des Montparnasse waren menschlicher Abfall. Sie tranken, zogen jede Nacht von einem Café zum nächsten. Sie kamen aus dem Teufelskreis nicht heraus. Ich versuchte, mich dem zu entziehen, aber wie süchtig ich war, zeigt, dass ich nicht am Café du Dôme vorbeigehen konnte, ohne einzutreten."
Seine Aufnahmen waren nur dokumentarisch erscheinende Bilder, in Wahrheit waren es Inszenierungen, gelegentlich musste sein Assistent den Bordellbesucher mimen, einige Personen tauchen in verschiedenen Rollen immer wieder auf. Dennoch sind seine Fotos authentisch, weil sie Paris so zeigen, wie Brassaï es gesehen und mit seiner Kunst aufgenommen hat.
Auch als renommierter Fotograf blieb "Brassaï" seinen vielen Talenten treu - er zeichnete, modellierte, schrieb Artikel, Bücher und Gedichte. Wenige Wochen vor seinem Tod am 7. Juli 1984 beendete er sein letztes Werk, ein Buch über den Schriftsteller Marcel Proust und dessen Leidenschaft für die Fotografie.