Bolivien

"Maritime Angelegenheit"

Von Anne Herrberg · 09.10.2014
Vor über 100 Jahren hat Bolivien seine Ozeanküste an Chile verloren. Bis heute ist das ein wunder Punkt: Mit dem Zugang zum Meer ging auch der wichtigste Handelsweg verloren. Die bolivianische Regierung will sich nun wehren - und zwar vor Gericht.
Appell auf der Marinebasis Calamar. Am wolkenlosen Himmel flattert die bolivianische Nationalflagge rot-gelb-grün. Die Matrosen tauschen die weißen Uniformen gegen Neoprenanzüge aus, lassen Gummi-Schnellboote zu Wasser. Mit schwerem Geschütz beginnt so das Training der Kampftaucher. Kommandant Rómulo Diaz blinzelt zufrieden gegen die gleißende Sonne:
"Wir bereiten uns auf mögliche militärische Operationen vor. Wenn wir zurückkehren zum Meer, müssen unsere Leute gut vorbereitet sein."
Denn: Das ist der Haken am bolivianischen Marinetraining. Es findet 3800 Meter über dem Meeresspiegel statt – auf dem Titicacasee. Bolivien ist ein Binnenland, seit es seine Küste an Chile verloren hat, vor 135 Jahren im sogenannten Salpeterkrieg. Trotzdem oder gerade deswegen ist die Marine der ganze Stolz der Nation.
Weg zur wirtschaftlichen Erholung
"Wir haben keinen Meerzugang mehr, aber wir sehnen uns danach. Das Meer wäre eine Lösung für so viele Probleme und außerdem will ich es gerne kennenlernen."
Es sitzt nicht nur wie ein Stachel in der bolivianischen Seele, mit dem Zugang zum Meer ging auch der wichtigste Handelsweg verloren und damit Möglichkeiten für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.
Hochbetrieb am Hafen von Arica in Chile. Aufgrund des Friedensvertrages von 1904 gewährt Chile Bolivien zwar Steuernachlässe. Doch die Anreise ist beschwerlich und bürokratische Hürden an der Grenze kosten Zeit und damit Geld. Dabei machen bolivianische Ex- und Importe mittlerweile 80 Prozent der Hafenaktivitäten aus, sagt der Chilene Marcelo Hozven Donoso vom Terminal in Arica:
"Der bolivianische Handel ist unglaublich wichtig für diesen Hafen, unsere Herausforderung ist es unsere Dienstleistungen immer weiter zu verbessern und an unsere bolivianischen Klienten anzupassen."
Chile stellt sich bislang quer
Bolivien wäre bereit, gemeinsam mit Chile in den Ausbau des Hafens von Arica zu investieren. Denn in den letzten Jahren boomt die Wirtschaft des Andenstaates. Der Hafen von Arica platzt aus allen Nähten. Doch bisher stellt sich Chile quer.
Im Frühjahr hat sich Bolivien an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gewandt, um einen Zugang zum Meer einzuklagen. Carlos Mesa ist Chefbeauftragter der Regierung seines Nachfolgers Evo Morales in der sogenannten "maritimen Angelegenheit":
"Es geht nicht um eine direkte Klage im Sinne von: Hier, dieses Land gehört uns und Chile soll uns das zurückgeben. Es ist auch kein Grenzkonflikt oder ein Territorialstreit. Chile soll von Den Haag verdonnert werden, sich zurück an den Verhandlungstisch zu setzen und mit uns offen über Lösungen zu sprechen."
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