Arbeitgeber fordern mehr modulare Weiterbildung
"Aus unserer Sicht klappt es sehr gut", sagt Irene Seling von der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeber zum Bologna-Prozess, der vor 15 Jahren startete. Allerdings sollten die Bachelorstudiengänge noch praxisorientierter werden.
Christopher Ricke: Dann fragen wir mal nach bei den Arbeitgebern: Irene Seling ist bei der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeber für die Bildungspolitik zuständig. Ich grüße Sie, Frau Dr. Seling!
Irene Seling: Guten Tag, Herr Ricke!
Ricke: Die Arbeitgeber waren ja damals sehr für den Bachelor, auch sehr für die Studienreform, aber anscheinend klappt's nicht. Was ist denn schiefgegangen?
Seling: Aus unserer Sicht klappt es sehr gut. In der Tat, wir haben den Bologna-Prozess von Anfang an sehr unterstützt, seit 2004, mit unserer Bachelor-Welcome-Initiative, weil wir der Überzeugung sind, dass der Bologna-Prozess, die Umstellung auf ein zweistufiges Studiensystem, die richtige Antwort ist auf die Veränderung im Berufsleben.
Es reicht eben nicht mehr, von Anfang an alles zu lernen vor dem Einstieg in den Beruf, sondern das Lernen muss lebensbegleitend gestaltet werden, es muss multioptional, modular und vor allen Dingen auch berufsbegleitend sein statt komplex, lang und am Anfang des Berufslebens und für alle das Gleiche.
Aus unserer Erfahrung kommen die Bachelorabsolventen sehr gut in den Unternehmen an, das zeigen auch zahlreiche Studien. Sie stoßen auf keine gläserne Decke, was den beruflichen Aufstieg im Unternehmen angeht, sie brauchen nicht lange nach Hochschulabschluss, um eine adäquate Stelle im Unternehmen zu finden, sie sind zufrieden mit ihrer Position, sie sind ausbildungsadäquat eingesetzt.
Aber natürlich gibt es Defizite in den Bachelorstudiengängen, und ich glaube, das, was im Beitrag eben von den zwei Studierenden geäußert wurde, das ist auch das, was wir an den Hochschulen hören und was wir von anderen Studierenden wahrnehmen. Es fehlt häufig an Praxisorientierung in den Studiengängen. Bei der Umstellung von Diplom beziehungsweise Magister ist häufig ein Praktikum herausgestrichen worden, und das wirkt sich negativ dann auf den Einstieg in das Berufsleben aus.
Ricke: Da kann man natürlich auf die Hochschulen zeigen – andererseits, die Kritik dieser Studenten an der Uni Leipzig, die wir gerade gehört haben, die richtet sich durchaus auch gegen die Arbeitgeber, die Sie vertreten. Kehren wir doch mal vor der eigenen Tür – warum sind denn manche Arbeitgeber eben nicht bereit zu sagen, Bachelor reicht uns, das ist eine akademische Ausbildung?
Unternehmen haben 70 Prozent Bachelorabsolventen eingestellt
Seling: Wir können diese Position so nicht ganz nachvollziehen. Viele Unternehmen, insbesondere die Großunternehmen, haben nach einer Studie – das sind schon Zahlen von 2010 – 70 Prozent Bachelorabsolventen eingestellt, die großen Unternehmen.
Natürlich braucht so eine Reform auch ein Stück weit Zeit, um sich festzusetzen. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die vielleicht nur alle zwei, drei Jahre einen Akademiker einstellen, bei denen ist vielleicht eine solche Bewerbung noch nicht angekommen, und man weiß noch nicht so recht, auf welcher Position diese Person einzusetzen ist. Da braucht es Zeit dafür, und auch die Hochschulen haben lange Zeit gebraucht, 15 Jahre, um die Reform einigermaßen umzusetzen. Das ist keine kleine Sache.
Ricke: Wenn das viel Zeit braucht, das nützt natürlich den jungen Menschen, die jetzt gerade studieren, wenig. Wie viel Zeit braucht's denn, bis die Unternehmen wirklich verstanden haben, dass es durchaus von Nutzen ist, dass jemand mit einem anderen Titel als dem bekannten Magister- oder Diplomtitel daherkommt?
Mehr Weiterbildung
Seling: Die Unternehmen sind voll in diesem Prozess drin, und wir sehen ja auch an den Zahlen, die Hochschulabsolventen, die von den Hochschulen rauskommen, dass inzwischen die überwiegende Anzahl von denen den Bachelorabschluss hat.
Was wir aber uns wünschen – und das hat man ja auch ein bisschen in dem Beitrag, in den Aussagen der Studierenden gespürt, dass es auch mehr Weiterbildungsmasterprogramme an den Hochschulen gibt. Im Moment ist es so, dass sie viele Programme im Master-Bereich haben, die direkt an den Bachelor anschließen, und viele Hochschullehrende vermitteln und suggerieren ihren Studierenden eben auch, dass der Bachelor für den Arbeitsmarkt nicht ausreicht. Und daher kommt diese hohe Übergangsquote in den Master hinein.
Wenn es mehr Weiterbildungsangebote auf der Masterebene berufsbegleitend in Teilzeit gäbe an den Hochschulen, würden auch durchaus mehr Bachelorabsolventen den Einstieg in den Arbeitsmarkt wagen und wir hätten nicht diese Probleme.
Ricke: Irene Selig von der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände, ich danke Ihnen Frau Seling!
Seling: Gerne, Wiederhören!
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