Bomben der saudi-arabischen Koalition

Angriff auf Jemens Kulturerbe

Trümmer eines eingestürzten Hauses in der Altstadt Sanaas. Menschen suchen darin nach Überlebenden.
Menschen suchen in Trümmern in der Altstadt Sanaas nach Überlebenden. © afp / Mohammed Huwais
Von Cornelia Wegerhoff |
Seit März fliegen im Jemen saudi-arabische Kampfjets mit Hilfe einer Golf-Allianz Angriffe auf die Huthi-Rebellen. Mindestens 5000 Menschen starben bereits während des Konfliktes. Und fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit wurde auch Kulturerbe zerstört.
Und wieder ist eine Bombe eingeschlagen. Auf einem der Höhenzüge rund um Sanaa ist ein Feuerball zu sehen. Die Wucht der Detonation ist so stark, dass selbst Kilometer weit entfernt, in der historischen Altstadt noch die Mauern zittern.
"Es ist ein Horror. Saudi-Arabien greift uns seit acht Monaten an. Die bombardieren egal, wo sie wollen. Die nehmen keine Rücksicht, überhaupt nicht."
Abdulmalek El Maqaleh hat als Reiseführer früher viele Deutsche durch die uralten Gassen von Jemens Hauptstadt begleitet. Die legendären Turmbauten von Sanaa, über 6000 dicht aneinander gedrängte Häuser, bis zu acht Stockwerke hoch, sind Weltkulturerbe.
"Die Altstadt ist historisch, eine der ältesten Städte der Welt. Der Bau, der heute steht, ist über 1000 Jahre alt."
Trotzdem schlugen auch hier Bomben der saudi-arabischen Kampfjets ein.
"Die Altstadt ist zweimal angegriffen worden. Da sind Häuser total zerstört. Und über hundert Häuser sind betroffen."
Dutzende Tote ziehen die Rettungskräfte im Mai und Juni aus den Trümmern der weltberühmten Turmbauten. Die Unesco-Generaldirektorin Irina Bokova verurteilt die Angriffe auf das Weltkulturerbe und erklärt, sie sei zutiefst erschüttert über die Todesopfer und die Zerstörungen in einem der "ältesten Juwelen der islamischen Kultur".
"Ich denke, es sind Kollateralschäden"
Aus Saudi Arabien heißt es im Juni, man habe eine Textilfabrik in der Altstadt unter Beschuss genommen, die von den Huthi-Rebellen als Waffenlager genutzt worden sei. Später dementiert ein General. Die arabische Koalition habe "ganz sicher keinerlei Operationen in der Stadt selbst unternommen". Aber es sei bekannt, dass schon Tage zuvor ein Waffenlager der Huthis in der Altstadt explodiert sei. Abdulmalek El Maqaleh ärgern diese Aussagen:
"Ich sage dazu, dass sie immer 'Huthi, Huthi' sagen. Das stimmt nicht. Sie haben ungefährt 40 alte Kulturstätten bombardiert. Nicht nur Sanaa. Der alte Damm von Ma'rib ist zerstört worden, der Mon-Tempel, Baraqish... Die Zitadelle in Taiz ist auch zerstört worden."
Die Luftangriffe der saudi-arabischen Kampfjets gefährden Jemens Kulturerbe. Das bestätigt auch Dr. Iris Gerlach. Sie leitet die Außenstelle des Deutschen Archäologischen Institutes in Sanaa, musste aber aus Sicherheitsgründen schon Ende 2013 das Land verlassen. Dass die saudi-arabische Koalition gezielt Kulturstätten im Jemen unter Beschuss nimmt, bezweifelt sie zwar.
"Ich denke, es sind Kollateralschäden. Es ist eine gewisse Unwissenheit, obwohl wir Archäologen gemeinsam mit der Unesco eine Liste aufgestellt haben, von allen Museen, von allen antiken Plätzen im Jemen und die ist weitergereicht wurden an die saudi-arabischen Koalition, natürlich mit der dringenden Bitte, dort keine Luftangriffe zu fliegen. Andererseits ist es wohl so, dass diese Orte möglicherwiese auch als Verstecke von der sogenannten Huthi-Opposition genutzt werden. Und dann wurde uns gesagt, dass da auch keine Rücksicht auf Antiken genommen wird."
"Das ist für immer verloren"
Auch die Grabungsstätten der deutschen Archäologen sind betroffen.
"Ma'rib, 150 Kilometer östlich der Hauptstadt, war im frühen ersten Jahrtausend bis in die ersten nachchristlichen Jahrhunderte Zentrum Südarabiens. Von hier hat sich eine großartige Hochkultur entwickelt, mit ganz wunderbarer Architektur. Einer dieser kleinen Stadtanlagen mit mindestens drei, vier Tempeln haben wir seit den 90er-Jahren ausgegraben. Und diese große Tempelanlage ist durch Kampfhandlungen zerstört worden. Das ist für immer verloren. Das ist, was einen traurig und hilflos stimmt."
"Arabia Felix", glückliches Arabien, so wurde die Region im Süden Arabiens in der Antike genannt. Durch den Handel mit Weihrauch erlangten die Bewohner damals sagenhaften Reichtum. Legendär ist die Geschichte der Königin von Saba, die mit Schätzen beladen König Salomon besuchte. Ob die Königin wirklich gelebt habt, ist bis heute unklar. Doch die Fundstücke aus damaliger Zeit überliefern die Pracht, so Gerlach.
Umso dramatischer, dass auch in Dhamar, im Hochland des Jemen, ein gerade neu errichtetes Museum von saudischen Kampfjets in Schutt und Asche gelegt wurde.
"12.500 Objekte beherbergte dieses Museum. Und das ist wirklich dem Erdboden gleich gemacht worden. Hier passieren grauenhafte Dinge, humanitär absolut genauso wie Zerstörung des Kulturgutes."
Zwischen den Fronten
"Ich brauche dringend schnelle Hilfe!"
Fordert auch Dr. Nagi Thowabah. Er ist der Vorsitzende der Generalorganisation für den Erhalt der historischen Stätten im Jemen. Die Telefonleitung zu ihm ist schlecht. Und im umkämpften Sanaa sitzt er gefährlich zwischen den Fronten.
"Ich möchte nicht über politische Dinge sprechen. Aber es gibt einfach zu viele Fehltreffer. Gerade bei den Kulturstätten. Ich habe auch selbst mit den Saudis gesprochen. Aber es passiert trotzdem wieder. Wir müssen verhindern, dass weiter Kulturerbe zerstört wird, denn es gehört doch der ganzen Welt."
Für die Restaurierung der beschädigten Turmhäuser in der historischen Altstadt bittet Thowabah die internationale Gemeinschaft um technische und finanzielle Unterstützung:
"Die alten Häuser in Sanaa sind sehr schwach. Selbst wenn es nur regnet, werden die betroffenen Häuser weiter Schaden nehmen. Bisher haben wir vielleicht sechs komplette Häuser verloren, aber morgen könnten es schon Hundert sein."
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