Information zur Ausstellung "Geliebt. Gebraucht. Gehasst. Die Deutschen und ihre Autos" vom Haus der Geschichte in Bonn
Deutschland ist Autoland − zum Glück?
Das Ende der deutschen Lust am Auto ist oft verkündet worden. Doch die Bonner Ausstellung "Geliebt - gebraucht - gehasst" erzählt vor allem von Wohlstand, Faszination und Kult. Ein Star der Schau ist Till Schweigers buntes Fahrzeug aus dem Film "Manta, Manta".
Musik: "Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt…"
Der Schlager aus den 50-ern wurde zum Evergreen. Mit VW Käfer, den Sprösslingen auf dem Rücksitz und dem Kofferradio ging es damals auf den Teutonengrill nach Rimini zum Strandurlaub. Das war Freiheit. Die Deutschen fuhren mit dem Campingbus an die Adria und die Hippies mit Schafsfelljacke nach Holland zum Kiffen. Der kriegserprobte, luftgekühlte Boxermotor war sein Geld wert. Er lief und lief. Für Spießer, Spontis und Spinner gleichermaßen. Im Bonner Haus der Geschichte wird das Hohelied auf Wohlstand, Faszination und Lebensglück durch Automobile mit Verbrennungsmotor gesungen. Ausstellungsdirektor Thorsten Smidt:
"Kein Alltagsgegenstand in Deutschland ist so mit Emotionen aufgeladen wie das Auto. Ich glaube, jeder erinnert sich daran, wie es war mit dem ersten Auto, mit dem man gefahren ist. Und dich glaube, man erinnert sich weniger daran, wohin man gefahren ist, als vielmehr daran, was man erlebt hat in diesen ersten Fahrten und in seinem ersten Auto."
Stinkende Zweitakter
Hinein geht es in die Ausstellung durch eine Auto-Waschanlage mit schwarz-rot-goldenen Drehbürsten. Monitore und Statistiken mit viel Animation sagen uns, dass 69 Prozent der Deutschen "ihr Auto lieben". Auch der Trabi zählt dazu. Egal, wie lange man in der Mangelwirtschaft drauf wartete. Das individuelle Automobil war ja nicht gewünscht in der DDR. Der Auto-Corso durchs geöffnete Brandenburger Tor mit dem stinkenden Zweitakter zählt zu den Sternstunden deutscher Wiedervereinigungsgeschichte.
Musik: "Mit dem Trabi auf der Straße"
Wie ein Geschichtsmuseum an Mythen mit baut, lässt sich in Bonn prima studieren. Der bunt lackierte und getunte Opel Manta, den Till Schweiger als Bertie im Kinohit von 1991 fuhr, steht zentral in der Ausstellung. Verschämt wird ein kleiner Zeitungsartikel gezeigt, dass ein Auto auch eine Waffe oder Zielobjekt sein kann. Im Deutschen Herbst 1977 wurde Generalbundesanwalt Buback in seinem Auto von der RAF erschossen. Weiter geht es zum Geruchslabor. Nase rein! Was ist das, Öl, Ruß, Abgas, Gummi oder ein Wunderbaum?
Zu hören gibt es auch was. Motorengeräusche sollen erraten werden. Ist das hier 'ne Mitmach-Show oder wird man konditioniert? Und ist das die Autokarawane eines Hochzeitspaares? Nein! Es ist das Hupkonzert als Ausdruck der Freude nach dem EM-Fußballspiel Deutschland gegen Italien 2016.
Thorsten Smidt: "Die Ausstellung zeigt, wie das Auto deutsche Kulturgeschichte geprägt hat. Deutschland ist Auto-Land. Und es ist eben viel mehr als ein Fortbewegungsmittel. Das zeigt sich im Niederschlag, den das Auto in Film, in Literatur, in der Kunst etwa gefunden hat."
Schattenseiten werden ausgeblendet
Von den Bausünden der "autogerechten Stadt" in den 70-ern, dem "rollenden Uterus", wie Peter Sloterdijk ihn mal nannte, keine Spur. Und war es nicht der Theoretiker Paul Virilio, der den Zusammenhang von Mobilität, Projektil und Deportation herausarbeitete, der über mobilisierte Körper klug nachdachte?
Der Horizont der Ausstellungsmacher reicht bis zum Mercedes Pullmann 600 als Staatskarosse und dem Melkus RS 1000, dem einzigen Sportwagen der DDR auf Basis des Wartburg 353. Beide sind ausgestellt. Um E-Mobility und die Zukunft Auto geht es auch. So gleitet man durch die Schau.
Ist das hier ein Auto-Salon oder eine PR-Veranstaltung der Automobilindustrie? Gesellschaftliche Widersprüche der Wachstumsgläubigkeit interessieren hier nicht. "Noch mehr Sprit sparen durch noch mehr verbrauchsarme Autos kaufen." Die Paradoxien sind die Orthodoxien der Moderne. Da bleibt nur: hupen.