Bonnie Garmus: „Eine Frage der Chemie"

Kochen mit Anspruch

33:22 Minuten
Buchcover: „Eine Frage der Chemie" von Bonnie Garmus
© Piper

Bonnie Garmus

Übersetzt aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann

Eine Frage der ChemiePiper, München 2022

462 Seiten

22,00 Euro

Von Ursula März · 22.04.2022
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Elizabeth Zott liebt Laborkittel genauso wie Kochschürzen. In beiden lebt sie ihre Liebe zur Chemie. Als die Karriere als Forscherin endet, geht sie kurzerhand zum Fernsehen und erklärt Kochrezepte aus wissenschaftlicher Sicht.
Das Wort „Hausfrau“ hat einen schlechten Ruf, das sogenannte Hausfrauenleben nicht minder. Es gilt als verkümmerte Daseinsform im Hamsterrad reproduktiver Tätigkeiten: Kochen, spülen, waschen, putzen, Blumen in Vasen drapieren und Kinder erziehen. Die emanzipatorische Gegenfigur zur Hausfrau ist die Karrierefrau.
Sie steht nicht in der Küche, sondern im Berufsleben. Sie dient nicht der Familie, sie bewegt die Welt. Und wenn sie besonders erfolgreich ist, führt sie ein Unternehmen oder macht eine wissenschaftliche Erfindung. Ihre Zeit ist zu kostbar, um sie mit der Herstellung einer Lasagne zu verplempern.

Leidenschaftliche Forscherin und Köchin

Diese schlichte Dichotomie wirbelt die amerikanische Schriftstellerin Bonnie Garmus mit ihrem Roman „Eine Frage der Chemie“ auf schwungvolle und unterhaltsame Weise durcheinander. Sie hat eine Protagonistin erschaffen, wie man sie aus der Literatur kaum kennt. Sie heißt Elizabeth Zott und ist ein exzentrisches Exemplar der weiblichen Gattung: Eine brillante Forscherin, deren Überfliegerintelligenz die Männer das Fürchten lehrt. Und eine ebenso begnadete und leidenschaftliche Köchin.
Elizabeth Zott macht zwischen der wissenschaftlichen Arbeit im Labor und der Zubereitung einer Lasagne keinen Unterschied. Beides hat ihrer Ansicht nach mit dem Fachgebiet zu tun, für das sie eine geniale Begabung besitzt: Chemie.

Zweite Karriere als Fernsehstar

Der Roman spielt in den frühen 60er-Jahren, in der Epoche vor der feministischen Revolte. Einer Zeit also, in der Wissenschaftlerinnen auf erheblich höhere Widerstände stießen als heute. Elizabeth Zott ist ihrer Zeit allerdings weit voraus. Der Reiz dieser Figur liegt in der kratzbürstigen Souveränität, mit der sie gesellschaftliche und geschlechtliche Normen ignoriert.
Nach dem Tod ihres geliebten Mannes, einem ebenfalls genialen Chemiker, schlägt sie sich als alleinerziehende Mutter durch. Und nachdem sie, dank der Intrigen männlicher Kollegen, ihre Stelle als Forscherin verloren hat, wechselt sie das Metier: Sie geht ins Fernsehen. Sie wird zum Star der beliebtesten Kochshow Amerikas mit dem Namen „Essen um sechs“, wenn auch ein für die Programmdirektoren des Fernsehsenders gewöhnungsbedürftiger Star.

Braten als Wissenschaft

Sie steht nicht mit einer Schürze, sondern mit einem Laborkittel im Studio. Sie gießt nicht einfach Öl in die Pfanne, um ein Steak zu braten, sondern erläutert detailliert die chemischen Vorgänge, die dabei wirksam werden. Sie moderiert ihre unkonventionellen Kochlektionen mit dem wissenschaftlichen Ernst und dem hohen Anspruch akademischer Vorträge. Ihr Publikum aber, jene Hausfrauen, die um die gesellschaftliche Geringschätzung ihrer Arbeit wissen, ist entgegen aller Befürchtungen begeistert von der Fernsehamateurin auf dem Bildschirm.
„Eine Frage der Chemie“ ist ein hellsichtiger Gesellschaftsroman, dem das Kunststück gelingt, seinen Stoff ins Komödiantische zu wenden, ohne sich im Albernen zu verlieren. Man betrachtet nach der Lektüre nicht nur die Erwärmung von Bratöl in der Pfanne mit anderen Augen, sondern auch die Kulturgeschichte hausfraulicher Tätigkeiten.

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