Bonzen im Bayernwald
Albert Ostermaiers neues Stück "Fratzen" zeigt die Beerdigung eines Politikers in der bayerischen Provinz. Der früher am Expressionismus orientierte Autor möchte der Politik einen Spiegel vorhalten; der Text und auch die Uraufführung am Nationaltheater Mannheim sind aber nicht sehr aufregend.
Muss man Politiker auf dem Theater decouvrieren? Tun sie das nicht selbst schon, jeden Abend, im Fernsehen? Die Aufklärungsmöglichkeiten des Theaters sind in den letzten 30 Jahren radikal gesunken: In der Mediengesellschaft glaubt man sowieso fast nichts mehr. Insofern ist es ziemlich naiv, ein Theaterstück über CSU-Leute zu schreiben, die alle ein paar Leichen im Keller haben und den Kampf aller gegen alle kämpfen. Sie treffen sich auf der Beerdigung des längst abgesägten Parteifreunds René, der unglücklicherweise ein paar Video-Kassetten mit intimen Geständnissen hinterlassen hat, auch über das Gebaren der Partei. René war zunächst Idealist, dann aber korrupt; er hatte Affären, er war krank, vor allem aber war er schwul; und sein Autounfall war, wir ahnten es, Selbstmord.
Diese offenbar von der Vita des Jörg Haider inspirierte Flachsinns-Tragödie wird nun von Albert Ostermaier in der Form des bauerntheatralischen Volksstücks dargeboten. Das heißt: Provinzielle Enge und Gemeinheit (wie bei Horváth oder Kroetz) kann Ostermaier schon rein sprachlich nicht bewältigen, dazu ist er viel zu redselig und von sich selbst besoffen. Auch das Anarchische des frühen Achternbusch geht ihm ab. Allerdings hat Ostermaier eifrig all das aufgesammelt, was am Wegesrand der Tagesaktualität so herumlag, von der Stammzellforschung bis zur deutschen Wiedervereinigung; auch der literarische Zitatenschatz vom Kirschgarten bis zum Judaskuss wird gern herbeiassoziiert. Der tote René, der früher Rainer hieß, hält endlose Monologe und breitet schon mal sein Video-Material aus; und auf der Beerdigungsgesellschaft wird zunächst eine minirocktragende Hartz-IV-Empfängerin aus Ostdeutschland vergewaltigt, vom Generalsekretär der Partei höchstselbst, dann setzen alle Masken auf und legen eine Beichte über ihr verpfuschtes Leben ab.
Regisseur Burkhard Kosminski und die Schauspieler mühen sich redlich, in diese strukturlos wabernden und kippenden Szenen einen Erzählgestus zu bekommen. Allein: Auch sie werden von immer neuen Einfällen des Autors ausgebremst. Der Pfarrer ist Inder, Renés alte Mutter alleinerziehende Kriegerwitwe, damit auch der Nachkrieg dabei ist. Renés missratener Halbbruder ist noch die sympathischste Figur, ein grantelnder Alkoholiker. Die Parteibonzen sind Parteibonzen, man will über sie nichts wissen. Heidnische, felltragende Gestalten treten auf und treiben den Winter aus, das sind die Fratzen, waldschratartige Wiedergänger der Parteistrategen, wir ahnten das schon. Florian Ettis Bühne ist einerseits enge bayerische Bauernstube mit Zithermusik, Kruzifix und Maßkrug, andererseits eine weite schöne leere Fläche mit Waldboden, der mit dicken Brettern abgehängt ist.
So haben alle ein Brett vorm Kopf, leider auch der Autor. Zwar hat er die expressionistischen Blähungen seiner früheren Stücke hier dezimiert, allerdings ersetzt er das durch oberschülerhafte Geschwätzigkeit. Albert Ostermaier ist sicher ein netter Mensch und mit manchen Zeitungsleuten gut bekannt, darauf beruht ja sein Erfolg; diese Netzwerke sind allerdings nur eine Kopie jener Seilschaften, die Ostermaier in der Politik heftig kritisiert. Sein Stück ist eine fade, langatmige Familienaufstellung: Dem toten René wird am Ende seine (inzwischen erschlagene) schwule Jugendliebe in den Sarg gelegt. So kitschig kann Theater sein.
"Fratzen" von Albert Ostermaier
Regie: Burkhard Kosminski
Nationaltheater Mannheim
Diese offenbar von der Vita des Jörg Haider inspirierte Flachsinns-Tragödie wird nun von Albert Ostermaier in der Form des bauerntheatralischen Volksstücks dargeboten. Das heißt: Provinzielle Enge und Gemeinheit (wie bei Horváth oder Kroetz) kann Ostermaier schon rein sprachlich nicht bewältigen, dazu ist er viel zu redselig und von sich selbst besoffen. Auch das Anarchische des frühen Achternbusch geht ihm ab. Allerdings hat Ostermaier eifrig all das aufgesammelt, was am Wegesrand der Tagesaktualität so herumlag, von der Stammzellforschung bis zur deutschen Wiedervereinigung; auch der literarische Zitatenschatz vom Kirschgarten bis zum Judaskuss wird gern herbeiassoziiert. Der tote René, der früher Rainer hieß, hält endlose Monologe und breitet schon mal sein Video-Material aus; und auf der Beerdigungsgesellschaft wird zunächst eine minirocktragende Hartz-IV-Empfängerin aus Ostdeutschland vergewaltigt, vom Generalsekretär der Partei höchstselbst, dann setzen alle Masken auf und legen eine Beichte über ihr verpfuschtes Leben ab.
Regisseur Burkhard Kosminski und die Schauspieler mühen sich redlich, in diese strukturlos wabernden und kippenden Szenen einen Erzählgestus zu bekommen. Allein: Auch sie werden von immer neuen Einfällen des Autors ausgebremst. Der Pfarrer ist Inder, Renés alte Mutter alleinerziehende Kriegerwitwe, damit auch der Nachkrieg dabei ist. Renés missratener Halbbruder ist noch die sympathischste Figur, ein grantelnder Alkoholiker. Die Parteibonzen sind Parteibonzen, man will über sie nichts wissen. Heidnische, felltragende Gestalten treten auf und treiben den Winter aus, das sind die Fratzen, waldschratartige Wiedergänger der Parteistrategen, wir ahnten das schon. Florian Ettis Bühne ist einerseits enge bayerische Bauernstube mit Zithermusik, Kruzifix und Maßkrug, andererseits eine weite schöne leere Fläche mit Waldboden, der mit dicken Brettern abgehängt ist.
So haben alle ein Brett vorm Kopf, leider auch der Autor. Zwar hat er die expressionistischen Blähungen seiner früheren Stücke hier dezimiert, allerdings ersetzt er das durch oberschülerhafte Geschwätzigkeit. Albert Ostermaier ist sicher ein netter Mensch und mit manchen Zeitungsleuten gut bekannt, darauf beruht ja sein Erfolg; diese Netzwerke sind allerdings nur eine Kopie jener Seilschaften, die Ostermaier in der Politik heftig kritisiert. Sein Stück ist eine fade, langatmige Familienaufstellung: Dem toten René wird am Ende seine (inzwischen erschlagene) schwule Jugendliebe in den Sarg gelegt. So kitschig kann Theater sein.
"Fratzen" von Albert Ostermaier
Regie: Burkhard Kosminski
Nationaltheater Mannheim