Boofen in der Sächsischen Schweiz

Draußen schlafen verboten

Das Bild zeigt eine sogenannte Boofe, einen regengeschützten Platz unter einem Felsvorsprung in der Sächsischen Schweiz, wo Kletterer ohne Zelt übernachten dürfen.
In einer Boofe, einem geschützten Platz unter einem Felsen, dürfen Kletterer in der Sächsischen Schweiz übernachten. Doch nicht mehr immer. © Deutschlandradio / Alexander Moritz
Von Alexander Moritz |
Zum Klettern in der Sächsischen Schweiz gehört auch das Boofen – also das Übernachten ohne Zelt unter einem Felsvorsprung. In diesem Jahr wurde es erstmals zeitweise verboten, um bedrohte Vogelarten besser zu schützen. Wie sinnvoll ist das?
Klettern und besonders das Freiklettern hat in der Sächsischen Schweiz eine lange Tradition. Dazu gehört auch das Boofen: Übernachten unter Felsüberhängen, ohne Zelt. Nur Isomatten und Schlafsäcke sind erlaubt – komfortabel ist das eher nicht.
Die Plätze unter den schrägen Felsen heißen Boofen. Rund 60 gibt es im Nationalpark Sächsische Schweiz. Nur hier darf man im streng geschützten Nationalpark ausnahmsweise übernachten. Wo genau die regengeschützten Schlafplätze liegen, wurde früher von Mund zu Mund weitergegeben. Heute sind die Boofen mit ein paar Klicks im Internet zu finden. Das zieht auch viele an, die nicht zum Klettern hier sind.

Deutliche Zunahme illegaler Übernachtungen

Ulf Zimmermann, Leiter des Nationalparks sagt: "Sie brauchen sich nur in Schmilka oben, Ortsausgang, hinsetzen an einem Freitagnachmittag und schauen, wer da alles in den Wald reinstiefelt. Die fahren mit dem Rolli mit dem Bierkasten, mit dem großen Gepäck für die Ballermann-Party raus in den Nationalpark." Da wisse man, dass das nichts mit Bergsport oder auch Naturerlebnis zu tun habe. "Da geht es rein um Kulisse. Und dafür ist der Nationalpark nicht da."
Laut Nationalparkverwaltung habe die Zahl der illegalen Übernachtungen deutlich zugenommen. Außerdem verursachen illegale Feuer immer wieder Waldbrände. Der Mensch: ein Störfaktor für die Natur. Dabei brüten im Nationalpark Schwarzstörche und Uhus. Besonders wichtig sind die Felswände der Sächsischen Schweiz für den stark bedrohten Wanderfalken.

Surrende Fotodrohnen im Nationalpark

Ulf Zimmermann spricht von bis 20 Wanderfalkenpaaren.*) In diesem Jahr hätten 13 angefangen zu brüten, davon hätten zwei bereits ihre Brut abgebrochen. "Das ist typisch für die Entwicklung in den letzten Jahren."
Touristinnen und Touristen auf der Basteibrücke im Elbsandsteingebirge im Nationalpark Sächsische Schweiz
Für viele sind die Touristinnen und Touristen, die sich im Nationalpark Sächsische Schweiz drängeln, inzwischen zu zahlreich. Es geht um den Schutz bedrohter Tierarten.© picture alliance/ dpa / dpa-Zentralbild / Stephan Schulz
Zimmermann erzählt von Touristen, die im streng geschützten Nationalpark surrende Fotodrohnen aufsteigen lassen. Oder von Kletterern, die trotz Verbots in der Nähe von Falkennestern in der Felswand aufsteigen.
Das mache man zwei, drei Mal, dann verlasse der Falke die Brut. „Und dann sterben die Jungen entweder vorher schon, weil die Eier nicht mehr die nötige Wärme haben, weil zu oft die Eltern runter sind. Oder wenn die dann eben jung sind, dass sie dann nicht mehr rechtzeitig zurückkehren und nicht mehr die Nahrung kriegen, die sie eigentlich brauchen.“

Kann das Verbot durchgesetzt werden?

Seit diesem Jahr gilt deswegen: Während der Brutzeit ist das Boofen komplett verboten, jeweils bis Mitte Juni. Zusätzliche Nationalparkwächter sollen die Übernachtungsplätze stärker kontrollieren.
Ein junger Mann um die 30 hinterfragt die Durchsetzbarkeit der Regelung. Er und seine beiden Begleiter sagen, sie wollten boofen, aber nicht klettern. Somit wäre das Boofen für sie offiziell tabu. Doch den Mann schreckt das nicht: "Ich kann ja auch einfach sagen: Ich klettere jetzt hier los, ich brauch kein Seil." Er stellt die Frage, wo die Grenze sei, der rechtliche Rahmen. "Deswegen glaube ich nicht, dass das an dem Punkt durchgesetzt werden kann", so sein Fazit.

Touristen besser verteilen

Vom Kurort Bad Schandau aus beginnen viele ihren Aufstieg. Aus Dresden ist man mit der S-Bahn in weniger als einer Stunde hier, die historische Kirnitzschtalbahn fährt direkt in den Nationalpark hinein. Auch hier finden einige, der Nationalpark sei inzwischen zu voll.

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So meint eine Frau, die an der Bahnstrecke wohnt, es sei „zu viel Trubel in der Sächsischen Schweiz“. Gerade am Wochenende seien sehr viele Leute mit der Bahn unterwegs.
Mehr Touristen brauche es nicht, sagt auch der Nationalparkleiter. Seine Behörde arbeitet gerade an einem neuen Besucherkonzept. Der Bürgermeister von Bad Schandau will die Touristen besser in der Region verteilen. Mit Angeboten wie dem Forststeig, einer 100 Kilometer langen Wandertour, die vor vier Jahren auf der anderen Elbseite ausgeschildert wurde, außerhalb des Nationalparks.

Erfolg des Verbots soll geprüft werden

Die Naturschutzverbände fordern dagegen strengere Regeln. Boofen sollte mindestens bis Juli verboten bleiben, argumentiert der Vorsitzende des Bund Naturschutz Sachsen, Vorsitzender Felix Ekardt: Das Verbot sei ein Schritt nach vorne, aber der sei nicht ausreichend. Denn es sei nicht die gesamte Brutzeit abgedeckt. „Und die Sächsische Schweiz ist eben in erster Linie keine Freizeitarena, sondern ein Nationalpark. Und da hat der Naturschutz im Zweifel auch Vorrang.“
Das Boofverbot gilt zunächst für drei Jahre. Dann soll der Erfolg bewertet werden. Auch Kletterer Johannes Höntsch wird dabei sein. Beim Sächsischen Bergsteigerbund leitet er die neu gegründete Arbeitsgruppe Boofen. "Aus der Sicht der Kletterer ist es nur als Zwischenlösung tragbar", betont er. Es sei immer eine Frage der Abwägung. „Wenn man nur verbietet, wird man keine Leute gewinnen, die auch in Zukunft die Natur schützen wollen."
Bisher sei der Austausch gut. Auch Nationalparkleiter Zimmermann weiß, dass das Boofen nicht das alleinige Problem ist. Doch der Bestand geschützter Tiere pendle sich auf einem niedrigen Niveau ein. Und wenn es dann noch zusätzlich Störungen gebe, die nicht natürlichen Ursprungs sind, gefährde das den Gesamtbestand dieser Tiere mittelfristig, warnt er. Selbst, wenn sich alle an die Regeln hielten. "Das ist dann die schiere Menge, die den Lebensraum an seine Grenzen bringt."
Der Kompromiss zwischen Naturschutz und Naturnutzung – in der Sächsischen Schweiz muss er neu gefunden werden.

*) Hier wurde zunächst eine falsche Angabe gemacht. Wir haben die Zahlenangabe im Text korrigiert und das Audio offline genommen.
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