"Die Kommunen wurden viel zu lange allein gelassen"
Neue Wohnungen, Kitas, Schulen: Die Ausgaben für Flüchtlinge sind hoch, sagt Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne). Die Kommunen bräuchten deshalb mehr Geld vom Bund. Er warnt: Einsparungen würden der AfD noch mehr Auftrieb verschaffen.
Es werde jetzt über viele Jahre hohe Sozialkosten geben, denn viele Flüchtlinge seien auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht vermittelbar, sagt Palmer. So müsse der Bund die Kosten für die Unterbringung komplett übernehmen: "Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und keine, die aus den kommunalen Kassen geleistet werden kann."
Auch an den Kosten für neue Kitas, Schulen und mehr Personal müssten sich Bund und Länder beteiligen, so Palmer: "Sonst führt das zu ganz harten Diskussionen über Einsparungen wegen Flüchtlingen in Städten und Gemeinden." Dies wiederum würde der AfD "ungeheuer Auftrieb" geben. Die jüngst von Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) geäußerte Kritik an der Flüchtlingspolitik der Union kommt nach Auffassung Palmers zu spät. Allerdings sei es im Kern richtig, "dass die Kommunen viel zu lange allein gelassen wurden mit der Aufgabe und der Bund seine nur unzureichend erfüllt."
Sorgen wegen der Flüchtlinge ernst nehmen
Verständnis zeigt der Grünen-Politiker für Kritik und Ängste gegenüber Flüchtlingen:
"Die Bevölkerung ist da gespalten - und ich finde, dass verantwortliche Politik das berücksichtigen muss. Man muss einerseits die Helfer motivieren und andererseits muss man die ernst nehmen, die sagen: 'So viele Flüchtlinge will ich nicht im Land' (…). Das ist erst mal nicht rechts oder böse oder schlecht, sondern legitime Meinungsäußerung, mit der man sich in der Politik auseinandersetzen muss."
Tübingen selbst ist nach Auffassung Palmers eine der "flüchtlingsfreundlichsten" Städte in Deutschland. Das Engagement der Helfer sei ungebrochen. Lob äußerte der Politiker für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Sie habe dazu beigetragen, "dass jetzt im Monat so viele Flüchtlinge kommen wie letzten Herbst pro Tag. Und diese geringe Zahl - die kann Deutschland selbstverständlich jetzt nach und nach bewältigen."