Boris Reitschuster: Putins verdeckter Krieg - Wie Moskau den Westen destabilisiert
Ullstein Verlag, 19,90 Euro.
Trolle statt Leserbriefe
Der Journalist Boris Reitschuster betont die sowjetische Tradition der Machtpolitik des russischen Präsidenten. Sein Buch "Putins verdeckter Krieg" beschreibt die alten Strategien im neuen Gewand. Dazu gehören auch Trolle im Netz, die Meinungsmache betreiben.
"Das Erstaunliche ist, dass Wladimir Putin überhaupt nichts Neues macht", sagt der Buchautor Boris Reitschuster im Deutschlandradio Kultur. Wenn man in die Geschichte blicke, stelle man fest, dass seine Methoden der Propaganda, der Unterstützung oppositioneller Parteien und Organisationen im Ausland mit denen der Sowjetunion und der DDR identisch seien. Der russische Präsident modernisiere sie mit Hilfe des Internets und lasse sie dank neuer Technologien wieder aufleben. "Das fängt an mit den Trollen, das waren früher die Leserbriefe", sagt Reitschuster. Es handle sich auch um enge Verbindungen wie zur "sogenannten Linken", so Reitschuster, zur AfD oder zur NPD, aber auch um alte Stasi-Netzwerke.
Unterschied zu den USA
Von den USA sei weniger bekannt, dass sie derartige Dinge täten, sagte Reitschuster. Das geschähe "ansatzweise, aber nicht in so einem großen Umfang." Es sei ihm nicht bekannt, dass die Amerikaner wie im Fall "Lisa" und eine angebliche Vergewaltigung so viel Stimmung machten in Deutschland. "Da sehe ich doch noch einen Unterschied", sagte der Russlandkenner.
Das Interview im Wortlaut:
!Nana Brink:!! Eines hat Wladimir Putin ja in den letzten zwei Jahren geschafft: Sein Russland ist wieder ein Player in der internationalen Politik. Das war es ja eigentlich immer, aber nach einer Schwächephase kommt man jetzt ja an Russland nicht mehr vorbei, seit dem spektakulären Akt der Krim-Besetzung und der Einmischung in den syrischen Bürgerkrieg. Und auch im Inneren gibt Putin ja gerne den starken Mann, das konnte man gestern wieder sehen bei einer Bürgerstunde, wo er sich so etwas wie den Anschein eines demokratischen Regierungschefs gibt und die Fragen seiner Bürger beantwortet. Unterm Strich soll Russland wieder ein Weltreich werden, eine Supermacht wie zur Zeit des Kalten Krieges, das ist Putins eigentliches Ziel. Das sagt zumindest Boris Reitschuster, er leitete von 1999 bis 2015 das Moskauer "Focus"-Büro und er nutzt jede Gelegenheit, Europa zu spalten, Putin, das ist auch seine These, die ich jetzt mit ihm besprechen möchte. Schönen guten Morgen, Herr Reitschuster!
Boris Reitschuster: Guten Morgen!
Brink: "Putins verdeckter Krieg", das ist der Titel Ihres Buches. Das klingt ja, sage ich mal, ganz schön reißerisch! Was ist denn das für ein Krieg und mit welchen Waffen findet er statt?
Reitschuster: Das Erstaunliche ist, dass Wladimir Putin eigentlich überhaupt nichts Neues macht. Wenn man in die Geschichte blickt, dann stellt man fest, dass all das, was er heute anwendet von der Propaganda über die Unterstützung von Parteien, über die Unterstützung von Organisationen, die im Ausland gegen das System sind, handelt es sich da gänzlich um Methoden, die schon die Sowjetunion und die DDR angewendet haben, die historisch belegt sind und die er jetzt lediglich in neuem Gewand, etwas modernisiert und vor allem auch mit Nutzung des Internets und mit neuer Technologien wiederaufleben lässt.
Brink: Was sind das für Methoden, können Sie das ein bisschen präzisieren?
Reitschuster: Das sind ganz viele, das fängt an bei den Trollen, das waren früher die Leserbriefe, das geht weiter damit, dass man enge Verbindungen hat zu Parteien, die gegen das System sind, hierzulande von der sogenannten Linken bis zu der AfD, bis zur NPD. Es geht damit weiter, dass es enge Verbindungen gibt zwischen einem Netzwerk von rechten Medien, von "Compact" über gefälschte Anonymus-Internetseiten bis hin zu Verbindungen zu alten Stasi-Netzwerken. Es geht weiter damit, dass man eine Lobby aufgebaut hat, in der Politik versucht, auf Leute Einfluss zu nehmen, in den Medien versucht, auf Leute Einfluss zu nehmen, und es geht bis dahin, dass man hier eine kleine Gruppe von Leuten hält, die in Moskau ausgebildet wurden im Einsatz mit der Waffe, mit Sprengstoff, mit Diversion. Und auch das gab es schon zu DDR-Zeiten.
Mosaiksteinchen zusammenlegen
Brink: Das klingt schon nach Verschwörungstheorien. Wo beziehen Sie Ihre Informationen her? Wer sind Ihre Quellen?
Reitschuster: Schauen Sie, da wundere ich mich immer, dass man in Deutschland schnell bei der Hand ist zu sagen Verschwörungstheorie. Wir müssen nur in die Geschichte schauen!
Brink: Na gut, die Amerikaner machen das ja auch, es ist ja nicht unbedingt nur ein russisches Phänomen!
Reitschuster: Na ja, also, die Amerikaner, da würde ich sagen, da ist es nicht so bekannt, dass die derartige Dinge machen. Vielleicht ansatzweise, aber nicht in so einem großen Umfang. Nehmen Sie den Fall Lisa, dass die Amerikaner mit gefälschten Geschichten über Vergewaltigungen groß Stimmung machen, das wäre mir jetzt nicht bekannt in Deutschland. Also, da sehe ich doch noch einen Unterschied. Ansonsten ist es so, wir haben in den Medien, in den Nachrichten fast jeden Tag wöchentlich kleine Berichte mit irgendwelchen Mosaiksteinchen. Wenn man die zusammenlegt, was unsere Medien inzwischen aufgrund der Schnelllebigkeit unserer Zeit eigentlich auch kaum noch können, wenn man die aneinanderfügt, dann sieht man hier einfach: Das ist ein großes Bild, das sich da ergibt, das sind so viele Indizien, dass man da einfach nicht mehr an Zufall glauben könnte. Das fängt an von Verbindungen von der AfD nach Moskau, das geht weiter..
Brink: Können Sie die belegen? Das ist ja interessant für uns hier! Also, gibt es da wirklich Belege für?
Reitschuster: Allein das, was man weiß, ist sehr, sehr augenscheinlich und erinnert an die alten Methoden, wie im Westen von Moskau systemkritische Parteien unterstützt wurden. Nehmen Sie die Besuche von Herrn Gauland, dem Vizechef der AfD in der Botschaft, nehmen Sie einen Besuch von Herrn Gauland in Moskau von einer Stiftung, die zu Herrn Malofejew gehört, genau dem Mann, der für die rechten Netzwerke im Westen von Moskau zuständig ist. Nehmen Sie die Querverbindungen von der AfD zu "Compact", zu den anderen rechten Netzwerken hierzulande, die enge Verbindungen mit Moskau haben, Teilnahmen von Herrn Gauweiler an einer Konferenz zum Beispiel von "Compact", die wiederum von einem Moskauer Institut gestützt wird, die Thematik der AfD, dass man den Eindruck hat, da geht es schon mehr um Russland als um den Euro, das eigentliche Thema der AfD, diese mysteriösen Millionenspenden, wo man nicht weiß, wo es herkommt, diese Geschichte mit dem Gold, dieser Finanzierung, die sehr mysteriös ist … Alles für sich genommen würde ich sagen, okay, kann man nichts sagen. Aber wenn man das alles zusammen hat, wenn man dann die Geschichte kennt, wie das früher funktionierte, dann muss ich sagen, da ist ein Anfangsverdacht da. Und bei einem verdeckten Krieg werden Sie nie eine notarielle Bestätigung bekommen, so dumm war auch der KGB nicht und die Stasi nicht.
Brink: Sonst wäre es ja kein verdeckter Krieg.
Reitschuster: Man hat ja auch das Meiste auch erst nach der Wende festgestellt.
Kein Wandel durch Anbiederung
Brink: Ich möchte noch mal zu dieser Machtpolitik zurückkommen, wo Sie gesagt haben, ja, bei Amerika ist es vielleicht anders, aber Russland betreibt Machtpolitik. Das macht die andere Supermacht auch, mit Methoden, die wir wissen oder auch nicht wissen, wenn man sich den CIA anguckt, haben das vielleicht früher intensiver betrieben als momentan. Also, was ist neu daran, warum überrascht uns das jetzt so, oder Sie?
Reitschuster: Zum einen, was Amerika und Russland angeht: Wir haben uns da in vielem angewöhnt, das gleichzusetzen. Davor möchte ich warnen. Schauen Sie, die Bundesrepublik war 40 Jahre eng mit Amerika verbunden und die DDR 40 Jahre eng mit Moskau. Und ich denke, da sehen wir den ganzen Unterschied. Washington mag manchmal nicht ganz astreine Methoden anwenden, aber wir konnten hier 40 Jahre im Westen frei leben. In der DDR war das nicht so und wir haben es hier mit einer Diktatur zu tun. Diesen Unterschied, denke ich, den müssen wir ganz klar machen, da haben wir den Kompass in vielem verloren.
Brink: Wie sollte Deutschland, der Westen sich dann gegenüber Russland verhalten in Zukunft?
Reitschuster: Ich denke, auf der einen Seite brauchen wir Dialog, wir müssen mehr miteinander sprechen. Was wir im Moment allerdings haben, ist in sehr vielem ein Scheindialog. Wir müssten mit Moskau so sprechen, wie Konrad Adenauer mit Moskau sprach, wie Helmut Schmidt mit Moskau sprach, mit einer Position der Stärke. Denn nur die wird in Moskau geachtet, weniger die Anbiederung, für die Gerhard Schröder steht oder leider auch Herr Steinmeier, der Außenminister. Klare Worte, Dialog, aber aufhören zu beschönigen. Kein Wandel durch Anbiederung, das wird nicht funktionieren.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.