Bosch-Stiftung: Auch hohe Spenden für Stiftungen steuerlich fördern

Moderation: Jürgen König · 29.06.2006
Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Robert Bosch Stiftung, Dieter Berg, hat Verbesserungen im Stiftungsrecht angemahnt. So sei die Grenze für die steuerliche Absetzbarkeit bei Stiftungszuwendungen mit 305.000 Euro zu niedrig angesetzt, sagte Berg im Deutschlandradio Kultur.
Jürgen König: In Deutschland gibt es heute etwa 11.000 Stiftungen. Zu den größten gehören die Bertelsmann Stiftung und die Robert Bosch Stiftung mit einem Jahres-Fördervolumen von jeweils rund 56 Millionen Euro sowie die Hertie-Stiftung. Sie vergibt etwa 20 Millionen Euro jährlich. Bei uns zu Gast ist Dieter Berg, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch Stiftung, die ganz im Sinne des Stifters Robert Bosch, Projekte fördert, die "nicht nur Not lindern, sondern vor allem zu einer Verbesserung der gesundheitlichen Verhältnisse sowie des sittlichen und geistigen Niveaus der Menschen beitragen". So steht es auf der Internetseite der Bosch-Stiftung. Herr Berg, ich freue mich sehr, dass Sie zu uns gekommen sind. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie von der Schenkung des Warren Buffet hörten?

Berg: Ja, das ist eine höchst beeindruckende Zahl, die genannt wurde. Und es ist natürlich auch noch hochbeeindruckend zu sehen, dass er es ausgerechnet der Gates-Stiftung zur Verfügung stellt, die damit ihr Vermögen, das ohnehin schon ungeheuer groß war, quasi verdoppeln kann.

König: Welche rechtlichen Regularien gibt es in den USA für solche Fälle? Was hätte ein Warren Buffet in Deutschland beachten müssen?

Berg: Gut, die Verhältnisse in den USA kenne ich nicht im Detail. In Deutschland ist das allerdings auch möglich, eine Zustiftung zu einer existierenden Stiftung zu machen. Und das kann man sicherlich dann noch verbinden mit besonderen Wünschen hinsichtlich der Verwendung der Gelder. Ob er das gemacht hat im Falle Gates, weiß ich allerdings nicht.

König: Aber das klingt so erfreulich unbürokratisch. Was deutsche Verhältnisse angeht, ist es ähnlich unkompliziert, was das angeht?

Berg: Dieser Schritt der Zustiftung, ja.

König: Wie unterscheiden sich ansonsten deutsche Verhältnisse von den amerikanischen Dimensionen?

Berg: Nun, also in Deutschland ist das Stiftungswesen nicht so ausgeprägt, wie in den USA und die Größenordnungen deutscher Stiftungen sind völlig andere. Nehmen Sie die Bosch-Stiftung: Unser Stiftungskapital, jedenfalls der Betrag, der in unserem Geschäftsbericht und in unserer Bilanz ausgewiesen ist, sind fünf Milliarden Euro. Und in den USA gibt es Stiftungen in ganz anderen Größenordnungen. Die Gates-Stiftung allein hatte vorher rund 25 bis 30 Milliarden Dollar als Kapital und verdoppelt sich jetzt quasi.

König: Die Bill & Melinda Gates Foundation, wie sie dort heißt, will die Gesundheit von Menschen, vor allem in den armen Ländern fördern, hat Anti-Malaria-Programme ins Leben gerufen, arbeitet an einem Impfstoff gegen Aids, macht auch Bildungsprogramme, diese vor allem in den USA. Für all das hat die Gates-Stiftung seit '95 mehr als zehn Milliarden Dollar ausgegeben. Hat es Fälle gegeben, in denen sich Regierungen aus öffentlichen Aufgaben zurückgezogen haben, weil sie gesagt haben: Das können doch die Stiftungen viel besser machen. - Wo dann die Kritiker gesagt haben: Hier stiehlt sich ein Staat billig aus seiner Verantwortung?

Berg: Also ich glaube nicht, dass die Regierungen sich aus ihrer Verantwortung herausziehen, indem sie sagen, das können alles die Stiftungen machen. Aber es gibt natürlich auch bei uns Überlegungen, dass der Staat das, was er bisher im großen Umfang finanziert hat, einfach nicht mehr finanzieren kann. Und vielleicht gewisse Hoffnungen hegt, dass private Stiftungen das übernehmen. Ich sehe das allerdings keineswegs als die Aufgabe der privaten Stiftungen an, den Staat zu ersetzen.

König: Wie groß ist die Konkurrenz unter den internationalen Stiftungen?

Berg: Also ich würde es nicht als Konkurrenz sehen, in dem Sinne, wie sie es bei Wirtschaftsunternehmen vorfinden. Natürlich ist sicherlich jeder bestrebt, der eine gute Idee hat, möglichst als erster diese gute Idee zu verwirklichen. Aber wir finden sehr, sehr viele Fälle von Zusammenarbeit, von Stiftungen in Deutschland, aber auch grenzüberschreitend. Und da steht natürlich das Ergebnis im Vordergrund und keine Konkurrenz.

König: Aber wenn ich mir vorstelle, ein Impfstoff für Aids, weltweit wird an diesem Projekt gearbeitet. Nun kommt da ein, ja ich nenne es nun doch einmal ein Unternehmen, mit diesen 60 Milliarden Dollar im Säckel. Die haben doch ganz andere Möglichkeiten, als ein Forschungsinstitut, oder ein Verbund von Forschungsinstituten.

Berg: Sicherlich, aber es ist nicht ihre Aufgabe - jedenfalls wäre das nach deutschem Stiftungsrecht und Gemeinnützigkeitsrecht so - etwas zu entwickeln, was hinterher zu vermarkten ist, und damit zu weiteren Einnahmen führt. Ich glaube auch nicht, dass das die Absicht von Bill Gates war und ist, im Zusammenhang mit der Forschung an einem Aids-Impfstoff.

König: Nun hat Bill Gates aber immer das gemacht, dass er den Markt sozusagen durch das Besetzen von Schlüsselpositionen für andere blockiert hat. Wäre das nicht auch hier denkbar? Also nach dem Motto, die Stiftung gibt Aids-Medikamente, wenn sie sie denn entwickelt hat, für Afrika, damit dann Microsoft umso leichter Software dort verkaufen.

Berg: Da hätte ich doch erhebliche Zweifel ... Ich glaube auch nicht, dass der Aids-Impfstoff wirklich dazu hilft, Microsoft-Software in Afrika zu verkaufen. Die großen Geschäfte macht Microsoft, glaube ich, eher in USA und in Europa und in Asien, aber nicht in Afrika.

König: Das heißt, das Entstehen solcher Mega-Stiftungen, wie jetzt die Gates Foundation, stört sie gar nicht?

Berg: Nein.

König: Beängstigt Sie auch nicht? Es ist nicht so? Also man hat manchmal die Vorstellung, dass da eine unglaubliche Konkurrenz erwächst. Wo man nicht mehr genau weiß, auch zum Beispiel, wie viel politische Einflussnahme kann eine solche Stiftung, deren Etat, wir haben es vorhin schon gehört, größer ist als der von 40 jeweiligen Ländern dieser Erde. Das sind doch auch große Kräfte, die sich da zusammenballen.

Berg: Gut, aber auch in Amerika unterliegen die Stiftungen der Aufsicht, insbesondere der Finanzaufsicht, müssen also sehr sorgfältig und detailliert, noch ganz anders, als das bei uns der Fall ist, gegenüber den Finanzbehörden berichten. Und ich denke schon, dass sich eine Stiftung, ob sie nun Gates-Stiftung oder anders heißt, es sich schlicht und ergreifend nicht leisten kann, Gelder nicht im Sinne der Gemeinnützigkeit einzusetzen, sondern beispielsweise um politisches Lobbying zu betreiben, oder gar um die Geschäfte von Microsoft zu befördern.

König: Es hat ja in den letzten Jahren immer wieder Versuche gegeben, oder Aufrufe gegeben, das Stiftungswesen in Deutschland zu fördern. Also mehr Leute zu bewegen, ihr Geld gemeinnützig und gut anzulegen. Sehen Sie da Fortschritte?

Berg: Nun, also die Zahl der Stiftungsneugründungen hat zugenommen und im letzten Jahr, waren es glaube ich, wenn ich die Zahl recht in Erinnerung habe, 850 Neugründungen von Stiftungen in Deutschland. Das ist erfreulich. Allerdings muss man dazu sagen, die Größenordnung, über die wir sprechen, was das Stiftungskapital der jeweiligen Neugründungen anbelangt, ist, bewegt sich in ganz anderen Ligen. Es gibt nur wenige wirklich große Stiftungen in Deutschland, die über Erträge im zweistelligen Millionenbereich verfügen.

König: Aber haben Sie den Eindruck, dass in Deutschland mehr Menschen als früher bereit sind, ihr Geld für gemeinnützige Zwecke in einer Stiftung anzulegen?

Berg: Ja, mit Sicherheit.

König: Also, dass sich da so ein Umdenkprozess langsam bemerkbar macht?

Berg: Wir stellen das in der Tat fest. Ganz deutlich erkennbar ist es im Bereich der Bürgerstiftungen, die es gerade ermöglichen, dass auch Personen, die über gar nicht so viel Geld verfügen um eine eigene Stiftung zu errichten, sich dort beteiligen können, an einer gemeinnützigen Stiftung, indem sie dort Geld hingeben und diese Stiftung dann in der Gemeinde, in der sie existiert, bestimmte gemeinnützige Zwecke verwirklicht. Aber auch darüber hinaus, wir wissen ja auch, dass vermutlich in den nächsten Jahrzehnten, in Größenordnung von vielen Tausend Milliarden Vermögen vererbt werden wird. Und es gibt darunter viele Leute, die entweder keine Kinder haben, denen sie es vererben können, oder die sagen, sie wollen neben ihren Erben auch noch eine Stiftung einrichten. Es hat auch den Vorteil, man kann seinen Namen auch in die Zukunft forttragen. Auch das ist bei manchen durchaus ein akzeptabler Grund, eine Stiftung zu errichten.

König: Das geltende Stiftungsrecht ist, so wie es ist, in Ordnung, oder sehen Sie größeren Handlungsbedarf?

Berg: Es ist sicherlich verbesserungsbedürftig in zweifacher Hinsicht: Zum einen ist die Grenze der Abzugsfähigkeit im laufenden Jahr für Stiftungszuwendungen viel zu niedrig angesetzt, mit rund 305.000 Euro, die dann auch noch auf zehn Jahre verteilt werden können.

König: Was wäre wünschenswert?

Berg: Also ich würde mal sagen, der Betrag sollte bei mindestens einer Million Euro liegen, wenn nicht sogar noch deutlich höher. Denn man muss auch sagen, wenn Sie eine Stiftung errichten, die aus ihren Erträgnissen vernünftige Projekte verwirklichen soll, dann wäre es eigentlich wünschenswert, wenn die Stiftung schon mindestens fünf Millionen Euro Kapital hätte. Weil, alles was in Größenordnungen von unter einer Million Euro liegt ist viel zu wenig, um wirklich substantielle Projekte umsetzen zu können.

Und darüber hinaus würde ich mir wünschen, dass es auch zugelassen wird, dass Stiftungen anderen Stiftungen Geld ins Kapital geben oder neue Stiftungen gründen, so genannte Endowments, wie der Fachterminus im Englischen lautet, zu geben, um beispielsweise einen Stiftungslehrstuhl an einer Universität einrichten zu können. Das ist derzeit, jedenfalls aus Erträgen die Stiftungen generieren, nicht möglich. Sie könnten nur in Ihr eigenes Stiftungsvermögen gehen und dieses umschichten. Das will aber natürlich niemand.

König: Und sehen Sie Chancen, dass das gelingen kann, diese zwei Vorhaben umzusetzen?

Berg: Jedenfalls eine Erhöhung der Grenzen der Abzugsfähigkeit halte ich für wahrscheinlich. Wahrscheinlich sogar in dieser Legislaturperiode noch. Ob das Endowment-Verbot fällt weiß ich nicht, ich hoffe es aber.

König: Also haben Sie Mut, gründen Sie eine Stiftung. Die Mit- und die Nachwelt wird es Ihnen danken! Ein Gespräch mit Dieter Berg, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Robert Bosch Stiftung. Vielen Dank.
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