Boßeln

Kugeln schleudern hinterm Deich

Während Zuschauer die Wettkämpfe vom Deich aus verfolgen, wirft ein Teilnehmer am 31.05.2014 bei den 8. Deutschen Meisterschaften im Boßeln in Vollerwiek (Schleswig-Holstein) eine Kugel aus Gummi.
Werfen, so weit man kann: die Deutschen Meisterschaften im Boßeln in Vollerwiek. (Schleswig-Holstein) © dpa / Bodo Marks
Von Johannes Kulms |
In Süddeutschland kennt es kaum jemand. In manchen Regionen Norddeutschlands ist es aber Breitensport: Boßeln. Ein Teamsspiel mit jahrhundertealter Tradition. Wir erklären, worum es dabei geht.

Was ist Boßeln?

Boßeln wird im Team gespielt. Dabei sind vor allem zwei Dinge wichtig: eine Kugel. Und: möglichst kräftige Arme. Denn das Ziel des Spiels ist es, die Kugel möglichst weit zu werfen. Dabei muss das Team entweder eine festgelegte Strecke mit möglichst wenigen Würfen überwinden. Oder die Wurfmeter aller Teammitglieder werden einfach addiert. Gespielt wird es im freien Gelände: auf Wiesen und Feldern oder auf befestigten Wegen.

In welchen Regionen wird besonders gerne geboßelt?

Boßeln gibt es in unterschiedlichen Spielvarianten in ganz Europa. Gespielt werden diese beispielsweise in den Niederlanden, Irland, aber auch in Italien und Spanien. In Deutschland gibt es zwei Boßel-Hochburgen: Ostfriesland und Oldenburg in Niedersachsen bilden die eine. In Schleswig-Holstein sind es die Kreise Dithmarschen und Nordfriesland, in denen geboßelt wird.

Wie genau läuft Boßeln ab?

Beim Standboßeln wird keineswegs nur gestanden. Vielmehr nehmen die Spieler viel Anlauf, drehen sich um die eigene Achse – ein bisschen wie beim Diskuswurf – und werfen dann eine 500 Gramm schwere Holzkugel. Die richtig guten Werfer kommen auf Weiten von rund 80 Metern!
"Der Wettbewerb läuft folgendermaßen ab", erklärt Christian Köhne, Jugendtrainer beim BV Mielebund: "Jede Mannschaft hat sechs Werfer und drei Wurf. Und dieses Gesamtergebnis wird addiert - und somit ist man im Wettbewerb mit anderen Teams."
Es kommt beim Standboßeln also auf die größte Gesamtweite an. Andere Varianten sind das Feldboßeln und das Straßenboßeln. Letzteres ist in Ostfriesland und rund um Oldenburg besonders beliebt.

Wird in Niedersachsen anders geboßelt als in Schleswig-Holstein?

Während in Schleswig-Holstein rund 3500 Sportler mitmachen, sind es in Niedersachsen mit etwa 40.000 mehr als zehnmal so viele. Und dort ist vor allem das Straßenboßeln verbreitet, da gibt es richtige Ligen.
Das läuft dann so ab: eine Distanz von mehreren Kilometern wird festgelegt und zwei Teams treten gegeneinander an. Und das Ziel ist es, mit so wenigen Würfen wie möglich die Distanz zurückzulegen.

Wie wichtig ist die Tradition beim Boßeln?

Für viele Sportler in den Hochburgen ist Boßeln wichtiger als Handball und sogar Fußball. Es ist einfach Teil der Identität. "Mit Folklore hat das nichts zu tun", sagt Ernst Reimers, erster Vorsitzende des Schleswig-Holsteinischen Boßler-Verbands, sondern einfach mit Brauchtum. "Und das weiterzuführen, was die Väter uns überliefert haben." Nachwuchssorgen gibt es kaum.
Wie alt diese Sportart ist, sieht man übrigens an Ausgrabungen in den Niederlanden: Dort wurden Boßelkugeln aus dem 13. Jahrhundert gefunden, erzählt Reimers. Und in Schleswig-Holstein werde seit mehr als 500 Jahren geboßelt. (lk)
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