Denkmal für Bürgerrechtler
Martin Luther und Coretta King gewidmet: die Statute „The Embrace“ des US-Konzeptkünstlers Hank Willis Thomas. © Nora Sobich
Boston ehrt Martin Luther King
05:45 Minuten
Eine sieben Meter hohe Bronzestatue erinnert seit Kurzem in Boston an Martin Luther King und seine Frau Coretta. Es ist das größte Bürgerrechtsdenkmal der USA. Beginnt mit „The Embrace“ eine neue inklusivere Denkmalkultur?
Viele Hundert sind gekommen, in den „Boston Common“, US-Amerikas ältesten Stadtpark, um mitzuerleben, was in Boston lange auf sich hat warten lassen: der Bürgerrechtsbewegung und Martin Luther King ein Denkmal zu errichten. In feierlicher, geradezu euphorisch bewegter Stimmung.
„… to participate in a moment like this where we honor the black experience! Black joy! Black love in the oldest park of the country!“
Auch die Familie King ist angereist, Massachusetts Politikerprominenz zugegen. Das neue „The Embrace“-Memorial ist ein unübersehbares Statement.
Entwurf nach einer historischen Fotografie
Der US-Konzeptkünstler Hank Willis Thomas hat die sieben Meter hohe Bronzeskulptur nach einer historischen Fotografie von 1964 entworfen, als King in Boston die Nachricht für den Friedensnobelpreis erreicht und er seiner Frau Coretta Scott King in die Arme fällt.
Diesen Moment, diese Geste der Freude fängt „The Embrace“ ein. Ohne die Gesichter der beiden zu zeigen, bildet es in spektakulärer Größe ihre ineinander verschlungenen Arme ab: eine riesige und doch nahbare Umarmung.
„To tell a story and build a monument about love“, sagt – kurz vor der Einweihung – Imari Paris Jeffries, CEO der „Embrace“-Stiftung. Seit 2017 hat die über acht Millionen Dollar zusammengetragen. In vielerlei Hinsicht sei es symbolisch.
Das englische Wort „embrace“ bedeute sowohl „Umarmung“ als auch „Akzeptanz“. Die Doppeldeutigkeit spiegele sich im Konzept des Denkmals. Einander in Empathie zu begegnen, egal welcher Hautfarbe und Herkunft.
In Boston wurde der Einweihung schon seit Wochen entgegengefiebert. „I can’t wait. I want to go over there and take my selfie before everybody else gets there. The energy, it’s all about the energy“, sagt im Besucherzentrum gegenüber dem Memorial einer der Mitarbeiter.
Denkmal soll Touristenmagnet werden
Alle spüren, der Stadtpark als historisches Herz der Stadt braucht das. Es werde eine Menge neuer Touristen anlocken, ist man sich nebenan im Sandwichladen sicher.
Martin Luther King kam Anfang der 50er-Jahre nach Boston, um zu promovieren. Dort begegnete er 1952 Coretta Scott King und hielt in der Twelfth Baptist Church in Roxbury seine ersten großen Predigten.
Im April 1965 führte King beim „Friedensmarsch“ 20.000 Menschen von Roxbury nach Downtown in den Common, seit jeher Bostons Bühne für politische Kundgebungen. Schon vor 250 Jahren protestierten hier die Freiheitskämpfer der amerikanischen Revolution.
Überfällig – „overdue“ – sei das neue Memorial, findet ein Bostonian, der sich im Stadtpark gerade die Beine vertritt, als noch letzte Bauarbeiten laufen. „It’s refreshing to have a monument that does not glorify war and killing. – Schauen Sie, dort wird dem Bürgerkrieg gedacht, im Common vorm Abgeordnetenhaus, dem 45. Regiment. Und dort hinten steht Washington.“
Das Columbus-Standbild wurde enthauptet
Die Frage, wie die eigene Geschichte erzählt und im Stadtraum dargestellt wird, spaltet nach wie vor die US-Nation, seit den Denkmalstürzen 2020.
„Which monuments where up? What does these symbols of war and conquest mean?“
Im Süden kamen die Sklavenhalter von den Sockeln, in Boston wurde das Columbus-Standbild enthauptet. Tausende zogen nach dem Mord an George Floyd durch die Innenstädte, gegen Rassismus, für Gleichheit und Gerechtigkeit.
„On this day us we prepare to unveil ‘The Embrace’.“
„The Embrace“ ist jetzt wie der Beginn einer neuen, anderen Erzählung – und mehr als bloß ein Denkmal. In Roxbury wird bereits an einem „Embrace“-Museum und Forschungszentrum gebaut. Ein neues Boston ist in Gang. Empathischer hätte die Begeisterung zur Einweihung nicht sein können.