Boualem Sansal wirft dem Westen Feigheit vor
Der algerische Autor und Friedenspreisträger Boualem Sansal plädiert für eine stärkere Unterstützung des französischen Einsatzes in Mali. Frankreich kämpfe derzeit dort ganz allein. Er fordert "eine Art Heilige Allianz", um die Islamisten "zu Fall zu bringen."
Ulrike Timm: Frankreich kämpft gegen die Islamisten in Mali. Mali grenzt an Algerien, wo islamistische Terroristen kürzlich eine Gasanlage besetzten und ein Blutbad anrichteten. Algerien selbst gilt als Rückzugsgebiet der Islamisten, viele von ihnen haben sich wahrscheinlich ins unwegsame algerisch-malische Grenzgebiet zurückgezogen. Im autoritär regierten Algerien lebt Boualem Sansal, einer der wenigen Intellektuellen, die das Land noch nicht verlassen haben. Seine Bücher dürfen dort nicht erscheinen, das eigene Leben wie das von Freunden und Bekannten ist stets latent gefährdet. Für sein literarisches Werk, das sich immer wieder den Menschen zuwendet, die zwischen allen Stühlen sitzen, ist Boualem Sansal unter anderem mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. Ich freue mich, dass er mit uns spricht über die Konflikte um und mit den Islamisten in dieser fragilen Region Nordafrikas. Guten Tag, bonsoir, bonjour, monsieur Sansal!
Boualem Sansal: Bonjour!
Timm: Monsieur Sansal, man schaut derzeit in den Norden von Mali, wo die Islamisten vertrieben werden sollen. Welche Rolle spielt denn derzeit Algerien in diesem Konflikt?
Sansal: Also, Algerien spielt zurzeit ein etwas komisches Spiel, ein seltsames Spiel. Einerseits ist man aus guter Nachbarschaft bemüht, Mali in irgendeiner Form zu helfen, die Islamisten zu vertreiben. Aber andererseits war es ja auch so, dass Algerien seine eigenen Islamisten vertreiben musste und wohin sollten sie gehen? Sie haben sich erst einmal nach Mali zurückgezogen. Und jetzt besteht die große Frage darin, wenn man sie aus dem Mali vertreiben will, wohin sollen sie jetzt gehen? Sollen sie etwa nach Mauretanien gehen oder wohin? Und Sie werden ja festgestellt haben, dass die Islamisten bei dem Vormarsch der französischen Armee überhaupt keinen nennenswerten Widerstand geleistet haben. Sie werden also versuchen, sich in ein Bergmassiv zurückzuziehen und sich erst dann zu wehren, wenn man sie dort angreift, oder aber sich einfach ein neues Territorium zu suchen. Eventuell ziehen sie sich wieder zurück nach Algerien oder sie versuchen, in andere umliegende Länder wie den Tschad oder Libyen oder sogar Tunesien zu gehen. Was sie normalerweise brauchen, ist ein innerlich zerrissenes Land, wo sie ihren Handel mit Drogen, ihren Handel mit Waffen ausüben können und als internationale Plattform fungieren für den afghanischen, für den irakischen und für überhaupt sämtliche Formen des syrischen oder islamistischen Terrorismus.
Timm: In Timbuktu ist eine bedeutende Bibliothek beim Rückzug der Islamisten in Brand gesteckt worden, wertvollste Schriften sind zerstört. Wie kommt es eigentlich, dass die Islamisten, die sich doch selbst als traditionelle Krieger verstehen, diese eigenen Kulturgüter so wenig achten?
Sansal: In jedem totalitären Regime, sei es ein Polizeistaat, sei es eine Ideologie, sei es eine religiöse Form von Diktatur, haben die Machthaber eine Riesenangst vor der Kultur. Und indem man die Kultur tötet, tötet man praktisch auch die Menschen, die zurückgeworfen sind dann auf einen Zustand der Tiere, denen man einfach befehlen kann, was sie zu tun haben. Und in der Geschichte der Welt gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass Diktatoren Bibliotheken zerstört haben, sei es in Alexandria, sei es hier in Algerien oder überall auf der Welt, weil man in dem Moment einfach auch den Menschen die Hoffnung nimmt und die Menschen besser kontrollieren kann.
Timm: Sie sagten, dass sich die Islamisten nun wahrscheinlich ins algerisch-malische Grenzgebiet zurückziehen. Ist Algerien denn tatsächlich der neue Hinterhof für Islamisten oder schauen wir jetzt nur stärker drauf und das war schon immer so?
Sansal: Nun, die Islamisten benötigen immer ein sehr großes Territorium, das man nur sehr schwer kontrollieren kann, wo auch die Luftwaffe nicht sehr viele Möglichkeiten hat, einzugreifen. Und die Sahara eignet sich perfekt dafür, das ist ein großartiger Ort für ihre Bedürfnisse, weil sie sich dort treffen können, sie können sich dort ausbilden lassen und sie können jederzeit zuschlagen. Und vergessen Sie nicht, diese Islamisten sind ja Algerier, sie stammen ja aus Algerien und sie kennen das Gelände ausgezeichnet. Und man kann in Algerien mit ihrem Handel von Waffen und Drogen auch sehr viel Geld machen. Einige werden sich wahrscheinlich auch nach Libyen zurückziehen wegen dem Waffenhandel, aber auch nach Tunesien wird es einige verschlagen, weil ja mittlerweile fast überall auf der Welt radikale Islamisten ein- und ausgehen. Und sie können sich ja relativ frei bewegen in diesem Riesengebiet der Sahara und der Wüste.
Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit einem der bedeutendsten Schriftsteller französischer Sprache, mit Boualem Sansal. Seine Bücher sind in seinem Heimatland Algerien verboten, er selbst lebt wegen seiner kritischen Haltung dort sehr isoliert. Monsieur Sansal, Sie haben mal in einem Interview gesagt, der Islamismus sei für Sie das ultimativ Böse. Und in Ihrem neuen Buch lassen Sie den Ich-Erzähler sagen, er hätte sich viele Märchen erzählt, einfach um sich selbst zu beruhigen, wenn er zum Beispiel vom moderaten Islamismus spricht. Können Sie sich im Moment eigentlich selbst noch eine hoffnungsvolle Geschichte in der Region vorstellen, die die Realität nicht verleugnet?
Sansal: Das ist natürlich ein Traum, dass all diese Länder hier in Nordafrika, in Maghreb eines Tages Freiheit, Demokratie erlangen und sich vor allen Dingen der Welt öffnen. Aber vergessen wir nicht: Die meisten dieser Länder haben unter Diktaturen gelebt, das waren Diktaturen, damit sind gewisse Strukturen auch innerhalb der Gesellschaft entstanden. Und es wird sehr lange dauern, sich davon zu befreien, sich von Tradition zu befreien, sich von religiösen Fesseln zu befreien, von einer Geschichtsschreibung zu befreien, die einfach nicht stimmt, die einem aufoktroyiert worden ist. Und es wird einfach unglaublich viel Zeit benötigen, bevor wie diesen Prozess abgewickelt haben. Aber ich bin ganz davon überzeugt, dass wir es schaffen werden. Nur, das wird 20, 30, vielleicht sogar 50 Jahre dauern, dieser Prozess.
Timm: Man spricht ja mit Ihnen auch viel mehr über Politik als über Literatur. Kränkt Sie das eigentlich oder sind Gespräche über Politik und Literatur derzeit schlicht und einfach dasselbe?
Sansal: Nein, zurzeit ist das wirklich das Gleiche. Ich kann ja niemandem vorwerfen, mit mir über Politik zu reden, wenn das Hauptthema meiner Romane auch Politik ist. Darum geht es in meinen Büchern und für mich besteht es einfach zurzeit, der Sinn meiner Arbeit besteht einfach darin, dass ich versuche, irgendwie mein Land zu befreien von all den undemokratischen Fesseln, die es zurzeit gibt.
Timm: Schauen wir mal auf Ihr letztes Buch, "Rue Darwin", da schildern Sie ja unter anderem auch, wie offene, multikulturelle Viertel von Islamisten zerstört werden. Vor diesem Hintergrund, müsste man die Franzosen in Mali nicht viel stärker unterstützen?
Sansal: Leider ist es so, dass Frankreich es zurzeit sehr, sehr schwierig hat, weil, Frankreich kämpft wirklich ganz alleine, obwohl das ein Konflikt ist, der letztlich alle interessiert. Er interessiert die Algerier, er interessiert die afrikanischen Staaten wie den Niger, aber auch Europa, Deutschland und die USA. Weil, es handelt sich ja hier um einen Kampf gegen den Terrorismus. Nur ist es eben sehr schwer, dass sich alle immer einig sind und das nutzt der radikale Islamismus aus. Er nutzt die Widersprüche aus, er nutzt die Ängste aus, aber natürlich auch gibt es im Westen eine große Portion von Feigheit, die ausgenutzt wird vom radikalen Islamismus, um sich weiter ungehindert auszubreiten. Und man müsste eine Art heilige Allianz schaffen, um gegen die Islamisten zu kämpfen und sie auch zu Fall zu bringen.
Timm: Viele wundern sich, Monsieur Sansal, dass Sie selbst nicht längst ins Exil gegangen sind, denn in Algerien darf man Ihre Bücher offiziell nicht lesen. Was genau hält Sie zurück? Ist es die Chronistenpflicht oder doch noch ein Funke Hoffnung?
Sansal: Ich habe Hoffnung, schon die Dinge zu verändern, und ich finde, dass die Leute, die Algerien verlassen haben, Pessimisten sind. Und ich bin schon ein Optimist. Und ich glaube schon, dass ich von innen heraus gewisse Dinge zumindest mit anschieben kann. Es ist wahr, mein Leben ist sehr schwierig, ich lebe sehr isoliert, meine Bücher sind verboten, aber es gibt dann natürlich auch immer wieder Wege, dass man zumindest von meinen Büchern gehört hat, dass die Leute Fotokopien machen, im Internet hört man sich meine Interviews an, morgen wird man dieses Interview, was ich Ihnen gerade gebe, dann auch im Internet hören können. Also, die Leute sind natürlich durch diese Isolierung so ein bisschen verrückt geworden, aber versuchen natürlich, Mittel und Wege zu finden, sich aus dieser Umklammerung, auch aus dieser geistigen Umklammerung zu lösen.
Timm: Ganz herzlichen Dank an den algerischen Schriftsteller Boualem Sansal! Sein jüngster Roman, "Rue Darwin", ist im Berlin Verlag erschienen. Monsieur Sansal, geben Sie gut auf sich acht, vielen Dank, merci!
Sansal: Merci beaucoup!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr bei dradio.de:
Kampf um letzte Islamisten-Hochburg in Mali Paris: "Vormarsch terroristischer Gruppen gestoppt"
ECOWAS sammelt rund 450 Millionen Dollar für Mali-Einsatz ein USA planen Drohnenbasis in Nordwestafrika
Boualem Sansal: Bonjour!
Timm: Monsieur Sansal, man schaut derzeit in den Norden von Mali, wo die Islamisten vertrieben werden sollen. Welche Rolle spielt denn derzeit Algerien in diesem Konflikt?
Sansal: Also, Algerien spielt zurzeit ein etwas komisches Spiel, ein seltsames Spiel. Einerseits ist man aus guter Nachbarschaft bemüht, Mali in irgendeiner Form zu helfen, die Islamisten zu vertreiben. Aber andererseits war es ja auch so, dass Algerien seine eigenen Islamisten vertreiben musste und wohin sollten sie gehen? Sie haben sich erst einmal nach Mali zurückgezogen. Und jetzt besteht die große Frage darin, wenn man sie aus dem Mali vertreiben will, wohin sollen sie jetzt gehen? Sollen sie etwa nach Mauretanien gehen oder wohin? Und Sie werden ja festgestellt haben, dass die Islamisten bei dem Vormarsch der französischen Armee überhaupt keinen nennenswerten Widerstand geleistet haben. Sie werden also versuchen, sich in ein Bergmassiv zurückzuziehen und sich erst dann zu wehren, wenn man sie dort angreift, oder aber sich einfach ein neues Territorium zu suchen. Eventuell ziehen sie sich wieder zurück nach Algerien oder sie versuchen, in andere umliegende Länder wie den Tschad oder Libyen oder sogar Tunesien zu gehen. Was sie normalerweise brauchen, ist ein innerlich zerrissenes Land, wo sie ihren Handel mit Drogen, ihren Handel mit Waffen ausüben können und als internationale Plattform fungieren für den afghanischen, für den irakischen und für überhaupt sämtliche Formen des syrischen oder islamistischen Terrorismus.
Timm: In Timbuktu ist eine bedeutende Bibliothek beim Rückzug der Islamisten in Brand gesteckt worden, wertvollste Schriften sind zerstört. Wie kommt es eigentlich, dass die Islamisten, die sich doch selbst als traditionelle Krieger verstehen, diese eigenen Kulturgüter so wenig achten?
Sansal: In jedem totalitären Regime, sei es ein Polizeistaat, sei es eine Ideologie, sei es eine religiöse Form von Diktatur, haben die Machthaber eine Riesenangst vor der Kultur. Und indem man die Kultur tötet, tötet man praktisch auch die Menschen, die zurückgeworfen sind dann auf einen Zustand der Tiere, denen man einfach befehlen kann, was sie zu tun haben. Und in der Geschichte der Welt gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass Diktatoren Bibliotheken zerstört haben, sei es in Alexandria, sei es hier in Algerien oder überall auf der Welt, weil man in dem Moment einfach auch den Menschen die Hoffnung nimmt und die Menschen besser kontrollieren kann.
Timm: Sie sagten, dass sich die Islamisten nun wahrscheinlich ins algerisch-malische Grenzgebiet zurückziehen. Ist Algerien denn tatsächlich der neue Hinterhof für Islamisten oder schauen wir jetzt nur stärker drauf und das war schon immer so?
Sansal: Nun, die Islamisten benötigen immer ein sehr großes Territorium, das man nur sehr schwer kontrollieren kann, wo auch die Luftwaffe nicht sehr viele Möglichkeiten hat, einzugreifen. Und die Sahara eignet sich perfekt dafür, das ist ein großartiger Ort für ihre Bedürfnisse, weil sie sich dort treffen können, sie können sich dort ausbilden lassen und sie können jederzeit zuschlagen. Und vergessen Sie nicht, diese Islamisten sind ja Algerier, sie stammen ja aus Algerien und sie kennen das Gelände ausgezeichnet. Und man kann in Algerien mit ihrem Handel von Waffen und Drogen auch sehr viel Geld machen. Einige werden sich wahrscheinlich auch nach Libyen zurückziehen wegen dem Waffenhandel, aber auch nach Tunesien wird es einige verschlagen, weil ja mittlerweile fast überall auf der Welt radikale Islamisten ein- und ausgehen. Und sie können sich ja relativ frei bewegen in diesem Riesengebiet der Sahara und der Wüste.
Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit einem der bedeutendsten Schriftsteller französischer Sprache, mit Boualem Sansal. Seine Bücher sind in seinem Heimatland Algerien verboten, er selbst lebt wegen seiner kritischen Haltung dort sehr isoliert. Monsieur Sansal, Sie haben mal in einem Interview gesagt, der Islamismus sei für Sie das ultimativ Böse. Und in Ihrem neuen Buch lassen Sie den Ich-Erzähler sagen, er hätte sich viele Märchen erzählt, einfach um sich selbst zu beruhigen, wenn er zum Beispiel vom moderaten Islamismus spricht. Können Sie sich im Moment eigentlich selbst noch eine hoffnungsvolle Geschichte in der Region vorstellen, die die Realität nicht verleugnet?
Sansal: Das ist natürlich ein Traum, dass all diese Länder hier in Nordafrika, in Maghreb eines Tages Freiheit, Demokratie erlangen und sich vor allen Dingen der Welt öffnen. Aber vergessen wir nicht: Die meisten dieser Länder haben unter Diktaturen gelebt, das waren Diktaturen, damit sind gewisse Strukturen auch innerhalb der Gesellschaft entstanden. Und es wird sehr lange dauern, sich davon zu befreien, sich von Tradition zu befreien, sich von religiösen Fesseln zu befreien, von einer Geschichtsschreibung zu befreien, die einfach nicht stimmt, die einem aufoktroyiert worden ist. Und es wird einfach unglaublich viel Zeit benötigen, bevor wie diesen Prozess abgewickelt haben. Aber ich bin ganz davon überzeugt, dass wir es schaffen werden. Nur, das wird 20, 30, vielleicht sogar 50 Jahre dauern, dieser Prozess.
Timm: Man spricht ja mit Ihnen auch viel mehr über Politik als über Literatur. Kränkt Sie das eigentlich oder sind Gespräche über Politik und Literatur derzeit schlicht und einfach dasselbe?
Sansal: Nein, zurzeit ist das wirklich das Gleiche. Ich kann ja niemandem vorwerfen, mit mir über Politik zu reden, wenn das Hauptthema meiner Romane auch Politik ist. Darum geht es in meinen Büchern und für mich besteht es einfach zurzeit, der Sinn meiner Arbeit besteht einfach darin, dass ich versuche, irgendwie mein Land zu befreien von all den undemokratischen Fesseln, die es zurzeit gibt.
Timm: Schauen wir mal auf Ihr letztes Buch, "Rue Darwin", da schildern Sie ja unter anderem auch, wie offene, multikulturelle Viertel von Islamisten zerstört werden. Vor diesem Hintergrund, müsste man die Franzosen in Mali nicht viel stärker unterstützen?
Sansal: Leider ist es so, dass Frankreich es zurzeit sehr, sehr schwierig hat, weil, Frankreich kämpft wirklich ganz alleine, obwohl das ein Konflikt ist, der letztlich alle interessiert. Er interessiert die Algerier, er interessiert die afrikanischen Staaten wie den Niger, aber auch Europa, Deutschland und die USA. Weil, es handelt sich ja hier um einen Kampf gegen den Terrorismus. Nur ist es eben sehr schwer, dass sich alle immer einig sind und das nutzt der radikale Islamismus aus. Er nutzt die Widersprüche aus, er nutzt die Ängste aus, aber natürlich auch gibt es im Westen eine große Portion von Feigheit, die ausgenutzt wird vom radikalen Islamismus, um sich weiter ungehindert auszubreiten. Und man müsste eine Art heilige Allianz schaffen, um gegen die Islamisten zu kämpfen und sie auch zu Fall zu bringen.
Timm: Viele wundern sich, Monsieur Sansal, dass Sie selbst nicht längst ins Exil gegangen sind, denn in Algerien darf man Ihre Bücher offiziell nicht lesen. Was genau hält Sie zurück? Ist es die Chronistenpflicht oder doch noch ein Funke Hoffnung?
Sansal: Ich habe Hoffnung, schon die Dinge zu verändern, und ich finde, dass die Leute, die Algerien verlassen haben, Pessimisten sind. Und ich bin schon ein Optimist. Und ich glaube schon, dass ich von innen heraus gewisse Dinge zumindest mit anschieben kann. Es ist wahr, mein Leben ist sehr schwierig, ich lebe sehr isoliert, meine Bücher sind verboten, aber es gibt dann natürlich auch immer wieder Wege, dass man zumindest von meinen Büchern gehört hat, dass die Leute Fotokopien machen, im Internet hört man sich meine Interviews an, morgen wird man dieses Interview, was ich Ihnen gerade gebe, dann auch im Internet hören können. Also, die Leute sind natürlich durch diese Isolierung so ein bisschen verrückt geworden, aber versuchen natürlich, Mittel und Wege zu finden, sich aus dieser Umklammerung, auch aus dieser geistigen Umklammerung zu lösen.
Timm: Ganz herzlichen Dank an den algerischen Schriftsteller Boualem Sansal! Sein jüngster Roman, "Rue Darwin", ist im Berlin Verlag erschienen. Monsieur Sansal, geben Sie gut auf sich acht, vielen Dank, merci!
Sansal: Merci beaucoup!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr bei dradio.de:
Kampf um letzte Islamisten-Hochburg in Mali Paris: "Vormarsch terroristischer Gruppen gestoppt"
ECOWAS sammelt rund 450 Millionen Dollar für Mali-Einsatz ein USA planen Drohnenbasis in Nordwestafrika