Boulevardtheater und Stadttheater

Scherz, Heimatgefühl und Unterhaltung

Der Schauspieler Jochen Busse.
Der Schauspieler Jochen Busse. © picture alliance / dpa / Horst Ossinger
Von Stefan Keim |
Die Spielpläne der Boulevardtheater ändern sich: Klassische Schwänke sind fast ganz verschwunden, französische Komödien sind auf dem Vormarsch. Der Schauspieler Jochen Busse, der in der jüngsten Uraufführung deutscher Autoren, dem "Der Pantoffel-Panther" in Bonn, spielt, spricht über die Entwicklung der Boulevardkomödie.
Panther: "Ich bin arbeitslos. Ich habe gestern noch mit meiner Bank gesprochen. – Und? Was kannst du tun bei der Entschuldung? – Ich kann nur den Euro verlassen und die Drachme einführen."
Hasso hat 500.000 Euro Schulden. Seinen Job als Verkäufer edler italienischer Lederpantoffeln ist er längst los und arbeitet als Walk-Act im Hühnerkostüm für einen Geflügelgrill. Mit drei Euro Stundenlohn kommt der 70-Jährige nicht aus den roten Zahlen. Hassos Gattin Röschen weiß von all dem nichts. Sie hält sich noch für reich, kauft teure Kleider, will die Wohnung neu einrichten und träumt von Kreuzfahrten und Champagnerpartys. Nur der neurotische Nachbar Rüdiger, Therapeut und Muttersöhnchen, weiß Bescheid.
"Mein Gott, ich habe ja mit der Agentur für Arbeit gesprochen, ob es nicht vielleicht doch gute Jobs gibt für Leute, die alt sind und im Beruf gescheitert. – Und? – Nee, haben sie gesagt, im Europaparlament wär schon alles besetzt."
Das klassische Element einer Boulevardkomödie ist die Verwechslung. Auch in "Der Pantoffel-Panther" lässt sie nicht lange auf sich warten. Hasso wird mit einem Mafiakiller verwechselt und bekommt einen Mordauftrag. Lars Albaum und Dietmar Jacobs sind ein Autorenduo, das schon seit einigen Jahren für Jochen Busse Komödien mit kabarettistischem Einschlag schreibt. Im Gegensatz zu Lustspielen à la Millowitsch und Komödiantenstadl sind die Gags bissiger und direkter. Jochen Busse meint, das könne ein älteres Publikum, das in Boulevardkomödien weiterhin in der Mehrheit ist, durchaus vertragen.
Busse: "Auch ein Mensch über 80 oder über 70 heute, der kennt die Jugendsprache, er hört sie im Fernsehen, er hört sie in seinem Umfeld. Die Leute sind nicht mehr so leicht zu schockieren. Bis auf einige wenige, die dann die Leserbriefe schreiben."

Das Wissen darum, wann man lachen muss

Der Blick auf die Spielpläne der Boulevardbühnen zeigt: Viele Titel findet man auch bei den Stadttheatern, die Grenzen werden fließender. "Geächtet" von Ayad Akthar – ein Konversationsstück über Intellektuelle im Krieg der Kulturen – läuft in Berlin im Theater am Kurfürstendamm. Und der zweite Hit dieser Saison – "Terror" von Ferdinand von Schirach – steht in Bonn demnächst auf dem Spielplan des Contra-Kreis-Theaters. Auch die Komödien "Dinner für Spinner" und "Der Vorname" finden sich auf allen Bühnen. Französische Stücke sind in den Privattheatern auf dem Vormarsch und haben die lange Zeit herrschenden Briten fast verdrängt. Jochen Busse ist von dieser Entwicklung nicht begeistert.
Busse: "Französische Stücke sind fabelhaft gebaut, gedanklich, dramaturgisch prima. Aber wahnsinnig verlabert. Die Franzosen lieben, ihrer Sprache zuzuhören."
Die Autoren und Regisseur Horst Johanning wissen genau, wie Busse seine typische Komik am besten einsetzen kann. Wieder spielt er mit gequetschter Stimme einen überforderten Kleinbürger, der alles richtig machen will und sich immer weiter verheddert. Der brave Pantoffelhändler muss schließlich sogar einen Drogendeal mit der Mafia abschließen.
Panther: "Shit, Drogen, ja! Sie sind doch Großhändler, ne? Wir haben ja diesen kleinen Drogeneinzelhandel in Endenich."
Das Publikum jubelt bei jeder Erwähnung eines Bonner Stadtteils, ebenso bei tagespolitischen Anspielungen. Als Hasso einen typischen Kriminellen nennen soll, fällt ihm nur Sepp Blatter ein. Aber die Handlung – auch im "Pantoffel-Panther" – folgt bewährten Mustern. Komödien sollen nicht irritieren oder verstören, sondern den Zuschauern einen schönen Abend bieten. Das Wissen darum, wann man lachen muss, führt zu einer Art Heimatgefühl.
Busse: "Das sind zwei Stunden U, reines U, was so viel wie Unterhaltung ist. Das darf man nicht niveaulos machen, natürlich nicht. Aber man soll es machen und dazu stehen und nicht so einen verlogenen Tiefgang da rein bringen."
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