Boykott der Boykotteurin

Von Catherine Newmark |
Heute wird der mit 50.000 Euro dotierte Adorno-Preis an die amerikanisch-jüdische Philosophin Judith Butler - bekannt vor allem durch ihre feministische Theorie - verliehen. Die Preisverleihung wird boykottiert vom Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt sowie der Jüdischen Gemeinde und vom Zentralrat der Juden. Stein des Anstoßes: Butlers Kritik an Israel und ihre Unterstützung von Boykottiert-Israel-Bewegungen.
Ende Mai gibt das Kuratorium in Frankfurt die diesjährige Adorno-Preisträgerin bekannt und würdigt die jüdische Philosophin Judith Butler als "eine der maßgeblichen Denkerinnen unserer Zeit".

Sofort kritisieren israelsolidarische Publizisten wie Thomas von der Osten-Sacken von der linken "Jungle World" die Entscheidung: Butler sei als radikale Israelkritikerin bekannt, die selbst zweifelhafte Boykott-Bewegungen, wie die palästinensische "Boycott, Divestment and Sanctions" unterstütze. Außerdem habe sie 2006 bei einer öffentlichen Diskussion in Berkeley gesagt, dass Hamas und Hizbollah "progressive" Bewegungen seien, und "Teil der globalen Linken".

Monate später, am 27. August, greift der Zentralrat der Juden in Deutschland die Kritik auf. Generalsekretär Stephan Kramer protestiert gegen die Preisvergabe an Judith Butler mit polemischen Worten:

"Eine bekennende Israel-Hasserin mit einem Preis auszuzeichnen, der nach dem großen, von den Nazis als 'Halbjude' in die Emigration gezwungenen Philosophen benannt wurde, kann nicht als ein bloßer Fehlgriff gelten. Nur ein Kuratorium, dem die für seine Aufgabe erforderliche moralische Festigkeit fehlt, konnte Butlers Beitrag zur Philosophie formvollendet von ihrer moralischen Verderbtheit trennen."

Drei Tage später reagiert Judith Butler in der "Zeit" auf die Debatte. Sie betont ihre eigene denkerische Prägung durch die jüdische Tradition und verwahrt sich gegen den Vorwurf, sie unterstütze Hamas und Hisbollah, verteidigt aber ihre Kritik an Israels Besatzungspolitik und ihre Unterstützung von Israel-Boykott-Bewegungen.

Zwei Tage darauf geht die Philosophin in der Frankfurter Rundschau auch noch direkt auf den Protest von Stephan Kramer gegen die Preisverleihung ein und wirft diesem vor, sie ohne Angaben von Gründen zu denunzieren. Sie verstehe zwar, dass das Thema Israelkritik in Deutschland sensibel sei. Es sei aber eine Tatsache und auch wichtig, dass sich Juden weltweit kritisch zu Israel äußerten. Wer dies als Antisemitismus abtue, verhindere jede Diskussion.

Als Antwort darauf bekräftigt Stephan Kramer am 6. September nochmals seine Kritik:

"Dass Judith Butler nach eigenem Bekunden die antiisraelische Boykottinitiative BDS (Boycott, Divestment, Sanctions) unterstützt, ist ein weiteres Indiz für ihre wahre Haltung gegenüber dem jüdischen Staat. Die BDS-Kampagne ist ein ökonomischer und politischer Schauplatz der Kriegsführung gegen Israel. Aus diesem Grund gibt es Anlass zu der Vermutung, dass die Argumentation von Professorin Butler ein Beispiel für jüdischen Selbsthass sein könnte."

Heute Nachmittag wird Judith Butler den Adorno-Preis in der Frankfurter Paulskirche entgegennehmen. Wahrscheinlich vor nicht ganz vollen Rängen. Der Zentralrat sowie die jüdische Gemeinde Frankfurt boykottieren die Israel-Boykotteurin.
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