Bräuche zu Weihnachten

Geistertanz und Honigkuchen

Furchterregende Gesellen treiben in St. Englmar (Bayern) ihr Unwesen. Mit kunstvoll handgeschnitzten Masken und wilden Pelzgewändern ziehen in der Zeit zwischen Weihnachten und Dreikönig in vielen Gemeinden im Bayerischen Wald Hexen, Teufel und Dämonen lautstark durch die Straßen, um die bösen Geister zu vetreiben.
Zwischen Weihnachten und Neujahr tanzen mancherorts noch alte Geister und Dämonen - wie hier zur Rauhnacht im bayerischen St. Englmar. © picture alliance / dpa / Armin Weigel
Von Étienne Roeder  · 23.12.2018
Heute: "Kling, Glöckchen" und Glühwein, früher: Maskentanz mit Klapperschnabel. Unsere Weihnachtsbräuche haben sich gewandelt. In seinem Buch hat der Volkskundler Reinhard Kriechbaum alte und neue Rituale versammelt.
Der Gesang ist schief und kaum jemand hört hin. Ein vertrauter Eindruck? Es könnte sich um ein Weihnachtslied handeln, das auf einem der zahlreichen Adventsmärkte zum Besten gegeben wurde. Schnell noch die letzten Geschenke besorgen, einfach nur mal drüberlaufen oder sich mit Freunden treffen und vor allem: Ja! Glühwein oder Punsch trinken.
Der Weihnachtsmarktbesuch ist mittlerweile Bestandteil des reichen Brauchtums um Weihnachten. Bräuche zu Weihnachten? Die einen rennen davon, andere umarmen sie mit puritanischer Treue. Manchen sind sie zu christlich, anderen wiederum zu profan.

Alte Bräuche in Bewegung

Der Volkskundler und Kulturjournalist Reinhard Kriechbaum fand sie so spannend, dass er ein ganzes Buch über Adventsgeschichten und Weihnachtsbräuche geschrieben hat. Und er räumt darin gleich zu Beginn mit einem weit verbreiteten Vorurteil auf:
"Ein ordentlicher Brauch ist erstens uralt und zweitens gefährdet? Beides stimmt absolut nicht! Bräuche sind unglaublich in Bewegung und werden dauernd an die Lebensrealität angepasst."
Die Lebensrealität vor Einführung der Gas,- Elektro- oder LED-Lampen war für die meisten Menschen zu Weihnachten ziemlich dunkel. Paraffin für die Kerzen war teuer und so verbrachten die Nachbarn der Häuser seit Jahrhunderten die dunklen Winternächte gemeinsam. Unter dem Licht einer gemeinsamen Kerze tauschten sie dann bei Näh- und Reparaturarbeiten Geschichten und Lieder aus.

Wenn die Biene mit dem Bischof

Man griff auf Bienenwachs zurück, um die Kerzen zu ziehen. Auch auf den Weihnachtsmärkten gibt es heute vom Honigtopf über gerollte oder gezogene Wachskerzen eine schier unendliche Auswahl an Bienenprodukten. Am 7. Dezember wird des Heiligen Ambrosius, Patron der Imker und Kerzenzieher, gedacht, dem Tag seiner Bischofsweihe. Um ihn rankt sich eine honigsüße Legende:
"Als er ein Baby war, soll sich ein Bienenschwarm auf seinem Gesicht niedergelassen haben. Aber die Bienen haben den Säugling nicht gestochen, sondern sie haben ihm Honig eingeflößt. Und daher sei die 'honigsüße' theologische Rede des heiligen Ambrosius gekommen."
Eine typische Heiligenlegende aus dem Mittelalter. Der Kirchenlehrer, der im 4. Jahrhundert in Mailand lebte, schrieb den Hymnus "Veni redemptor gentium". Er gehört in der Übersetzung 'Nun komm, der Heiden Heiland' heute zum Kernbestand adventlicher Gesänge und findet sich im Kirchengesangbuch Gotteslob.

Schutzpatron der Kerzenzieher

Kriechbaum: "Man erkennt eine Statue des heiligen Ambrosius nicht nur am Bischofshut, sondern auch am Bienenkorb, das ist sein Attribut. Und er ist der Patron der Berufe, die mit der Biene zu tun haben, also der Imker, der Wachszieher, der Kerzenzieher. Und zu diesem Berufsstand gehören auch die Lebzelter. Wer Wachs braucht, hat notgedrungen auch Honig und da drängt sich auch nicht nur die Kerzenproduktion auf, sondern auch die Produktion von Honigkuchen."
Die haben allerdings nicht notwendigerweise etwas mit der Weihnachtszeit zu tun. Die Honigkuchen, Pfefferkuchen oder Lebzelten, wie man in den Alpenländern sagt, waren ursprünglich ein Wallfahrtsgebäck. Und da man an Wallfahrtsorten viele Kerzen verbrauchte, fiel dort auch Honig ab. Dieser wurde dann für die Lebkuchen gleich mitverwendet, um den Pilgern für ihre Heimreise haltbare Speisen mit auf den Weg zu geben.

Holzmaske mit Klapperschnabel

In einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Zürich ist es Brauch, sich mit Leinengewändern zu bedecken, um dann mit aus Holz geschnitzten Masken auf dem Adventsmarkt ordentlich Rabatz zu machen. An den Masken ist neben Ziegen- oder Kuhhörnern auch noch ein weiteres Detail befestigt:
"Diese Masken haben lange Schnäbel, so krokodilartige Schnäbel, mit denen man klappern kann."
"Spräggele" werden die hölzernen Klapperer in Ottenbach bei Zürich genannt. Lange Zeit wurde ihnen ein heidnischer Ursprung nachgesagt. Reinhard Kriechbaum klärt auch diesen Mythos in seinem Buch auf.

Geistertanz der schlaflosen Kinder

"Da steckt eine ganz witzige Geschichte drunter, die überhaupt nichts mit Weihnachten zu tun hat. Das ist eine Region, in der gesponnen wurde, wo also die Textilindustrie, die Heimindustrie eine gewisse Tradition hat. Und in der Zeit vor Weihnachten ist besonders viel gesponnen worden. Und da haben Frauen und Kinder nächtelang gearbeitet."
Und wenn den Kindern dann nachts vom vielen Spinnen die Augen zu fielen, machte es Klapp!
Kriechbaum: "Und so hat man die Spräggeles erfunden. Das ist überhaupt nichts Urtümliches, sondern es hat einen pragmatischen Grund. Es ist ein Kinderaufweckbrauch."
Ob nun aufweckend oder besinnlich, besonders originell oder einfach, alt oder neu. Bräuche – besonders zur Weihnachtszeit – erfüllen alle die gleiche Aufgabe. Sie stiften Gemeinschaft, machen Spaß und können stets weiterentwickelt werden.

Reinhard Kriechbaum: Tannenbaum und Bohnenkönig. Geschichten und Bräuche rund um Advent und Weihnachten
Verlag Anton Pustet, Salzburg 2018
256 Seiten, 19,95 Euro

Mehr zum Thema