Brahms und Prokofjew aus Genf

Im Schatten zweier Riesen

99:05 Minuten
Der Cellist Kian Soltani
Spielte mit dem Orchestre de la Suisse Romande die Sinfonia Concertante für Violoncello und Orchester von Sergej Prokofjew: Kian Soltani. © Photographer: Marco Borggreveall
Moderation: Volker Michael |
Das Cello als Sinnbild des einzelnen Menschen. Es behauptet sich gegen höhere Gewalten und hört nicht auf zu singen. Kian Soltani spielt mit dem Orchestre de la Suisse Romande die Sinfonia Concertante für Violoncello und Orchester von Sergej Prokofjew. Vasily Petrenko dirigiert außerdem die erste Sinfonie von Johannes Brahms. Auch der Hamburger Romantiker hat lang gekämpft. Aber nicht wie Prokofjew gegen einen Diktator wie Stalin, sondern mit dem mächtigen Vorbild Beethoven.
In dieser Sendung machen wir einen Abstecher nach Genf in die französische Schweiz – die wird ja auch Romanische Schweiz genannt. Und deshalb heißt das größte Orchester der UNO-Weltstadt Orchestre de la Suisse Romande. Vasily Petrenko, der in England lebende russische Dirigent war zu Gast. Und eine recht kurze Anreise hatte der österreichische Cellist Kian Soltani.

Ein Märztag, zwei Todesfälle

Auf dem Programm standen zwei Sinfonien, wobei die eine davon eigentlich ein Cellokonzert ist: Die erste Sinfonie von Johannes Brahms und eine Sinfonia Concertante von einem Komponisten, in dessen Biografie der Konzerttag, der fünfte März eine besondere Bedeutung angenommen hat: Sergej Prokofjew.
Der 5. März ist nämlich sein Todestag gewesen im Jahre 1953, so weit so gewöhnlich. Nur hat die Welt es damals gar nicht mitbekommen – den fast gleichzeitig starb der große geliebte Führer des sowjetischen Volkses, der Georgier Jossif Dschugaschwilli, genannt Stalin.

Musikalische Auseinandersetzung mit Stalin

Weit bekannt ist, wie sehr Stalin die Menschen gequält hat, die in seinem Machtbereich lebten. Auch die Komponisten hat er nicht geschont. Selbst Prokofjew nicht, obwohl dieser eigentlich nicht bewusst gegen herrschende Ideologien verstoßen hat. Deshalb wird auch seine Musik gern als Auseinandersetzung mit dem Gewaltherrscher gesehen, vor allem ein Solokonzert für ein solch ausdrucksstarkes Instrument wie die Sinfonia Concertante für Violoncello und Orchester.
„Zwei große Sinfoniker“ – so war das Programm in der französischen Schweiz überschrieben. Und anders als Prokofjew oder sein Landsmann Schostakowitsch hatten es die Komponistinnen und Komponisten zur Mitte des 19. Jahrhunderts etwas schwerer, sich zur Gattung Sinfonie mit eigenen Beiträgen zu äußern. Zu groß waren nämlich die Vorbilder Haydn, Mozart und vor allem Beethoven.

Musikalische Riesen schauen über die Schulter

Johannes Brahms erste Sinfonie entstand über eineinhalb Jahrzehnte quasi hinter verschlossenen Türen. Berühmt geworden ist das, was Brahms über die Arbeit an seinem sinfonischen Erstling an den hessischen Dirigenten und Freund Hermann Levi berichtet hat: „Ich werde nie eine Symphonie komponieren! Du hast keinen Begriff davon, wie es unsereinem zu Mute ist, wenn er immer so einen Riesen hinter sich marschieren hört“.
Man mag es nicht vergleichen – aber irgendwie scheint dieser Riese (Beethoven) in Brahms‘ Seele die Dimensionen eines Diktators angenommen zu haben, wie ihn die sowjetischen Kollegen später tatsächlich erleben mussten.
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