Rainer Brambach/Günter Eich: "Nichts und niemand kann dich ersetzen. Der Briefwechsel"
Herausgegeben von Roland Berbig
Nimbus Verlag, Wädenswil 2021
543 Seiten, 44 Euro
Dokument einer außergewöhnlichen Schriftstellerfreundschaft
06:01 Minuten
Es soll eine "rauschhafte" Begegnung gewesen sein, als sich Günther Eich und Rainer Brambach zum ersten Mal begegneten. Daraus folgte ein reger Briefwechsel, der tiefe biografische Einblicke gewährt. Allein vom politischen Eich erfährt man wenig.
Dieser Briefwechsel ist literaturgeschichtlich von großer Bedeutung, auch wenn die beiden Protagonisten wohl nur noch Eingeweihten vertraut sind. Günter Eich war in den 50er-Jahren ein alles überragender Autor. Er hat die damals enorm breitenwirksame Gattung des Hörspiels fast im Alleingang revolutioniert. Auch seine Lyrik ist bis heute bedeutend. Es war zwangsläufig, dass Eich 1950 der erste Preisträger der Gruppe 47 wurde und 1959 den Büchnerpreis erhielt.
Der zehn Jahre jüngere in der Schweiz lebende Rainer Brambach blieb dagegen lange Zeit eher unbekannt. Erst um 1960 machte er mit seinen ungestümen, abseitig wirkenden und "brambachantischen" Texten etwas auf sich aufmerksam. Aber über den Status eines Geheimtipps kam er nie hinaus. Brambachs Herkunft aus desolaten, ärmlichen Verhältnissen, seine schwere körperliche Arbeit im maschinellen Gartenbau und sein völlig unakademischer Habitus trugen sicher ihren Teil dazu bei.
Rauschhaft und herzlich
Umso verblüffender ist die Freundschaft, die sich sehr schnell entwickelte. Brambach war auf einige Gedichte Eichs gestoßen und sofort elektrisiert. Er schrieb an den Dichter. Eine erste Begegnung in Basel im Mai 1951 muss rauschhaft und herzlich gewesen sein. Offensichtlich gab es zwischen den beiden eine menschliche Nähe. Sie spiegelt sich in den Briefen, ohne restlos definiert werden zu können.
Frappierend ist unter anderem, dass man Eich fast ausschließlich als Leser kennenlernt, als sorgsamen Lektor und Förderer des anfangs noch sehr ungeschliffenen Talents Brambach. Eichs Einlassungen zum literarischen Handwerk sind glänzend, Nebenbemerkungen wie diejenige zum Stil Hemingways ersetzen lange Essays.
Schwierigen Rahmenbedingungen für Schriftsteller
Vom politischen Eich erfährt man dagegen fast nichts, obwohl er in seiner Generation einer der ganz wenigen war, die sich rückhaltlos gegen die Restauration in der frühen Bundesrepublik wandten. Für ein differenziertes Eich-Bild, das in seiner Abgeklärtheit und Desillusionierung zu erstellen äußerst spannend wäre, gibt es hier viel Material.
Immer wieder erkennt man die schwierigen Rahmenbedingungen für Schriftsteller in dieser Zeit. Eich wohnte zehn Jahre lang als Untermieter bei einer bayrischen Familie, trotz seiner Berühmtheit klagt er immer wieder über finanzielle Engpässe und Arbeitsüberlastung, die nach seiner Heirat mit Ilse Aichinger eher noch zunimmt.
Erhellend und berührend
Brambachs Biografie ist dagegen davon geprägt, in den 30er-Jahren in der Schweiz mit einem deutschen Vater nicht als Staatsbürger anerkannt und sogar dem nationalsozialistischen deutschen Arbeitsdienst übergeben worden zu sein. Er flieht zurück und schlägt sich auf die mühsamste Weise durch.
Im Lauf der 60er-Jahre werden die Briefe spärlicher, was zum Teil auch an privaten (Brambach) und gesundheitlichen (Eich) Schwierigkeiten liegt. Dieses Dokument einer außergewöhnlichen Schriftstellerfreundschaft ist sehr erhellend und berührend.