Keine Alpen, keine Ostsee, aber auch ganz schön
Weite Felder, zahlreiche Seen und Flüsse, endlose Alleen - die rund 2,5 Millionen Märker haben Platz und viel Natur. Vielleicht erscheinen sie auch deshalb manchmal als ein wenig wortkarg. Eine Spurensuche zwischen Mühlberg im Norden und der Lausitz im Süden.
Leuchttürme in Brandenburg? Die Zeit ist vergangen, da die Politik von Leuchttürmen im Landstrich sprach. Wir fanden nur einen echten Leuchtturm. Und der stand einsam in einer einsamen Gegend. Das Gießkannen-Prinzip ist schon seit Jahrzehnten auf jedem Bauernhof verbreitet. Dafür geht es mit, nein, in Brandenburg bergauf, bergab. Auf einer Wegstrecke von nicht mal 5 Kilometern bezwangen wir den Wubrigsberg, den Mühlenberg und Schließkenberg. Gleich um die Ecke soll noch ein Brieseberg gen Himmel ragen, aber den haben wir nicht mehr geschafft … Ja, ja, Brandenburg und seine Berge.
Bergaussichten in Brandenburg
Ich war schon mal in Mühlberg, das liegt an der Elbe im Süden von Brandenburg.
Nicht viel hätte gefehlt, dann wäre es Mühlberg in der Elbe gewesen, und das schon zwei Mal. Die Bewohner sprechen denn auch vom "Wunder von Mühlberg", sie wollen sich aber nicht dauerhaft auf Wunder verlassen, deshalb haben sie inzwischen den Deich fertig gebaut, der aber auch schon die höchste Erhebung dort darstellt – weit und breit. Brandenburg und Berge, da ist man mit dem Aufsatz ja etwa so schnell fertig wie mit dem Thema "1000 Jahre deutscher Humor", wie jedenfalls die Angelsachsen gern über uns spotten.
Aber frei nach Richard Wagner: deutsch sein heißt eine Sache um ihrer selbst willen zu tun’. Deshalb verfügt Brandenburg sogar über ein Landesbergamt.
Chef dort ist Klaus Freytag. Bezahltes Nichtstun also?
"Wir haben viel zu tun, auch mit Bergen. Weil wir bergen Schätze, unsere Bodenschätze. Und da sind wir Mittler zwischen den Suchenden und die die vielleicht gefunden haben."
Die Berliner Bescheidenheit beschert uns immerhin den Spruch: "Wir haben zwar keine Alpen, aber wenn, dann wären sie die größten der Welt."
Im kargen Landstrich Brandenburg hat man noch nicht einmal so viel für diese Bescheidenheit übrig. Ein Blick ins Lexikon lehrt: "Das Land Brandenburg liegt im Norddeutschen Tiefland und wurde an der Erdoberfläche entscheidend durch die wiederholten Vorstöße des skandinavischen Inlandeises während des Eiszeitalters geprägt."
Die Prägung ging vor allem nach unten, vor allem, wenn es um die Kohle geht.
Freytag: "Da geht es dann auf 80/90 Meter unter Rasensole, wie man da sagt, also unter Geländekante. Wir waren aber in Brandenburg auch schon viel tiefer, wir waren in Brandenburg mit den Schächten auf Steinkohlesuche, die bis in die 50er Jahre gegangen ist, im Raum Doberlug mit Schächten immerhin bis 600 Meter Tiefe, und wir haben doch eine mehr als 8000 Meter tiefe Bohrung auch in Brandenburg, die in den 60er/70er-Jahren mit als eine der tiefsten Bohrungen abgetäuft wurde im Zusammenhang mit der Erdöl-Erdgas-Suche. Also wir waren schon verdammt tief unten – auch in Brandenburg.“
Aber der Mensch strebt nun einmal nach Höherem, also noch einmal in den Süden.
Keine 30 Kilometer östlich von Mühlberg, unmittelbar an der Grenze zu Sachsen liegt in den Grödener Bergen die Heidehöhe, die höchste topografische Erhebung Brandenburgs, immerhin 201 Meter und 40 Zentimeter über Normalnull.
Freytag: "Wir erschrecken doch schon, wo es dann doch mal mit 10 Prozent Steigung für den Radfahrer extrem wird. Das ist natürlich so das Brandenburger Maß der Berge. Wir sind da einfach von der Eiszeit überrollt worden, überschoben worden, und die haben uns die ganzen Berge genommen."
Damit man die Heidehöhe vor lauter Bäumen nicht übersieht und um sie touristisch attraktiver zu machen, wurde 2009 als Krönung oben drauf ein imposanter Aussichtsturm aus Lärchenholz errichtet.
Der überragt jetzt den Kiefernwald mit einer Höhe von 34 m und ist weithin sichtbar.
Wer die 162 Holzstufen bis zur Aussichtsplattform geschafft hat, kann bei guter Fernsicht die Berge der Oberlausitz, des Elbsandsteingebirges und sogar das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig erblicken. Richtung Brandenburg geht es dann bergab. Dort lebt man vielleicht manchmal über seine Verhältnisse, aber immerhin auf gehobenem Niveau!
Wer die 162 Holzstufen bis zur Aussichtsplattform geschafft hat, kann bei guter Fernsicht die Berge der Oberlausitz, des Elbsandsteingebirges und sogar das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig erblicken. Richtung Brandenburg geht es dann bergab. Dort lebt man vielleicht manchmal über seine Verhältnisse, aber immerhin auf gehobenem Niveau!
Ende
Brandenburgs Berge sind häufig dicht besiedelt, wahrscheinlich wegen der besseren Aussichten. Für das restliche Flachland gibt es eine "Dünnsiedlerpauschale", weil sich dort nicht so viele Menschen tummeln. Aber wo nun ist es am leersten? Und wann wird die Leere zum Loch?
Leeraussichten in Brandenburg
In Kurt Tucholskys "Soziologie der Löcher" lernt man, dass ein Loch die partielle Negation einer Totalität ist. Mit Totalität hat man es in Brandenburg nicht so, dann schon eher mit Negation. Wie also über etwas berichten, was sich durch überwiegend wenig auszeichnet, vor allem wenig Menschen? Ich gehe dahin, wo man noch ein paar Menschen vermutet, in einen Plattenbaubezirk der Landeshauptstadt Potsdam, 5500 Leute wohnen dort, in ein paar Blocks. Ein Mann schließt sein Fahrrad auf, auf seinem Shirt steht: "Ich kann nichts dafür, ich bin so!“ Leere in Brandenburg, wo wohnen am wenigsten?
"Ick würde sage an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern. Oder irgendwelche Ecken, die an de Oder sind."
Böse Zungen sagen, statistisch gesehen gilt die Uckermark als unbesiedelt, es sei denn, dass die Kanzlerin dort gerade in ihrem Wochenendhäuschen wohnt. Brandenburg ist fast 25.000 Quadratkilometer groß, das entspricht 2500 Fußballfeldern, die bekommt man bloß nicht voll, denn die Statistiker zählen etwa 83 Einwohner pro Quadratkilometer, was 8,3 pro Fußballfeld entspricht; und das wäre noch nicht einmal eine Mannschaft, die dann auch keine Gegner hätte; geschweige denn Zuschauer. Manch einem ist sogar "die Platte" in Potsdam zu einsam, er sitzt lieber mit Kumpels und trinkt einen:
"Und hier ist doch ooch nischt los hier.“
Im Länderfinanzausgleich wird Leere übrigens honoriert: so wie es ein Stadtstaatenprivileg gibt, das die Einwohner von Hamburg, Bremen und Berlin quasi veredelt, damit die beispielsweise auch Theater für das Umland bereit halten, so gibt es für MeckPomm und Brandenburg eine "Dünnsiedlerpauschale", damit die dort kein Theater machen. Aber wo, in welcher der vier Ecken des Landes ist es am leersten? Prignitz, Uckermark, Elbe-Elster oder Lausitz?
"Keene Ahnung. Hier ist alles voll besetzt die Wohnungen.“
Die Bevölkerungsentwicklung in Brandenburg ist übrigens nicht einheitlich, nach dem Motto: der Teich war im Schnitt nur 50 Zentimeter tief und doch ist unsere Kuh ertrunken. Der Brandenburger "Verflechtungsraum in der Metropolregion Berlin/Brandenburg" – so heißt Speckgürtel auf wissenschaftlich, wuchs von 1994 bis 2005 um mehr als ein Viertel auf eine Million Einwohner, während weiter abgelegene Städte und Gemeinden viele Einwohner verloren.
Immerhin wird Brandenburg bis 2030 ein Bevölkerungsrückgang um 5,8 % auf 2,36 Millionen Einwohner prognostiziert. Nur 5,8, Prozent, denn damit ist Brandenburg das einzige ostdeutsche Bundesland mit einer Minusquote im einstelligen Bereich. Der Mann mit dem Fahrrad will in die Pilze. Früher als Kind sei er mal Kommunist gewesen, sagt er noch und lässt mich mit seinen philosophischen Gedanken über die Wende zurück:
„Diese Umstellung, nicht immer andern Schuld zu geben an seiner Misere oder seinem Glück. Das Glück sagen sie ja nicht, dass die andern dafür verantwortlich sind. Immer nur, wenn’s nicht klappt. Aber jetzt habe ich genug gequatscht.“
Ende
Da jibts nischt zu meckan! Höchster Grad der Anerkennung, so ein Brandenburger dies mehr beiläufig einem Auswärtigen direktemang ins Gesicht sagt. Ein Berliner registriert dies sofort, regt sich doch sofort die Seelenverwandtschaft in ihm. Da jibts nischt zu meckan!
Nischt zu meckern
Die Euphorie Marke Brandenburg hält sich in überschaubaren Grenzen; und so kommt dann auch das Lob als Verneinung eines Negativen daher: "Da jibt et nischt zu meckern!" Das klingt jedenfalls in den Ohren von halbwegs Fremden, und das sind ja in Brandenburg einige; manches Mal ist sich der Märker sogar selber fremd, ein bisschen abwertend, ist aber gar nicht so gemeint.
"Dit sag ick ooch, ja!"
Denn das Meckern ist nicht negativ, sondern Ausdruck von Zugewandheit. Der kleine Mann auf der Straße interessiert sich eben für die Dinge um ihn herum, auch wenn sie ihm nicht gefallen; und die kleine Frau auch:
"Och, eigentlich gibt et viel zu meckern. Erst mal mit der Regierung, is immer ein Hin und Her. Für uns Bürger egal. Aber im Nachhinein wird dis in der heutigen Zeit immer schlimmer mit der Entwicklung. Politisch könnte viel weiteret besser entwickelt werden für uns Bürger, damit wir uns wohlfühlen…"
So. Das also zum Meckern. Mit einem hohen Abstraktionsgrad. Auch daran jibt et nischt zu meckern, denn ohne dieses Ventil müsste man ja in Verdrießlichkeit versinken. Das aber ist nicht brandenburgische Sache. Aber ein direkt ausgesprochenes Lob? Warum denn geradeaus, wenn es auch um die Ecke geht!
"Na ich glaube, dass die Brandenburger relativ zufrieden sind. Mit dem was sie dann vorfinden; und auch relativ schnell zufrieden zu stellen sind und da keine hohen Ansprüche haben wie andere."
Sprüche ja, Ansprüche nicht. Soweit muss es ja nicht kommen, wir sind doch hier nicht in Sachsen oder gar im Rheinland. Und auch der Ausdruck "der Brandenburger" geht eigentlich schon ein bisschen zu weit.
"Ick halte grundsätzlich von ´der Brandenburger`an sich‘ nicht viel, um dit deutlich zu sagen, weil auch da gibt’s ja Unterschiede. Also ich komm aus Eberswalde, ich weiß, dass andere – zumindest meine Erfahrung mental, zum Beispiel in der Prignitz ganz anders sind als zum Beispiel auch in der Uckermark. Also die Uckermärker sind für mich immer die Meckerer und die Spreewalder sind die eher Zufriedenen.“
Aber auch das sollte nicht pauschalisiert werden. Und mit der Zufriedenheit ist das eben auch so eine Sache:
"Naja, weil meistens hamwa ja doch irgendwat zu meckern. Aber wenn wa mal nischt zu meckern ham, dann isset wirklich perfekt."
Aber das ist eher selten.
"Also ich kenne diese Geschichten, dass man sagt, die Brandenburger – mhh! – sind eher die ruhigen und die freuen sich nicht so richtig und so. Also ich kann mich auch als Brandenburger sehr sehr doll freuen und auch sehr sehr sauer mal sein, auch deutlich machen, was ich möchte und was ich nicht möchte."
Und manchmal möchte der Brandenburger nicht mal Meckern; nicht mal, wenn es die kleine Frau von der Straße an seiner Seite gestattet:
"Nö, brauch ick nich!"
"Aber Du erzählst doch zu Hause von Politik und so!"
"Naja, zu Hause… da kannick ja auch meckern, da hört ja keener zu."
"Aber Du hast doch eenen, der zu hört."
Meckern, wenn die Frau nicht zuhört, da jibt et doch nu wirklich nischt zu meckern, oder?
Ende
Der Brandenburger hat viel Kohle im Land, aber nicht in der Tasche. Nicht weil sie, so unförmig wie sie ist, die Hosentaschen ausbeulen würde, sondern er hat einfach nicht viel Kohle in der Tasche. Arbeitsplätze und Löhne und so, Sie wissen, was wir meinen.
Kohle & Geld
Es ist ein Auslaufmodell; aber Provisorien halten ja bekanntlich am längsten.
Doch die Kohle hat ein Problem, verbrennt man sie, dann entsteht Kohlendioxid, chemisch CO2. Ein durchsichtiges Gas, geruchlos, man schätzt es, wenn es gelöst im Wasser zu Kohlensäure wird, aber der Streit geht ja nicht um Cola statt Kohle, es geht um das CO2 in der Atmosphäre. Das Gas heizt sie auf, wenn über Brandenburg die Sonne lacht, weinen die Klimaschützer. Der CO2-Ausstoß in Brandenburg hat in den letzten beiden Jahren jedenfalls zugenommen, das Land kann die selbst gesteckten Ziele beim Klimaschutz nicht einhalten. Der Landesvater Dietmar Woidke von der SPD dagegen freut sich:
"Wir werden heimische Energieträger, konventionelle Energieträger so lange brauchen, bis wir rund-um-die Uhr-Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit bei Erneuerbaren haben!“
Das könnte so etwa am Sankt-Nimmerleinstag der Fall sein. Die Kohleverbrennung wird zwar als Brückentechnologie bezeichnet, Kritiker befürchten aber schon, Plan sei es die Brücke bis in die Unendlichkeit zu verlängern, bzw. irgendwann ist ja zwangsläufig Schluss, wenn nämlich alle Kohle alle ist. “Der liebe Gott hat die Lausitz gemacht", sagt man dort und fährt fort: "und der Teufel die Kohle unter ihr!"
Durch das Absenken des Grundwassers, um die Kohle aus dem Boden zu holen, kommt Eisen mit Luft in Berührung, es rostet. Steigt das Grundwasser wieder an, löst sich der ockerfarbene Schlamm und färbt die Fließe braun. Eine Gefahr für den Spreewald, schon jetzt hervorgerufen durch die ehemaligen Tagebaue aus DDR-Zeiten; und die Verockerung schreitet fort. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace demonstriert immer wieder mit einem riesigen aufblasbaren Baggerrad gegen die Verstromung der Kohle.Greenpeace-Experte Karsten Smid:
"Wir produzieren momentan mehr Strom, als wir überhaupt in Deutschland verbrauchen. Und wir exportieren den klimaschädlichen Braunkohlestrom in unsere Nachbarländer. Das macht klimapolitisch keinen Sinn. Niemand will an der Braunkohle mehr festhalten, selbst der Konzern Vattenfall will raus aus der Braunkohle."
Aber die Landesregierung hängt an den 4200 Arbeitsplätzen in der Lausitz und zielt auf einen Kompromiss, vermutlich zu Lasten Dritter. Die Dritten, das sind wir bzw. das ist die Umwelt, mit der die Regierung umgeht, als hätte sie noch eine zweite im Kofferraum. Die LINKE hat - wie dialektisch - gleich zwei Meinungen zur Kohle. Offiziell will sie aussteigen, inoffiziell hat sie in der letzten Legislaturperiode einer Ausweitung des Kohleabbaus zugestimmt. Jetzt sagt der LINKE Parteichef Christian Görke:
"Wir glauben, dass das Braunkohlefenster sich schließt bis 2040. Einen weiteren Tagebau braucht man nur, wenn man ein neues Kraftwerk baut."
Görke ist Finanzminister des Landes und hat von daher auch Ahnung von Kohle.
Wie man sie wirklich verbrennt – und das noch einigermaßen klimaneutral – das lässt sich täglich an einem magischen Ort in Brandenburg beobachten: am Flughafen BER.
Ende
Früher beeinflusste das Märkische die berliner Sprache, heute macht sich immer mehr Berlinisch im Brandenburger Land breit. Damals ist lange her und Berlin war noch nicht der Moloch. Heute setzen sich immer mehr Berliner auf einen brandenburger Flecken und sagen : Hier sitz ich, ich kann nicht anders. Er bleibt also, siedelt sich an. Und irgendwann dann wird man von ihm, natürlich ganz leise vernehmen : Respekt, Respekt.
Respekt, respekt
So, meine lieben Brandenburgerinnen und Brandenburger, es wird mal Zeit für ein Kompliment. Zu einer echten Liebeserklärung reicht es dann doch nicht, aber das erspart Euch die Verlegenheit, dass Ihr am Ende noch rot werden müsst, wo Ihr doch schon rotrot regiert seid. Unverrückbar in meinem Herz seid Ihr sowieso, weil Ihr wirklich und wahrhaftig eine Stadt namens Calau in Euren Reihen habt; und ich an Kalauern so schwer vorbeikomme.
So sitze ich also an einem Tisch auf dem Markt am Südstern, das ist Kreuzberg, das ist Berlin! "Und wieso denn Berlin?" werdet Ihr fragen. Genau deshalb, weil es nicht dazu gehört und doch irgendwie dazu gehört. Weil Brandenburg das einzige, oder vielleicht einmal der falsche Ausdruck, der Berliner und Brandenburger so eint: das einzigste!, also weil Brandenburg ein Bundesland mit einem Loch in der Mitte ist. Eine Randexistenz also, mit gleich zwei Rändern: dem inneren, Speckgürtel genannt und dem Äußeren, vornehm Peripherie, weniger vornehm Pampa genannt. Mit Mühe müssen Berliner diese Geografie erst einmal erlernen, dass sie nicht mehr Prignitz und Uckermark miteinander verwechseln, dass sie wissen wo die Lausitz liegt, denn normalerweise kommen sie nur bis zum Spreewald, und dass Elbe-Elster tatsächlich ein Landkreis in Brandenburg und nicht in Sachsen ist, obwohl da viele schon so sprechen, oder noch.
Denn das lehrte mich die Arbeit über die Folgen des Wiener Kongresses: dass danach aus den Nordsachsen die "Musspreußen" wurden. Aber auch das gehört zu Brandenburg: dass es nicht nur preußisch ist, sondern sich die besten preußischen Tugenden herausgesucht hat: Toleranz bis hin zur Uninteressiertheit und Pünktlichkeit, noch immer sind es meist Wessis, die zu spät kommen.
Mit der Geografie ist das für mich persönlich sowieso so eine Sache: denn ich bin nicht nur Berliner, sondern auch aus, ähem, wie hieß das noch im Jargon der Ost-Herrscher: aus der Selbstständigen politischen Einheit Westberlin.
Wessi also nicht, Ossi auch nicht, sondern aus einem Ort mit nur Osten drum herum, damals. Von den Schönheiten des Landes, und da soll nicht von den Frauen die Rede sein, also von den Naturschönheiten hatte ich wenig Ahnung; das ist nun glücklicherweise anders: ich weiß wie es aussieht, wenn der Nebel über die Kyritz-Ruppiner Heide wabert, wenn Schnee im Schlaubetal liegt, wenn Libellen über Seerosen in Dahme oder Spree fliegen; und ich liebe es.
Und ich mag nicht nur das Land, ich mag auch die Leute: nicht ganz so hektisch wie Berliner, die Klappe groß, aber nicht ganz so weit aufgerissen wie in der Bundeshauptstadt. Während dort der Leitspruch ist: "Wir können allet, bloß nüscht richtig!", geht es hier auch `ne Nummer kleiner. Keine Alpen, keine Ostsee, aber auch so ganz schön: das Gesicht der Landschaft, das hauptsächlich die letzte Eiszeit hier geprägt hat. So heißen folgerichtig die meisten der Landkreise auch nach den Flüssen, die sie begrenzen oder durchziehen: Havel, Oder, Dahme, Spree, Elbe, Elster. Flüsse, die bei jedem Hochwasser ein bisschen so sind wie die Bewohner des Landes: sehr entgegenkommend!