Kritik staut sich auf
Brasilien deckt fast 80 Prozent seines Strombedarfs mit Wasserkraft. Doch diese Energiegewinnung ist nicht so sauber, wie es auf den ersten Blick scheint. Der Widerstand wächst und die Suche nach Alternativen hat längst begonnen.
Wie ein silbernes Band, so fließt der Tapajos durch das dichte Immergrün des Amazonas-Regenwaldes. An seinem sandigen Ufer, nahe der Gemeinde Sawré Muyby haben sie sich versammelt, Munduruku-Krieger aus allen 120 Dörfern der Region. Sie tanzen im Kreis, Körper und Gesichter bemalt mit dem schwarzen Saft der Janipapo-Frucht: Sie protestieren gegen die Pläne der Regierung, hier, an ihrem Fluss, ein Mega-Wasserkraftwerk zu bauen: sieben Staustufen, 10 Megawatt. Kazike Seu Joares erklärt, was das für sein Volk bedeuten würde.
"Die Staudämme werden unser Land direkt betreffen. Hier wird alles überschwemmt. Das Land, auf dem wir jagen, die Zuflüsse, in denen wir fischen, von denen wir trinken, unsere heiligen Städten unser Leben wird ausgelöscht, von all dem hier wird vielleicht eine Insel übrigbleiben."
Es sind nicht nur die Munduruku am Tapajos – der Widerstand gegen Wasserkraftwerke in der Amazonas-Region wächst, vor allem gegen Megaprojekte wie den Staudamm Belo Monte am Xingú-Fluss oder jetzt, das Kraftwerk am Tapajós: Dass dadurch saubere Energie produziert werde, sei eine Mär, sagt Danicley de Aguilar von Greenpeace Brasilien:
"Brasiliens Regierung hält an der Wasserkraft am Amazonas fest. Da es hier keine Schluchten gibt, sondern in der Ebene gestaut wird, werden gigantische Waldflächen abgeholzt oder geflutet. Die verfaulenden Pflanzen in den Staubecken setzen zusätzlich gigantische Mengen an Treibhausgasen frei. Mittlerweile sind fast alle Amazonaszuflüsse mit Staudämmen besetzt. Hier steht das Gleichgewicht des ganzen Ökosystems des Amazonasbeckens auf dem Spiel."
Fehlende Effizienz der Megaprojekte
Es ist weniger die Sorge um das Ökosystem, die langsam doch zu einem Umdenken führen könnte – sondern die fehlende Effizienz der Megaprojekte. Die Proteste verzögern den Bau, Entschädigungszahlungen und Umweltauflagen kosten Geld, dazu sind Megaprojekte immer auch Brutstätten für Korruption. Der Energieexperte Roberto Schaeffer:
"Entgegen der offiziellen Ankündigungen, stellen wir fest, dass die Skepsis zunimmt. Dazu kommt, dass die Wassermengen am Amazonas in Regen-und Trockenzeiten extrem schwanken. Und damit auch die Menge der produzierten Energie in den Turbinen. Wir gehen davon aus, dass der Anteil der Wasserkraft am brasilianischen Energiemix zurückgehen wird."
Bisher wird fast 80 Prozent des Stroms in Brasilien aus Wasserkraft gewonnen. Was könnten saubere Alternativen sein? In den letzten zehn Jahren hat vor allem die Windenergie einen Boom erlebt, mit 8000 Kilometern Küste und konstantem Wind gilt Brasilien nach Deutschland und China als drittgrößter Wachstumsmarkt. Heute liefern über 80 Windparks rund fünf Prozent des brasilianischen Stroms, Kleinbauern verpachten ihre Äcker für Windräder. Das jährliche Onshore-Potential Brasiliens beträgt fast 350 Gigawatt, mehr als das Vierfache davon, was das Land derzeit insgesamt an Strom produziert. Großes Potential sieht Schaeffer bei der kombinierte Nutzung verschiedener Quellen. Beispielsweise die Kombination von Solar – und Biomasseanlagen.
"Eine wichtige Rolle wird in Zukunft sicher die konzentrierte Solarthermie spielen. Also die Stromerzeugung durch Wärme. Tagsüber könnte die durch gebündelte Sonnenenergie entstehen und nachts durch die Kombination mit Biomasseanlagen. Das wird zunehmen: Biomasse nicht mehr nur zu Gewinnung von Treibstoffen zu nutzen. Sondern zur Effizienzsteigerung bei der Stromgewinnung."
Solarenergie als Problemkind
Noch ist Solarenergie das Problemkind in Brasilien, trotz eines enorm großen Potenzials. Die aktuelle Krise und der schwache Real bedeuten eine Bremse für Investitionen, auch für Projekte, die sich bereits in der Planung befinden. Größere Erfolgschancen haben kleine, dezentrale Projekte. Beispiel: Der neue Parkplatz der Föderalen Universität von Rio de Janeiro – die darauf installierten Solarpanels generieren Energie, die direkt auf dem Campus verwendet wird – das spart rund 15.500 Euro auf der jährlichen Stromrechnung, erklärt Suzana Kahn, die das Projekt mit angetrieben hat:
"Brasilien und Rio de Janeiro haben extrem viele Sonnenstunden pro Tag und die niedrigste Intensität ist immer noch besser als die höchste in Deutschland. Dazu sind die Preise für die Installierung gefallen. Außerdem wird so eines der größten Probleme Brasiliens umgangen: Die Gewinnung fern ab der Nutzugszentren, denn beim Transport geht ja extrem viel verloren. Auch deswegen ist es wichtig, das Brasilien mehr auf dezentrale Generierung setzt."
Zurück am Tapajós-Fluss, am Amazonas. Es ist Abend geworden, Licht gibt es jetzt nur noch über einen dieselbetriebenen Stromgenerator. Die in den Wasserkraftwerken der Region produzierte Energie wird abtransportiert, die lokale Bevölkerung profitiert nicht davon. Nicht einmal das, sagt Munduruku-Kriegerin Maria Leusa:
"Unser Traum ist, diesen Fluss am Leben zu halten, denn er erhält uns am Leben. Es ist ein Geben und Nehmen. Wir respektieren die Mutter Natur genauso wie sie uns respektiert."