Brasilien

Zu viel Gift in der Landwirtschaft

Landwirtschaftliche Maschinen bei der Sojaernte im brasilianischen Bahia
In keinem anderen Land auf der Erde werden so viele Pflanzenschutzmittel versprüht wie in Brasilien (hier ein Bild von der Sojaernte). © dpa / picture alliance / Sebastiao Moreira
Von Julio Segador |
In Brasilien werden jährlich mehr als eine Milliarde Liter Schädlingsbekämpfungsmittel vergossen. Das ist viel Chemie, die sich dann auch in den Lebensmitteln wiederfindet und das Wasser kontaminiert. Verbraucherschützer schlagen Alarm.
Mais- und Sojafelder soweit das Auge reicht. Die Landwirtschaft bestimmt das Bild im Bundesstaat Paraná, im Süden Brasiliens. Der deutschstämmige Landwirt Egon Welz ist zufrieden.
Sein Mais sieht perfekt aus, hochgewachsen, goldgelb, Probleme mit Schädlingen hat er kaum. Früher war das anders. Inzwischen verwendet der Landwirt gentechnisch-verändertes Saatgut, dazu spritzt er Glyphosat, ein weit verbreitetes Pflanzenschutzmittel. Egon Welz schwört darauf.
"Ich denke, dass es nur positive Effekte hat. Zwar hört man ständig Leute klagen, dass es schädlich sei für die Gesundheit. Aber dazu kann ich nichts sagen."
Wie Egon Welz verwenden tausende Landwirte in Brasilien Glyphosat und andere Pflanzenschutzmittel. Die Kombination mit dem Gen-Saatgut verspricht einen glänzenden Ertrag, suggerieren die Anbieter. Über mögliche gesundheitliche Folgen schweigen sie sich dagegen aus.
Wanderlei Antonio Pignati ist Arzt und forscht an der Universität von Cuiabá im landwirtschaftlich geprägten Bundesstaat Mato Grosso. Seine Bilanz der eingesetzten Pflanzenschutzmittel fällt weniger positiv aus. Für ihn sind sie verantwortlich für Gesundheitsschäden bei der Bevölkerung, für Krebs, Allergien, Diabetes.
"Wir haben im Grundwasser, im Regenwasser und in der Luft Spuren der Pflanzenschutzmittel gefunden; ebenso in Fischen und Fröschen, sogar in der Muttermilch der Bewohner hier; auch im Blut und im Urin der Feldarbeiter."
In keinem anderen Land auf der Erde werden so viele Pflanzenschutzmittel versprüht wie in Brasilien. Pro Jahr sind es mehr als eine Milliarde Liter. Durchschnittlich entfallen damit auf jeden Brasilianer circa 5,2 Liter Gift pro Jahr. Bezogen auf den Agrar-Bundesstaat Mato Grosso hat Wanderlei Antonio Pignati noch alarmierendere Zahlen:
Es gibt zu wenig Waren aus ökologisch-nachhaltiger Produktion
"In Mato Grosso liegt der durchschnittliche Einsatz bei umgerechnet 50 Liter pro Person. In manchen Regionen geht dieser Wert bis auf 150 Liter hoch. In Lucas Verde, wo ich meine Untersuchungen durchführe, sind es sogar 300 Liter. Alleine dort wurden im vergangenen Jahr fünf Millionen Liter verspritzt."
Den Landwirten in Brasilien bleibt meist keine andere Möglichkeit, als die Pflanzenschutzgifte einzusetzen. Sie haben sich den internationalen Großkonzernen sozusagen ausgeliefert, bekommen vom Saatgut über den Dünger und die Schädlingsbekämpfungsmittel das gesamte Sortiment.
Und nur der Einsatz des gesamten Pakets verspricht auch hohe Produktivität. Die Risiken und Nebenwirkungen werden beiseitegeschoben. Was die Verbraucherschutzverbände mit großer Sorge sehen.
Sie setzen darauf, dass die Verbraucher ein kritisches Bewusstsein entwickeln. Für Renata Amaral vom Verbraucherschutzverband IDEC in Sao Paulo dient Deutschland als Vorbild. Noch aber sei Brasilien nicht so weit, erklärt sie.
"Ich glaube, dass die Verbraucher verstanden haben, dass die Pflanzenschutzgifte ein Problem sind. Ein Teil des Problems ist, dass in Brasilien die Produktion von Bio-Produkten zu klein ist.
Es gibt zu wenig Waren aus ökologisch-nachhaltiger Produktion. Und was die gentechnisch-manipulierten Produkte angeht: es ist für die Verbraucher schwierig, die Gefahren und den Zusammenhang mit den Pflanzenschutzgiften zu verstehen."
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