Brasiliens Computer-Kinder
Herrliche Tropensonne, Traumstrände, schönes Wetter fast das ganze Jahr - und dennoch hängen brasilianische Kinder länger vor dem Computer als mitteleuropäische, wie eine Studie ergeben hat. Zu den Gründen wird die hohe Gewaltrate im öffentlichen Raum gezählt.
Typische brasilianische Großstadtkinder sind das - Paulo, Mateus und Carol aus der Megacity Sao Paulo, alle um die sechs, sieben Jahre alt und durchweg schon seit einigen Jahren Computercracks.
"Unsere Mütter lassen uns nicht auf die Straße zum Spielen", sagen sie einhellig, "wegen der vielen Autos und der anderen Gefahren. Da war doch ein Überfall direkt vor der Schule. Eigentlich sind wir fast den ganzen Tag am Computer, am Fernsehen - Videogames haben wir am liebsten."
Dazu muss man wissen, dass in brasilianischen Haushalten der Fernseher gewöhnlich morgens beim Aufstehen eingeschaltet wird und bis zum Schlafengehen läuft - oder schlimmer noch, nicht wenige Kinder es vorziehen, bei eingeschaltetem TV zu schlummern. Alle haben bereits intensive Erfahrung mit Killerspielen, zumal die großen multinationalen Herstellerfirmen immer mehr davon in Brasilien ansiedeln - ob im Slum Cidade de Deus von Rio de Janeiro oder auch in Sao Paulo.
"Ich spiele das Videogame mit der Cidade de Deus, da kann man einen ganzen Haufen Leute umlegen, sogar Polizisten killen", sagt Mateus.
In brasilianischen Wohnungen krabbeln gar nicht selten bereits Kleinkinder um die zwei Jahre beinahe den ganzen Tag zwischen Computer und Fernseher hin und her, was den Müttern sehr recht ist. "Da kann ich in Ruhe meine Hausarbeit erledigen und weiß, dass das Kind keinen Blödsinn macht", hört man oft. Oder gar: "Das Internet ersetzt jetzt das Kindermädchen."
Bereits 2005 hatte eine Weltstudie ergeben, dass brasilianische Kinder pro Tag mit durchschnittlich drei Stunden und 31 Minuten deutlich länger vor dem Fernseher sitzen als nordamerikanische, französische oder deutsche. Nun hat die brasilianische Filiale des US-Medienforschungsinstituts Millward Brown einen solchen Vorsprung auch bei der Computernutzung bestätigt, dafür ausländische Vergleichsstudien ausgewertet und qualitative Untersuchungen mit brasilianischen Kindern zwischen zwei und elf Jahren angestellt.
Dass bereits Zweijährige einbezogen wurden, macht den Unterschied deutlich. Denn deutsche Untersuchungen beginnen erst mit Sechsjährigen, die weit weniger herumsurfen, mit Videogames ihre Freizeit füllen als brasilianische Gleichaltrige, denen "draußen spielen" viel weniger die liebste Beschäftigung ist. Das Medienforschungsinstitut Millward Brown stellte fest, dass unter zwölf repräsentativen Industriestaaten und Schwellenländern just in Brasilien die Kinder am längsten online sind - etwa 70 Stunden pro Monat. Und damit etwa doppelt soviel wie die deutschen.
Giselle Agnelli in Sao Paulo, Mitverfasserin der Studie:
"Wir haben ein extrem gravierendes Sicherheitsproblem, das alle sozialen Schichten erreicht. Die Kinder spielen nicht mehr auf der Straße - das ist Fakt. Die Mütter haben Angst, dass ihre Kinder auf der Straße bleiben könnten - die sogenannte Kultur des Zimmers ist sehr stark. Die Kinder bleiben mehr Zeit alleine, quasi eingesperrt. Doch sie mögen auch dieses Alleinsein, sie sagen das offen, ziehen es vor, Videogames ganz alleine zu spielen. Das führt zu Individualisierung."
Wenn die brasilianischen Mütter sich so viele Sorgen machen - kontrollieren sie dann wenigstens, dass ihre Kinder sich am Computer nicht mit Gewalt und Pornografie befassen? Denn entsprechende Games und Videos gibt es in Brasilien im Straßenverkauf spottbillig beinahe an jeder Ecke. Giselle Agnelli:
"Wir haben während der Untersuchung in den Test-Gruppen schockiert festgestellt, dass die Eltern zwar sagen, sehr auf Kontrolle zu achten - doch was taten sie effektiv, wurden beispielsweise Präventiv-Softwares installiert? Nichts davon - sie wissen gar nicht, wie man das macht, schauen nicht mal hin, kontrollieren weder den TV- noch Internet-Konsum ihrer Sprösslinge. Bei den Müttern haben wir nie irgendeine tiefere Besorgnis gespürt. Als ob sie nicht verantwortlich für die Bildung der Kinder seien."
Medienforscherin Giselle Agnelli weiß, dass Kinder in den stark von Gewalt geprägten Slums nur zu oft allen erdenklichen Horror - ob Blutbäder, Scheiterhaufen oder Lynchpraktiken - ganz real im Alltag erleben. Daher existiert bei den Eltern gewöhnlich keinerlei Problembewusstsein, wenn ihre Kinder bereits sehr früh auch im Internet auf Gewalt und Gewaltpornographie zugreifen. Brasilien zählt weltweit zu den größten Produzenten derartiger Videos und Games, auch von Kinderpornografie.
"Wir haben zudem festgestellt, dass die Kinder in Brasilien mehr per Internet miteinander kommunizieren als in anderen Ländern. Die Hälfte schließt hier Freundschaften bevorzugt per Internet. Mütter sind glücklich, je mehr Freunde der Sohn im Orkut hat. Aber welche Art von Freunden das ist - darüber wird nicht diskutiert."
"Unsere Mütter lassen uns nicht auf die Straße zum Spielen", sagen sie einhellig, "wegen der vielen Autos und der anderen Gefahren. Da war doch ein Überfall direkt vor der Schule. Eigentlich sind wir fast den ganzen Tag am Computer, am Fernsehen - Videogames haben wir am liebsten."
Dazu muss man wissen, dass in brasilianischen Haushalten der Fernseher gewöhnlich morgens beim Aufstehen eingeschaltet wird und bis zum Schlafengehen läuft - oder schlimmer noch, nicht wenige Kinder es vorziehen, bei eingeschaltetem TV zu schlummern. Alle haben bereits intensive Erfahrung mit Killerspielen, zumal die großen multinationalen Herstellerfirmen immer mehr davon in Brasilien ansiedeln - ob im Slum Cidade de Deus von Rio de Janeiro oder auch in Sao Paulo.
"Ich spiele das Videogame mit der Cidade de Deus, da kann man einen ganzen Haufen Leute umlegen, sogar Polizisten killen", sagt Mateus.
In brasilianischen Wohnungen krabbeln gar nicht selten bereits Kleinkinder um die zwei Jahre beinahe den ganzen Tag zwischen Computer und Fernseher hin und her, was den Müttern sehr recht ist. "Da kann ich in Ruhe meine Hausarbeit erledigen und weiß, dass das Kind keinen Blödsinn macht", hört man oft. Oder gar: "Das Internet ersetzt jetzt das Kindermädchen."
Bereits 2005 hatte eine Weltstudie ergeben, dass brasilianische Kinder pro Tag mit durchschnittlich drei Stunden und 31 Minuten deutlich länger vor dem Fernseher sitzen als nordamerikanische, französische oder deutsche. Nun hat die brasilianische Filiale des US-Medienforschungsinstituts Millward Brown einen solchen Vorsprung auch bei der Computernutzung bestätigt, dafür ausländische Vergleichsstudien ausgewertet und qualitative Untersuchungen mit brasilianischen Kindern zwischen zwei und elf Jahren angestellt.
Dass bereits Zweijährige einbezogen wurden, macht den Unterschied deutlich. Denn deutsche Untersuchungen beginnen erst mit Sechsjährigen, die weit weniger herumsurfen, mit Videogames ihre Freizeit füllen als brasilianische Gleichaltrige, denen "draußen spielen" viel weniger die liebste Beschäftigung ist. Das Medienforschungsinstitut Millward Brown stellte fest, dass unter zwölf repräsentativen Industriestaaten und Schwellenländern just in Brasilien die Kinder am längsten online sind - etwa 70 Stunden pro Monat. Und damit etwa doppelt soviel wie die deutschen.
Giselle Agnelli in Sao Paulo, Mitverfasserin der Studie:
"Wir haben ein extrem gravierendes Sicherheitsproblem, das alle sozialen Schichten erreicht. Die Kinder spielen nicht mehr auf der Straße - das ist Fakt. Die Mütter haben Angst, dass ihre Kinder auf der Straße bleiben könnten - die sogenannte Kultur des Zimmers ist sehr stark. Die Kinder bleiben mehr Zeit alleine, quasi eingesperrt. Doch sie mögen auch dieses Alleinsein, sie sagen das offen, ziehen es vor, Videogames ganz alleine zu spielen. Das führt zu Individualisierung."
Wenn die brasilianischen Mütter sich so viele Sorgen machen - kontrollieren sie dann wenigstens, dass ihre Kinder sich am Computer nicht mit Gewalt und Pornografie befassen? Denn entsprechende Games und Videos gibt es in Brasilien im Straßenverkauf spottbillig beinahe an jeder Ecke. Giselle Agnelli:
"Wir haben während der Untersuchung in den Test-Gruppen schockiert festgestellt, dass die Eltern zwar sagen, sehr auf Kontrolle zu achten - doch was taten sie effektiv, wurden beispielsweise Präventiv-Softwares installiert? Nichts davon - sie wissen gar nicht, wie man das macht, schauen nicht mal hin, kontrollieren weder den TV- noch Internet-Konsum ihrer Sprösslinge. Bei den Müttern haben wir nie irgendeine tiefere Besorgnis gespürt. Als ob sie nicht verantwortlich für die Bildung der Kinder seien."
Medienforscherin Giselle Agnelli weiß, dass Kinder in den stark von Gewalt geprägten Slums nur zu oft allen erdenklichen Horror - ob Blutbäder, Scheiterhaufen oder Lynchpraktiken - ganz real im Alltag erleben. Daher existiert bei den Eltern gewöhnlich keinerlei Problembewusstsein, wenn ihre Kinder bereits sehr früh auch im Internet auf Gewalt und Gewaltpornographie zugreifen. Brasilien zählt weltweit zu den größten Produzenten derartiger Videos und Games, auch von Kinderpornografie.
"Wir haben zudem festgestellt, dass die Kinder in Brasilien mehr per Internet miteinander kommunizieren als in anderen Ländern. Die Hälfte schließt hier Freundschaften bevorzugt per Internet. Mütter sind glücklich, je mehr Freunde der Sohn im Orkut hat. Aber welche Art von Freunden das ist - darüber wird nicht diskutiert."