Der "Immerather Dom" wird Opfer des Tagebaus
Er ist eines der großen Symbole im Kampf um die Braunkohle: der "Immerather Dom". Mit dem Tagebau ist Immmerath längst zum Geisterdorf geworden, heute wird nun auch die katholische Basilika durch RWE abgerissen.
"Das ist meine Heimat gewesen, bin vor vier Jahren umgesiedelt. Und wenn ich jetzt die Kirche sehe, wo ich getauft, geheiratet habe und die wird jetzt abgebrochen – das ist schon sehr, sehr hart."
Heinz Aretz stehen die Tränen in den Augen. Der 75-jährige gebürtige Immerather blickt durch den Bauzaun auf die stattliche Sankt Lambertus Kirche, von den Einheimischen liebevoll "Immerather Dom" genannt. In weniger als zwölf Stunden wird die Basilika Opfer des Tagebaus.
"Das kann man mit Worten nicht beschreiben, das tut einem in der Seele weh. Ein Dorf, wo meine Familie vor 250 Jahren nachweislich hingekommen ist, weg. Ich bin der letzte. Weg."
2013 fand der letzte Gottesdienst statt im Immerather Dom, danach wurde das Inventar in andere Kirchen gebracht, einige Glocken in den Kirchenneubau acht Kilometer entfernt, die Altäre bis nach Polen. In den vergangenen Tagen bauten Denkmalschützer die Glasfenster in letzter Minute aus.
Am anderen Ende des Bauzauns stimmt der Kölner Liedermacher Gerd Schinkel Abschiedstöne an. Etwa 200 Zaungäste, Kohle-Gegner sind zu einer Mahnwache gekommen.
Die tausendjährige Dorfgeschichte wird ausgelöscht
Unter den Klima-Aktivisten ist auch Dirk Jansen vom BUND. Seit Jahrzehnten begleitet er den Kampf gegen den Tagebau Garzweiler, beklagt, wie Stück für Stück Heimat verheizt werde:
"Mit dem Immerather Dom wird eine mehr als tausendjährige Geschichte dieses Dorfes ausgelöscht. Es ist nicht mehr zu rechtfertigen, dass hier so massiv eingegriffen wird in die Grundrechte der Menschen, in die Natur, und das Klima obendrein verheizt wird für Braunkohlestrom, der letztlich in den Export geht. Deswegen müssen wir schnellstens raus aus der Kohle."
Vor zehn Jahren hat der BUND eine ein Hektar große Wiese im Tagebau-Gebiet besetzt – das erste Klima-Camp im Rheinland. Nachdem das Stück Land geräumt und weggebaggert wurde, klagte sich der BUND durch alle Instanzen, bis hin zur Verfassungsbeschwerde, der schließlich im Dezember 2013 stattgegeben wurde. Die Zerstörung der Dörfer und die Umsiedelung tausender Menschen sei verfassungswidrig, sagt Dirk Jansen und fordert eine Gesetzesreform: Es könne nicht sein, das ein Bergrecht, das ursprünglich auf die Kaiserzeit zurückgehe, das Grundrecht breche:
"Und letztendlich können sich die Betroffenen erst dann zur Wehr setzen, wenn der Bagger buchstäblich vor der Tür steht. Das ist ein Unding. Und daher ist der Gesetzgeber gefordert, dieses Bergrecht auf die Müllkippe der Geschichte zu schmeißen, und auch wie andere Fachplanungsrechte eine Abwägung zu ermöglichen und überhaupt die Frage zuzulassen, ob wir diesen Energieträger überhaupt noch brauchen."
Die Landesregierung steht zur Braunkohle
Argumente, die weder den Energiekonzern RWE noch die Landespolitik beeindrucken. Die Braunkohle erfährt ungebrochenen politischen Rückhalt, erklärt Konzern-Sprecher Guido Steffen:
"Die frühere rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat in ihrer Leitentscheidung im Sommer 2016 erneut festgestellt, dass die Braunkohle noch viele Jahre für die Energieversorgung erforderlich ist. Sie hat mit der Leitentscheidung zwar den Tagebau Garzweiler verkleinert, jedoch nicht den Bereich von Immerath, sondern von Holzweiler. Die amtierende Landesregierung hat die Leitentscheidung bestätigt."
Deutschland hat derzeit riesige Strom-Überkapazitäten, weil immer mehr Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Doch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hält an dem fossilen Energieträger fest – 8000 Menschen arbeiten hierzulande noch in der Braunkohle - und Laschet hat einen neuen Plan: Er will Belgien mit Braunkohle-Strom versorgen, damit das Nachbarland seine maroden Atommeiler abstellt.
Das Gebet der Klima-Aktivisten in Immerath – es klingt wie ein Stoßgebet. Kein katholischer Kirchenvertreter ist bei der Mahnwache dabei. Aber der evangelische Pfarrer aus dem Nachbarort Lövenich. Widerstand zu leisten sei schwierig, berichtet er.
"Ich erlebe Leute hier, die sich nicht wehren, die so unter Druck sind – die sagen: Wir können nicht mehr. Und denen wird knallhart von RWE und der Stadt Erkelenz gesagt: Es ist unser Ermessen, was wir Ihnen geben und wo wir es Ihnen geben. Und das halten Sie mal durch."