Nicht nur im Tagebau Jänschwalde in Brandenburg gibt es ein Grundwasserproblem. An zahlreichen Orten bundesweit ist nicht mehr genügend Grundwasser vorhanden, um die Bewohner zu versorgen. Das liege an dem klimabedingten Trend von zu wenigen Niederschlägen im Sommer, sagt Jörg Rechenberg, Leiter des Grundsatzfachgebiets Wasser und Boden beim Umweltbundesamt in Dessau.
Tagebau-Stopp in Jänschwalde
Zu viel Grundwasser entnommen: Im Tagebau Jänschwalde darf nun nur noch bis zum 15. Mai Braunkohle gefördert werden. © picture alliance / Andreas Franke
Der Streit ums Grundwasser
08:50 Minuten
Ein Gericht hat festgelegt, dass der Lausitzer Braunkohletagebau Jänschwalde bald schließen muss. Die klagenden Umweltschützer haben gewonnen. Doch nicht nur eine Grünenpolitikerin bezweifelt, dass der Umwelt damit wirklich geholfen ist.
Im Tagebau Jänschwalde in der Lausitz in Brandenburg darf nur noch bis zum 15. Mai Braunkohle gefördert werden – so eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Cottbus. Die Deutsche Umwelthilfe und die Grüne Liga – zwei bundesweit agierende Natur- und Umweltschutzverbände – hatten gegen den Betreiber, den Kohlekonzern LEAG, geklagt.
„Wir haben festgestellt, dass seit 2017 Grundwasser illegal abgepumpt wurde“, sagt René Schuster, Bundesvorsitzender der Grünen Liga. „In Summe ist sechs Mal das Volumen des Müggelsees hier rausgepumpt worden, ohne Erlaubnis.“ Verantwortlich dafür: der Konzern LEAG.
Schuster macht seine Vorwürfe an einem konkreten Jahr fest, das auch Grundlage der Klageschrift ist: 2020 ließ das Unternehmen im Tagebau Jänschwalde demnach rund 114 Millionen Kubikmeter Grundwasser fördern. Obwohl laut Hauptbetriebsplan nur 42 Millionen Kubikmeter gestattet waren.
Ruf nach Recht und Gesetz
Die LEAG habe also knapp drei Mal so viel abgepumpt wie erlaubt. „Jetzt kann nur noch versucht werden, eine Schadensbegrenzung zu erreichen“, so Schuster. Es müsse wieder nach Recht und Gesetz gehen. „Bisher ist es so gewesen, dass die LEAG praktisch die Landesbehörden am Nasenring durch die Manege gezogen hat und alles abgesegnet bekam, was sie vorhatte.“
Harsche Vorwürfe. Wie es zu den unerlaubt hohen Mengen an abgepumptem Grundwasser kommen konnte, dazu möchte sich bisher niemand aus dem Kohlekonzern äußern. Auch das zuständige Landesbergamt reagiert nicht auf unsere Interviewanfrage.
Der Tagebau Jänschwalde liegt im Südosten Brandenburgs, zwischen Cottbus und der polnischen Grenze. Damit die Braunkohle abgebaut werden kann, müssen die tonnenschweren Abraumbagger sicher stehen können. Dafür muss das Grundwasser bis unter die Kohle – also 80 bis 100 Meter tief – abgepumpt werden.
Grüne für Vergleich mit LEAG
Weil die schwerfälligen und tonnenschweren Abraumbagger nun per Gerichtsentscheid stoppen müssen, kommen sie möglicherweise auch nicht an den ursprünglich geplanten Stellen an. Damit würde sich dann auch der Abraum – die Unmengen aufgeschütteter Erdmassen – nicht dort befinden, wie man es angedacht hatte.
Ein Problem, meint die grüne Umweltpolitikerin Isabell Hiekel. Denn sollte es so kommen, müsse die Rekultivierung des Tagebaus Jänschwalde völlig neu geplant werden; was möglicherweise viel Zeit in Anspruch nähme. „Das Ziel, das die Grüne Liga und die Deutsche Umwelthilfe verfolgen, ist, den Umweltschaden zu reduzieren. Da habe ich so meine Zweifel, ob das mit dieser Klage gelingt.“
Denn einen Tagebau könne man ja nicht einfach so, salopp formuliert, absaufen lassen. Weshalb – trotz des Betriebsstopps – das Grundwasser weiter abgepumpt werden müsse. Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen hätte sich darum etwas mehr Augenmaß der klagenden Umweltverbände gewünscht. Statt einer Klage plädiert Landschaftsplanerin Hiekel für einen Vergleich mit dem Kohlekonzern LEAG. Doch das kommt für die Umweltverbände nicht in Frage, heißt es.
Beschwerde gegen Urteil eingelegt
Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Cottbus hat der Braunkohlekonzern Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Bis wann darüber entschieden wird, ist nach Angaben des Gerichts unklar. Doch bis dahin bleibt es dabei: Ab 15. Mai ruht der Tagebaubetrieb.
Kohlekumpel Lars Katzmarek sagt, der mögliche Stopp des Tagebaus Jänschwalde sei ein Desaster. Er ist 30 Jahre alt, arbeitet als einer von etwa 7000 Mitarbeitern beim Kohlekonzern LEAG. Als gelernter Mechatroniker sorgt er unter anderem dafür, dass die Telefonverbindungen auf den Baggern funktionieren.
Katzmarek ist aber nicht nur Kohlearbeiter, sondern auch Betriebsrat bei der LEAG. Als er vom Betriebsstopp des Tagebaus Jänschwalde hörte, sei sein erster Gedanke gewesen: "nicht schon wieder". Denn es sei ja schon das zweite Mal, dass der Tagebau gestoppt werden müsse. Der Sozialdemokrat Katzmarek erinnert an das zwischenzeitliche Aus zwischen September 2019 und Februar 2020. „Es ist wie eine Ohnmacht. Und: Es ist ganz schwer, das emotional auszuhalten.“
Gefördertes Wasser wird genutzt
Die aktuelle Betriebsgenehmigung für den Tagebau Jänschwalde läuft 2023 aus. Bis dahin wollte die LEAG ursprünglich Kohle fördern. Dass man nun kurz vor dem regulären Ende des Tagebaus die Braunkohleförderung stoppt, das kann auch der Geologe und frühere Leiter der Abteilung Geotechnik der LEAG, Ingolf Arnold, nicht nachvollziehen.
„Die Aussage, es würden Unmengen Wasser entzogen, ist falsch. Die ist fachlich so nicht haltbar. Und jetzt vor Toresschluss wird eine Rote Karte gezeigt, mit deren Folgen gar keiner richtig umgehen kann“, sagt er. „Das Dumme an der Geschichte ist, dass jetzt das Landesbergamt Brandenburg anordnen muss, weiter zu pumpen. In der gleichen Menge, wie im Moment auch noch gepumpt wird.“ Auch nach dem 15. Mai.
Der Geologe und Vorsitzende des Vereins Wasser-Cluster Lausitz verweist auf das Grundwasser-Management der LEAG. Denn das geförderte Grundwasser verschwinde ja nicht einfach irgendwohin. Ganz im Gegenteil: Die LEAG nutze das Wasser unter anderem für die Kühlung der Kraftwerke, ein Teil laufe in die Spree, stütze da den Wasserstand.
Außerdem habe man sich entschlossen, „dass man das Grundwasser, das man im Tagebau hebt, in vier Kilometern Entfernung wieder in die Erde einleitet“. Es entstehe quasi ein Wasserkreislauf. Ganz praktisch bedeutet das: Die Jänschwalder Laßzinswiesen – ein Naturschutzgebiet nördlich von Cottbus – werden mit dem Grundwasser des Tagebaus bewässert. Ein Naturbiotop werde so erhalten, meint Ingolf Arnold.
Nur noch bis zum 14. Mai rattern jetzt die Kohlebänder am Tagebau Jänschwalde. Die LEAG warnt in einer Pressemitteilung, der Tagebaustopp in Jänschwalde könne – vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine – für die Energiesicherheit in Ostdeutschland gravierende Folgen haben.
Umweltschützer René Schuster winkt ab: „eine maßlose Übertreibung“. Die LEAG plane ohne diesen Tagebau. „Das heißt: Sie will ihr Kraftwerk weiter betreiben, ohne diesen Tagebau. Und wenn das ab 2024 geht, dann geht das auch schon ab 2022.“ Er fügt hinzu: „Egal wie der Rechtsstreit ausgeht, und wie das Bergamt mit dem Urteil umgeht: Es wird immer ein großer Umweltschaden bleiben, der hier verursacht wurde.“