Hart am Wind mit Kurs auf Gold
23:35 Minuten
Fast alle Segler haben ihre Karriere in unförmigen "Optimisten"-Booten begonnen, auch die Vize-Europameisterinnen Frederike Loewe und Anna Markfort. Oder der Hochseesegler Robert Stanjek, der das berühmte "Ocean Race" gewinnen will.
Ob Einhand-Weltumsegler, Frauen-Crew oder Nachwuchs-Wassersportler: Alle haben auf sogenannten Optis das Segeln gelernt. Die Optis, oder "Optimisten", wie sie eigentlich heißen, sind leichte Einhandjollen, 2,30 Meter lang, 1,16 Meter breit mit dreieinhalb Quadratmetern Segelfläche, die aussehen wie Seifenkisten mit einem kleinen Segel.
Für Martin Schlaaff, der in Berlin für die Optimistenausbildung verantwortlich ist, das optimale Einsteigerboot:
"Ich bezeichne sie ja auch immer als Badewanne, lahme Schüssel. Wie auch immer, es ist ein ganz einfaches Boot, was auch keine Lenze hat. Also, wenn Wasser drin ist, muss man das Wasser mit einer Pütz rausholen – selber. Dann sind da drei Auftriebskörper drin, dass das Boot nicht untergeht.
Ein Steckschwert, ganz einfache Schotführung ohne Klemmen, also das ist alles supereinfach gehalten, und es kommt trotzdem vorwärts. Man kann es manchmal gar nicht glauben, dass so ein Boot auch relativ schnell die Welle runterfahren kann."
Segeln lernen mit der Quietscheente
Landestrainer Martin Schlaaff ist ständig auf der Suche nach besonders talentiertem Segelnachwuchs, den er dann für Wettkämpfe trainiert. Mit sechs, sieben Jahren beginnen die Kinder in der Regel und lernen, ganz alleine ein Boot zu steuern.
Wichtig ist für die Trainer, möglichst früh den Wettkampfgeist zu fördern. Auch Lino, Sophie und Johann aus dem Anfängerkurs im Potsdamer Yacht-Club verfügen schon über erste Regatta-Erfahrungen: "Die Quietscheentchen-Regatta, da musste man Entchen oder Tennisbälle einsammeln. Da standen dann Nummern drauf", erzählt einer.
"Wir sind auch am Wind gefahren, deswegen mussten wir kreuzen. Ich habe es nicht ganz verstanden, aber ich bin Zweiter geworden, und ich habe ein Käppi bekommen", berichtet ein anderer.
"Wir fangen mit allen Themen an, die für die Segler wichtig sind", erzählt Martin Schlaaff. "Wettfahrtregeln, wir machen viel Taktik, natürlich auch noch ein bisschen Meteo, also Wolken, Strom. Wie entsteht Strömung? Was spielt das für uns für eine Rolle beim Segeln? Bootsbau: Wie trimme ich mein Boot, dass es schnell fährt? Also erst mal die Grundlagen, und das wird ja dann in den nächsten Bootsklassen komplexer und vielleicht dann auch noch intensiviert. Aber ansonsten lernen die schon eine ganze Menge."
Segeln kommt von Wissen
Martin Schlaaff verlangt den Kindern allerhand ab. Die Theorieprüfungen für den Segelschein sind sehr umfangreich. Und wer nicht lernt, den Wind optimal zu nutzen, verschenkt im Wettkampf kostbare Zeit.
"Das begeistert mich am Segeln, dieses vielfältige Wissen, was in so ein Regatta-Ergebnis einfließt. Man muss vor dem Start schon wissen: Auf welcher Seite starte ich, weil da der Wind besser ist? Auf welche Kreuzseite muss ich? Wie ist der Kurs? Muss ich mir natürlich merken. Dann Vorwind, Dreher erkennen, Windböen. Und es begeistert mich an dieser Sportart, dass nie eine Wettfahrt gleich ist."
Offshore-Segeln ist Hochleistungssport
Auch Starboot-Weltmeister Robert Stanjek war eine Zeit lang im Training von Martin Schlaaff. Obwohl man Robert Stanjek zunächst zum Judosport verdonnert hatte, setzte sich der heute 39-jährige Profisegler durch und begann mit elf das Segeln auf dem Berliner Müggelsee, wo er fast jedes Wochenende an einer Regatta teilnahm.
Erfolgreich bei zahlreichen Meisterschaften, holte er 2012 bei den Olympischen Spielen in London den sechsten Platz mit dem Starboot – eine gute Ausgangsbasis für eine erfolgreiche Medaillenjagd bei den nächsten Spielen vier Jahre später. Doch der Weltseglerverband strich 2012 das knapp sieben Meter lange Zweimann-Kielboot aus dem olympischen Programm, und Robert Stanjek wollte nicht in eine andere Bootsklasse wechseln.
"Dann habe ich das Ocean Race angepeilt und bin dann im Prinzip reingewachsen, so ein bisschen in die Offshore-Welt. Und dann hat mir diese Disziplin aber auch wahnsinnig Spaß gemacht."
Acht Stunden Schlaf – in sieben Tagen
Hochleistungssport auf hoher See, das war für Robert Stanjek eine neue Herausforderung, an seine Grenzen zu gehen.
"Das Fastnet-Rennen, was wir letztes Jahr gesegelt sind, ist schon ein richtiger Offshore-Klassiker, ein hartes Rennen, wo es ja 1979 fast 20 Todesfälle gab und das so in die Geschichte eingegangen ist, leider. Das ist schon, wenn man dann plötzlich auf dem Atlantik ist und es knallt da ordentlich, dann merkt man schon, wie klein man als Mensch ist und wie schlau und weise man auch teilweise agieren muss mit seinen Kräften, mit dem Material.
Wir segeln ja nonstop. Es gibt Rennen, die dauern fünf, sechs, sieben Tage. Da schläft man vielleicht in Summe sechs, sieben, acht Stunden, wenn es extrem kommt. Man verbrennt wahnsinnig viel Kalorien, man geht wirklich mit dem Team, jeder für sich und mit dem Team, total an die Grenze. Man schießt sich teilweise sehr, sehr blau."
Nur wenige sind nonstop um die Welt gesegelt
Hochseejachten sind 60 Fuß lang, also knapp 20 Meter, mit einer Masthöhe von etwa 30 Metern. Sie sind extrem breit, um stabil zu sein für die Rennen um die Welt. Gleichzeitig sind sie so leicht wie möglich gebaut, um optimale Geschwindigkeiten zu erreichen.
Mit dem spektakulären Sieg der "Illbruck" am 9. Juni 2006 schaffte es der Hochseesegelsport zum ersten Mal zur Hauptsendezeit in die Tagesschau.
Mit dem spektakulären Sieg der "Illbruck" am 9. Juni 2006 schaffte es der Hochseesegelsport zum ersten Mal zur Hauptsendezeit in die Tagesschau.
1973 startete die erste Regatta rund um die Welt, damals noch als "Volvo Ocean Race", die als eine der härtesten Herausforderungen im Segelsport gilt. Start ist in Europa, die Route führt dann durch den Atlantik, umrundet Afrika am Kap der Guten Hoffnung, geht weiter durch den Indischen Ozean über den Südpazifik, rund um Kap Hoorn nach Süd- und Nordamerika und von dort wieder zurück nach Europa.
Vor allem im Südpazifik herrschen Windgeschwindigkeiten von bis zu 110 Stundenkilometern und die Wellen werden bis zu 30 Meter hoch. Für Robert Stanjek ist das inzwischen die anspruchsvollste und schönste Art des Wettkämpfens geworden, die allerdings aus seiner Sicht bisher viel zu wenig gewürdigt werde.
"Es sind mittlerweile zigtausende Leute auf dem Himalaja gewesen. Aber wenn man etwa die Vendée Globe betrachtet: Es sind nicht mal 100 Mann, die alleine, also Einhand nonstop um die Welt gesegelt sind. Es ist wirklich eins der letzten großen verbleibenden Abenteuer. Man kriegt schon auf dem Ozean mit, wie klein der Mensch ist und wie wenig man beugen kann und wie hart die Wucht der Elemente ist, und man bewegt sich mit diesen Etappen teilweise durch Seeabschnitte, die sind nicht mehr menschlich assistierbar."
20 Jahre lang gewann kein deutsches Boot mehr das spektakuläre Rennen. Robert Stanjek will das ändern. Zusammen mit Teammanager Jens Kuphal und Michael End gründete er den Rennstall "Team Germany". Weil der Weltseglerverband das "Mixed Offshore" als neue olympische Disziplin eingeführt hat, sind für Stanjek die Olympischen Spiele wieder interessant geworden. Sie sollen 2024 in Paris stattfinden. Auch daran wollen die deutschen Offshore-Segler teilnehmen. Team-Manager Jens Kuphal hat seine Hausaufgaben gemacht.
"Wir haben in der Zwischenzeit zwei Firmen gegründet. Wir haben nicht zuletzt eine der wichtigsten Schritte gemacht. Wir haben ein Boot gekauft, das uns im Moment von sehr vielen Kampagnen unterscheidet. Und ich war von Anfang an davon überzeugt, dass man erst mal eine gewisse Vorleistung erbringen muss, damit man auch ernst genommen wird.
Sowohl von der Konkurrenz, also von der sportlichen Seite, vom Ocean Race selber, als auch von den Sponsoren und da haben wir uns schon ein ziemliches Stück vorgearbeitet, was natürlich toll ist."
Die Formel Eins ist teuer – auch im Segelsport
"Einstein" heißt die knapp 20 Meter lange IMOCA-Rennyacht, die neu gut sechs Millionen Euro kostet. Sie ist ausgestattet mit Computertechnik, die an ein Spaceshuttle erinnert, und gilt als Formel-1 unter den Hochseejachten. Das Team hat bereits mehrere Rennen erfolgreich bestritten. Im Herbst soll der Racer für die Weltumseglung noch mit Auftriebsflügeln, sogenannten Foils ausgestattet werden, die mindestens eine halbe Million Euro kosten.
Es wird keine reinen Männer-Crews mehr geben: Vier Männer, eine Frau und ein Onboard-Reporter, der eine mediale 24-Stunden-Präsenz garantieren soll, müssen sich als Team aufeinander verlassen können. Die medizinische Versorgung soll ein Crewmitglied übernehmen können, wenn mal Verletzungen genäht werden müssen oder ein schmerzender Zahn zu ziehen ist.
Natürlich ist auch der Segelsport von der Covid-19-Pandemie nicht unberührt geblieben. Das Ocean Race wurde vor einigen Wochen um ein Jahr verschoben.
"Start ist jetzt nicht mehr 2021, sondern 2022. Aber man hat die Idee, dafür im kommenden Jahr im Sommer ein Europa-Rennen stattfinden zu lassen, also einmal um Europa rum, was für uns eine großartige Möglichkeit wäre, sich zu zeigen und auch sportlich irgendwie einzusteigen. Das Boot soll im Herbst in die Werft, um dann ab April wieder ins Wasser zu kommen. Dann fängt die Mannschaft an zu trainieren, und im besten Fall segelt man im kommenden Sommer dieses Europa-Rennen und hat dann noch ein Jahr Zeit, sich intensiv auf das Rennen selber vorzubereiten."
Auch Vize-Europameisterinnen leiden unter der Coronakrise
Die Berliner Seglerinnen Frederike Loewe und Anna Markfort, die im vergangenen Jahr bei der WM in Japan Deutschlands Olympiateilnahme in der 470er-Bootsklasse sicherten, hatten eigentlich beide geplant, nach Olympia 2020 erst einmal ihr Studium zu beenden: Frederike in Pharmazie, Anna in Pädagogik und Anglistik. Doch wegen der Verschiebung der Olympischen Spiele mussten sie das erst einmal vertagen und auch ihre Kampagne umwerfen:
"Eine Olympia-Kampagne ist vier Jahre lang – beziehungsweise der olympische Zyklus. Alle vier Jahre finden die Spiele statt, außer jetzt! Danke, Corona! Man richtet dann seinen Trainingsplan, seine Mehrjahresplanung auf dieses große Ziel aus. Das heißt, man hat vier Jahre, man strukturiert die durch. Also Ziel für Jahr eins, Ziel für Jahr zwei, Ziel für Jahr drei und dann vier! Wie kommen wir dahin? Welche Trainingsinhalte? Wo sind die Regatten? Was sind die Trainingspartner? Wer ist der Trainer?"
Nach der Sicherung des Nationenstartplatzes sollte in diesem Sommer entschieden werden, welches der vier deutschen Zweihand-Jollen-Frauenteams zu den Spielen darf. Loewe und Markfort rechneten sich gute Chancen aus, sich mit ihrem Team bei weiteren Regatten für die Teilnahme in Japan 2021 zu qualifizieren. In ihrer sechsjährigen Zusammenarbeit auf der vier Meter siebzig langen olympischen Rennjolle mit Trapez und Spinnaker haben die beiden 27-jährigen Sportlerinnen schon einige Trophäen eingeheimst:
"Die Erfolge, die wir zusammen feiern konnten, waren die Bronzemedaille bei der Junioren-Europameisterschaft direkt nach fünf Tagen Segeln zusammen, dann zwei Jahre später die Silbermedaille bei der Junioren-Europameisterschaft. Wir haben zusammen die Kieler Woche gewonnen, was unser erster großer Sieg war, sind Vize-Europameister geworden und haben jetzt gerade im letzten Jahr Gold und Bronze bei dem Worldcup in Miami und dem Worldcup in Japan gewonnen.
Letztes Jahr bei der Weltmeisterschaft haben wir dann das Nationenticket für Deutschland gelöst, für die Olympischen Spiele, das, dass definitiv ein deutsches Team dabei sein wird. Ich würde sagen, das sind unsere größten Erfolge."
Segeln im Wind ist Schwerstarbeit
Die Regatten, bei denen sich die Berliner Seglerinnen für die Olympischen Spiele 2021 qualifizieren wollen, haben noch gar nicht begonnen. Vermutlich wird die erste im Oktober bei der Weltmeisterschaft auf Mallorca stattfinden, die eigentlich schon für letzten März geplant war. Zurzeit trainieren Loewe und Markfort im spanischen Trainingslager in Santander für ihre nationale Olympiaqualifikation:
"Wir gehen in den Kraftraum. Wir gehen Fahrradfahren, Laufen oder bilden uns irgendwie theoretisch weiter: Auswertungen mit dem Trainer, Videoauswertungen", erzählt Frederike Loewe. Anna Markfort ergänzt:
"Der Kraftraum spielt bei uns im Fitnesstraining auch eine große Rolle. Wir haben natürlich auch einen Kraftplan. Da sind dann die klassischen Übungen wie Kniebeugen, Kreuzheben, Bankdrücken bei, wir müssen aber natürlich auch aufpassen, dass wir agil bleiben und unsere Schnellkraft immer wieder trainieren, damit wir uns auf dem Boot möglichst wie eine Katze bewegen und nicht wie ein Elefant."
Dass sowohl Frederike Loewe als auch Anna Markfort im Opti mal Angst vor Wind hatten, kann man sich kaum vorstellen, wenn man sieht, wie die beiden Topseglerinnen mit ihrer 470er in Neoprenanzügen auch bei unwirtlichen Wetterlagen über das Wasser jagen, um Höchstgeschwindigkeiten zu erreichen.
Je nach Sicht, Wind und Kurs sitzt oder steht Steuerfrau Frederike an der Pinne, die 1,84 Meter große Vorschoterin Anna hängt weit draußen im Trapez und stützt sich mit den Fußspitzen am Bootsrand ab. Beide beobachten ganz genau das Wasser und halten nach Böen Ausschau. Wichtig ist vor allem, vor den Regatten eine siegversprechende Strategie auszutüfteln.
"Ich hänge im Trapez, auf der Kreuz und auch auf dem Halbwind und versuche, mich immer so lang zu machen wie möglich und trotzdem alles zu sehen, was es zu sehen gibt. Ist manchmal eine kleine Herausforderung, weil man wirklich so direkt über dem Wasser hängt und dann schon irgendwie gerne den Kopf wie eine Eule hätte."
Vom Opti in die ganze Welt
‚Fanfan‘ heißt die zwölf Meter lange Alu-Yacht, mit der Uwe Röttgering nach Abschluss seines Jurastudiums einen Kindertraum wahr werden ließ: alleine um die Welt zu segeln.
"Ich bin in 784 Tagen über 50.000 Seemeilen gesegelt. Die Reise ging in Deutschland los. Dann bin ich nach Island, dann über den nördlichen Polarkreis nach Jan Mayen. Das ist eine Insel, die zu Norwegen gehört, dann nach Grönland. Von Grönland aus mehr oder weniger in einem Rutsch auf die Südhalbkugel, dann am Rand der Antarktis entlang Richtung Neuseeland, von Neuseeland aus bis hoch nach Hawaii, von Hawaii aus über die Osterinsel nach Chile, dann rund um Kap Hoorn zu den Falklandinseln. Von da nach Kapstadt, Südafrika. Von da bin ich in 61 Tagen nonstop an die Ostküste der USA gesegelt und dann von Kanada aus wieder zurück nach Deutschland."
Auch Uwe Röttgering fing schon als Kind an zu segeln, im Opti auf dem knapp 40 Hektar großen Aasee in Münster.
"Das Optifahren war sicherlich ein guter Einstieg, um so an das Handwerkliche ranzukommen. Aber der Münsteraner Aasee ist doch ein ziemlich kleines Gewässer, und dieses Gefühl von grenzenloser Freiheit konnte auch für einen Zwölfjährigen auf diesem kleinen Aasee nicht wirklich aufkommen."
Doch davon träumte Uwe Röttgering schon als 15-Jähriger, nachdem er in der Stadtbibliothek den kompletten Bestand der Weltumsegler-Literatur gelesen hatte. Segel-Know-how verschaffte er sich auf den Urlaubstörns mit den Eltern auf dem Ijsselmeer. 15 Jahre später war es dann soweit. Nach dreijähriger Vorbereitung brach Uwe Röttgering 2001 auf zur Weltumseglung. Er hatte absichtlich nicht die sogenannte Barfußroute gewählt. Auf der umsegelt man die Erde auf einem Seeweg, der hauptsächlich durch tropische und subtropische Gewässer führt. Der 30-Jährige wollte ganz bewusst seine Grenzen auf See austesten.
"Das war mir schon wichtig, dass das keine Erholungsreise wird, sondern hinterher auch in sportlicher Hinsicht zumindest für mich persönlich, dass ich sagen kann: Ich habe das gemacht, was eben ging. Das Sportliche war sicherlich der Umstand, dass viele Etappen ziemlich lang waren, dass die Landaufenthalte relativ kurz waren und das Revier auch anspruchsvoll. Alle Probleme selber lösen zu müssen, das hat mich schon an meine Grenzen geführt."
Container, Wale, Küsten – und die Einsamkeit
Diese Risikobereitschaft, bei härtesten Bedingungen ans Limit und darüber hinaus zu gehen, haben auch Frederike Loewe und Anna Markfort:
"Wir hatten es einmal, dass eine Gewitterfront ziemlich schnell über die Bucht draußen gezogen ist, als wir bei einer Regatta draußen waren, und wir ins Ziel gefahren sind, während um uns herum schon die Blitze eingeschlagen haben. Dabei wurden wir von einer Böe getroffen, wo wir echt alle Segel aufgeschmissen haben. Normalerweise haben wir die Segel ja in einer Klemme dicht gestellt, damit wir vorwärtsfahren. In dem Moment, muss man sich vorstellen, haben wir alle Schoten losgelassen. Die Segel haben geflattert, es war irre laut und trotzdem war die Böe so heftig, dass das Boot einfach umgekippt ist unter uns. Das ist dann schon extrem."
Bei Trans-Ocean-Regatten müssen Jacht und Crew in der Lage sein, ohne Hilfe mit schweren Stürmen und Notsituationen fertig zu werden, sagt Robert Stanjek:
"Die Gefahren auf See sind eben nicht nur schwimmende Container oder Wale oder Küsten, sondern das sind eben auch ganz unassistierbare Rennabschnitte. Und das ist so eine Sache, darauf muss man sich vorbereiten und das kann nicht jeder, will nicht jeder. Und das ist das Besondere an dem Sport. Es gibt eben wirklich Abschnitte auf diesem Erdball, das würde einem Mondflug gleichen von der Zugriffsfähigkeit."
Hochseesegeln ist nur begrenzt familienkompatibel
Uwe Röttgering ist sich auf seiner Weltumseglung vieler Gefahren erst im Nachhinein bewusst geworden.
"Was die gefährlichste Situation war, kann ich nicht sagen, weil ich nicht weiß, an wie viel Eisbergen ich in 20 Meter Entfernung vorbeigesegelt bin, während ich in der Koje geschlafen habe. Aber ich habe schon ein paar Eisberge gesehen, die sehr dicht waren und wo ich mir überlegt habe, wenn das Boot in den davorliegenden Stunden auch nur einen Grad anderen Kurs gehabt hätte, wäre ich drauf gefahren. Von daher habe ich mein Glück schon ziemlich strapaziert."
Heute segelt Uwe Röttgering nur noch selten. Er ist mittlerweile Familienvater und würde so gefährliche Reisen nicht mehr machen. Er tröstet sich damit, dass er seine sportliche Leistung von vor 20 Jahren sowieso nicht mehr toppen könnte. Doch bis heute, sagt er, vergehe kein Tag, an dem er nicht in irgendeiner Form an diese Reise denke.
"Nach der Weltumseglung bin ich mit dem Boot noch drei größere Regatten gesegelt: eine Transatlantik-Regatta, einmal das Fastnet-Rennen und einmal ein Rennen von England auf die Azoren und zurück.
Dann hat sich aber herausgestellt, dass das Hobby nicht familienkompatibel ist. Weder Frau noch Kinder wollten da mit mir an einem Strang ziehen, weswegen das Boot nicht mehr richtig genutzt wurde. Und dafür ist es dann einfach zu schade, weswegen der Entschluss zum Verkauf gefallen ist."
Röttgering übergab sein Boot an die polnische Einhandseglerin Asia Pajkowska, die er auf der Transatlantik-Regatta kennengelernt hatte. 2018 umrundete die 62-jährige Kapitänin in 216 Tagen mit ‚Fanfan‘ zum zweiten Mal den Globus.
Dass so spektakuläre sportliche Leistungen in Deutschland eher wenig Medienwirkung haben, führt Robert Stanjek darauf zurück, dass das Segeln hier kein Volkssport ist, anders als in Frankreich, England, Neuseeland oder Australien.
Darum will er das Image des Segelsports, der zudem eine umweltfreundliche Sportart ist, verbessern und den Nachwuchs fördern. Einmal im Jahr veranstaltet er auf dem Berliner Müggelsee eine Meisterschaft für die Berliner Jüngsten.
Auf dem Weg von der letzten Kieler Woche zur Werft in Südengland stoppte die IMOCA-Jacht "Einstein" sogar vor Helgoland, wo gerade der Störtebeker-Opti-Cup, die einzige Hochseeregatta für Optimisten, ausgetragen wurde.
"Wir haben eine Begegnung auf dem Meer geschaffen, mit den beiden Enden des kompletten Spektrums: Opti, die Einsteiger, und, wenn man lange durchhält, gut und geduldig ist, irgendwann vielleicht Ocean-Race fahren kann, darf. Wir sind am Optifeld ein bisschen gesegelt, haben die Kinder aufs Boot eingeladen, es waren unglaublich viele Kinder auf dem Boot und hatten da auch auf alle Fälle einen schönen Regattatags-Abend."
Von sportlichen Erfolgen "Made in Germany" sind die Opti-Anfänger aus dem Potsdamer Yachtclub natürlich noch weit entfernt, aber Motivation und Teamgeist sind auf alle Fälle schon vorhanden, wenn sie sich gegenseitig Tipps geben, wie sie ihre Boote erfolgreich ins Ziel steuern.
Auf dem Weg zum Erfolg müssen die Nachwuchs-Seglerinnen und Segler auch mal baden gehen. "Man muss Kentertraining lernen", sagt ein Schüler. "Mein Vater sagt immer, wenn ich nass werde, dass ich ein Segler bin: Segler werden manchmal nass".