Der vermutlich älteste Kinobetrieb der Welt
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Irgendwie Kult, aber ständig droht die Pleite: Das Wiener Programmkino "Breitenseer Lichtspiele" ist über 100 Jahre alt. Betrieben wird es von einer 80-jährigen ehemaligen Lehrerin. Strickkino, Stummfilme und Lesungen mit Livemusik stehen auf dem Programm.
In den Breitenseer Lichtspielen ist heute Kult-Kino-Abend. Musiker oder Schauspieler präsentieren ihre Lieblingsfilme, und "Der Nino aus Wien" wählt "Wenn die Gondeln Trauer tragen".
Viel könne er nicht sagen, nuschelt der Liedermacher. Er sei neulich in Venedig gewesen, die Sexszene habe ihm gefallen. Vom Nino aus Wien erwartet ohnehin niemand einen Fachvortrag und alle lachen. Zumal er zur Gitarre greift und ein neues Lied spielt.
Mit fast 80 Besuchern ist der alte Kinosaal halbvoll und Anna Nitsch Fitz ist zufrieden.
Manchmal kommt niemand, erzählt die Kinobesitzerin vor Beginn der Vorstellung. Dabei ist das ein besonderer Ort:
"Sie sind gerade hier bei mir im ältesten Kino der Welt wahrscheinlich, sicher das älteste Kino in Österreich, den Breitenseer Lichtspielen", sagt sie.
Seit 50 Jahren besitzt sie das Kino
Wahrscheinlich das älteste, da die Unterlagen fehlen. Kinos in Stettin und Pisa sind ähnlich alt, doch die 80-jährige Wienerin ficht das nicht an. Die pensionierte Mathe- und Physiklehrerin kaufte das Kino vor 50 Jahren.
"Wenn es geht, bin ich eigentlich fast täglich hier. Hier und da, wenn ich mal verkühlt bin oder irgendwas - ich habe drei sehr nette Vorführer. Da ruf ich an und sag, ich bin heute verkühlt, ich kann heute nicht kommen und die tun dann halt die Karten auch verkaufen."
Sie reißt die Karten ab und verkauft Cola und Chips. Sie stellt Retrospektiven zusammen, macht Familienkino, zeigt Arthousefilme, Dokumentationen und Fellini-Klassiker.
Im Kino von Anna Nitsch Fitz wurde auch schon fürs Kino gedreht. 1994 stieg Oscarpreisträger Christoph Waltz hinauf in den alten Vorführraum und bediente den großen grauen Projektor. In dem Film "Ein Anfang von etwas" spielt Waltz einen Filmvorführer. Dieser Beruf war lange eine reine Männerdomäne, so wie die ganze Branche.
"Es gibt fast keine weiblichen Kinobesitzer", sagt Anna Nitsch Fitz. "Es ist alles in männlicher Hand."
Schon ihre Großmutter betrieb ein Kino in Wien und ihre Mutter durfte als Angehörige den Filmvorführschein machen: "Und an den Tagen wo sie Dienst gehabt hat, war im Garten eine Sandkiste für mich aufgestellt und so bin ich halt im Kino meiner Großmutter aufgewachsen."
Für die Digitalisierung fehlt das Geld
Ihre Breitenseer Lichtspiele werden 1905 als Zeltkino gegründet und ziehen vier Jahre später in das heutige Gebäude in Wien-Penzing ein. Die wechselnden Besitzer bauen immer wieder um. 1930 laufen die letzten Stummfilme, eine Tonanlage wird eingebaut. Nun wäre die Digitalisierung fällig, doch Anna Nitsch Fitz hat dafür kein Geld.
"Ich kann digitale Filme kaum spielen, weil ich nur eine kleine Festplatte habe, und da bringe ich gerade fünf Filme drauf. Alles andere muss ich mit DVD und Blu-Ray bestreiten."
Nur wenige Verleiher beliefern kleine Kinos wie das ihre weiter mit ausgewählten DVD- und Blu-Ray Filmen. Die 20.000 Euro Grundförderung jährlich decken die Kosten nicht und oft kommen nur wenig Besucher. Doch gibt es auch Geschichten wie diese. Nach einem Streit mit seiner Verlobten mietete ein junger Mann das ganze Kino und bereitete ihren Lieblingsfilm vor
"Eine Woche später hat er mich angerufen. Wir sind wieder zusammen", erzählt Anna Nitsch Fitz.
"Ich glaube, einige Kinos werden überleben"
Doch von solchen Happy Ends kann das Kino nicht überleben und sie muss erfinderisch sein. Es gibt Strickkino bei gedimmtem Licht, Stummfilme oder filmbezogene Lesungen mit Liveklavier und die Kult-Kino-Abende.
Anna Nitsch Fitz hat keine Kinder. Doch ihre 34-jährige Nichte Christina könnte sich vorstellen, die Breitenseer Lichtspiele zu übernehmen. Einiges müsste man schon ändern, meint sie vorsichtig, doch das kleine Kino sei eine Nische:
"Es gibt natürlich wunderschöne alte Programmkinos in Wien, aber dieses Kino hat ja doch einen ganz eigenen Stellenwert."
Auch ihre Nichte würde kämpfen müssen, das weiß Anna Nitsch Fitz. Aber: "Ich glaube, dass einige Kinos überleben werden."