Bremens einzige Babyklappe

Anonyme Hilfe für verzweifelte Mütter

06:10 Minuten
An der Backsteinwand eines Hauses ist ein Schild mit der Aufschrift "Babykörbchen" angebracht.
Seit zwanzig Jahren gibt es die Babyklappe in Bremen. 28 Kinder wurden bisher abgegeben. © H. Pfeiffer
Von Heinrich Pfeiffer |
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Im Bremer St. Joseph-Stift können Mütter, die kein Kind aufziehen können oder wollen, anonym ihre Babys abgeben. Das war anfangs umstritten, weil niemand ermuntert werden sollte. Inzwischen wird die Babyklappe akzeptiert.
Neben der Kapelle am Bremer St. Joseph-Stift steht in großer blauer Schrift "Babykörbchen". Das Schild führt zu einer Art Bretterverschlag. So anonym wie möglich soll es sein. Drinnen, auf der anderen Seite der Klappe, steht ein Wärmebett, welches immer auf Körpertemperatur beheizt ist. Das Babykörbchen.
Güzide Kadah ist eine der Kinderkrankenschwestern, die verantwortlich für die Babyklappe sind. Sie macht mit mir die Probe und öffnet die Klappe. Automatisch muss sie an die Frauen denken, die ihr Kind dort ablegen.

"Brief an die Mutter" im Wärmebett

Um ihnen die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zu gewährleisten, liegt ein sogenannter "Brief an die Mutter" im Wärmebett. In ihm ist neben Beratungsangeboten ein Symbol vermerkt, mit welchem die Mutter zum Krankenhaus Kontakt aufnehmen kann. Falls sie es sich doch noch anders überlegen sollte.

Wenn es am helllichten Tag geöffnet wird, kann es sein, dass es ein Indiz dafür ist, dass eine Mutter das geöffnet hat und einfach nur geguckt hat und manchmal auch neugierige Passanten, die das öffnen. Aber Mütter, die das nutzen oder Frauen, die da wirklich die Not haben, kommen meistens in der Abenddämmerung oder Morgendämmerung, dass man da niemanden sieht.

Güzide Kadah

Güzide Kadah oder ihre Kolleginnen schauen dann zuerst über eine Kamera auf das Wärmebett. Dort ist nur das Bett zu sehen, alles, was vor der Klappe geschieht, nicht. Wenn die Klappe sich geschlossen hat, machen sich Kadah oder ihre Kolleginnen auf den Weg zu den Babys.

Manches lässt einen nicht los

An zwei Kinder denke sie noch heute, sagt Kadah. "Das eine war sehr süß eingepackt, es hatte passende Klamotten und die Mutter hatte einen ganz langen Brief als Erinnerung diesem Kind hinterlassen und da waren auch ihre Beweggründe beschrieben. Und die letzten Zeilen lassen mich bis heute nicht los: 'Dass deine Mutter dich immer lieben wird'."
Beim anderen Mal lag ein in ihren Augen verwahrlostes Baby im Körbchen.

Da ist ganz kurz die Welt stehen geblieben, weil ich dachte: 'Oh mein Gott!'. Das ist dieses Ambivalente, also irgendwie ist man froh, dass die Mutter diesen Weg gegangen ist. Man ist erleichtert, dass sie diesem Kind eine Chance gibt. Aber andersrum denkt man, sie hat diesen Schritt gewagt.

Güzide Kadah

Seit 13 Jahren arbeitet Güzide Kadah auf der Entbindungsstation. Die Einrichtung Babyklappe gibt es bereits seit 22 Jahren. Anfangs war sie umstritten. Gegner argumentierten, man ermuntere damit Eltern, ihre Kinder abzugeben. Diese Befürchtung hat sich nicht bestätigt, insgesamt wurden nur 28 Kinder im Bremer St. Joseph-Stift abgelegt.
Eine Frau steht vor einer Babyklappe. Sie hält einen Briefumschlag, auf dem "Für die Mutter" steht.
Nach der Behandlung in der Klinik kommen die Kinder zu Pflege- oder Adoptiveltern. Wenn die sich bedanken, freut sich Krankenschwester Güzide Kadah. © H. Pfeiffer
Nach der Behandlung in der Klinik kommen die Kinder meist über das Jugendamt zu Pflege- oder direkt zu Adoptiveltern. Für Schwester Güzide Kadah ist jeder Fall ein Notfall. "Man weiß nicht, welche Beweggründe diese Mutter hatte, ob sie überhaupt die Möglichkeit hatte, darüber nachzudenken, dass sie diese Tat überhaupt durchzieht", sagt sie.

Das Ablegen ist eine Straftat

Tat deshalb, weil das Ablegen in das Körbchen noch immer eine Straftat darstellt. Deshalb hat auch nicht das Krankenhaus den ersten Zugriff auf das Kind, sondern die Kriminalpolizei. Die beschlagnahmt alles, unter anderem den vielleicht abgelegten Abschiedsbrief. Die Spur der Mütter wird aber nicht verfolgt.
Einmal, erinnert sich Kadah, hat eine Mutter ihre Entscheidung bereut: "Die Mutter hatte letztendlich aus einer Kurzschlussreaktion gehandelt und keinen anderen Ausweg gefunden. Später wurden ihr dann vom Jugendamt Hilfen zugesichert und sie hat das Kind zu sich geholt."
Güzide Kadah ist stolz, eine Babyklappe auf ihrer Station zu haben, die einzige in Bremen und dem Bremer Umland. Abschließen mit den Fällen kann sie, wenn Pflege- oder Adoptiveltern nach einiger Zeit die Entbindungsstation besuchen kommen und einfach Danke sagen. 
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