Brennstoffzellen-Busse fürs Rhein-Main-Gebiet

Nahverkehr ohne Abgase

Ein Brennstoffzellen-Hybridbus der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) fährt am 23.07.2015 in Stuttgart
So ähnlich wie dieser Stuttgarter Brennstoffzellen-Hybrid-Bus könnten auch die demnächst im Rhein-Main-Gebiet eingesetzten H2-Busse aussehen. © picture alliance / dpa / Marijan Murat
Von Anke Petermann |
Bislang tragen die meisten Busse stark zur Abgas- und Lärmbelastung in Städten bei. Mit Brennstoffzellen betriebene Fahrzeuge können Abhilfe schaffen. Ein Projekt im Rhein-Main-Gebiet will demnächst elf solcher Busse einsetzen. Das Besondere: eine Kombination zweier Technologien.
Matthias Werner: "Sie hören jetzt das leichte Rauschen von den Lüftern…"
Nahezu lautlos kurvt Matthias Werner im offenen Brennstoffzellen-Zweisitzer über den Rüsselsheimer Campus rund ums Wasserstoff-Labor der Hochschule Rhein-Main. Birgit Scheppat, Professorin für Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie steht an der Labor-Tür, schaut zu und bestätigt:
"Man hört die Dinger nicht mehr. Egal ob PKW oder Bus oder was auch immer - ein Bus ist nicht viel lauter als das."
Scheppat begleitet das Projekt namens "H2-Bus Rhein-Main" wissenschaftlich. Und mit Euphorie. Denn im Wasserstoff sieht die Forscherin die Lösung für die Probleme der bisher üblichen Elektro-Fahrzeuge, die auf schwere und dennoch wenig leistungsstarke Batterien angewiesen sind. Diese müssen häufig und lange nachgeladen werden. Das wiederum würde für den reinen Akku-Betrieb ganzer Busflotten ein dichtes und aufwendig zu unterhaltendes Netz an Ladestationen und weiteren Bauten erfordern.
Matthias Werner vom Wasserstoff-Labor der Hochschule Rhein-Main fährt mit dem Brennstoffzellen-Testfahrzeug abgas- und geräuschfrei über den Rüsselsheimer Campus.
Matthias Werner vom Wasserstoff-Labor der Hochschule Rhein-Main fährt mit dem Brennstoffzellen-Testfahrzeug abgas- und geräuschfrei über den Rüsselsheimer Campus.© Anke Petermann
"Wenn man einen Bus lädt - Daimler will ja Schnellladesäulen mit 350 Kilowatt machen. Das heißt, wenn man drei von denen nebeneinander lädt, hat man schon drei Megawatt an Leistung, die bereitgestellt werden muss. Das bedeutet ein neues Transformatorhäuschen."
Wer aber wartet die vielen Ladestationen, und wie lassen sich lange Ladezeiten in den Takt des Öffentlichen Nahverkehrs einarbeiten? Mit solchen Problemen müssen sich die Verkehrsbetriebe von Mainz, Wiesbaden und Frankfurt nicht befassen, bevor sie die elf H2-Busse vom kommenden Jahr an einsetzen. Obwohl auch diese mit einem Elektromotor fahren. Doch der Strom kommt hier aus einer Brennstoffzelle. In diesem Spezialaggregat wird das klassische Elektrolyse-Verfahren, wie man es aus dem Chemieunterricht kennt, quasi umgekehrt.
Der Wasserstoff, den die Busse in Plastiktanks auf dem Dach mitführen, reagiert darin mit Sauerstoff aus der Luft. Und zwar kontrolliert: Eine Protonen-Austausch-Membran verhindert den direkten Kontakt der Gase. Gäbe es sie nicht, könnte explosives Knallgas entstehen. Birgit Scheppat nimmt ein Kunststoffkästchen aus einer Vitrine im Labor. Sie öffnet es wie eine CD-Hülle, es ist auch nicht viel größer.
"Das Herzstück von einer Brennstoffzelle ist dieses Teil. Das ist eine Kohlenstoffschicht, das ist die eigentliche Membran mit dem Platin."

Leichtere Batterie als bei reinen Elektromobilen

Mit bloßem Auge sind die Platin-Partikel nicht zuerkennen.
"Nanomaterialien!"
Internationale Wissenschaftler haben auch schon preisgünstigere Ersatz-Werkstoffe entwickelt. Egal wie beschichtet - die Membran können nur Protonen der Wasserstoff-Atome durchdringen. Die frei werdenden Elektronen werden abgeleitet. Dabei entstehen in der Brennstoffzelle Wärme und Strom. Der Strom wird in einer Batterie zwischengespeichert und treibt dann den Elektromotor an. Im Vergleich zu rein batteriebetriebenen Elektromobilen ist die Batterie im H2-Bus nur ein Viertel so schwer.
"Wir haben eine Batterie und eine Brennstoffzelle, und die werden miteinander verheiratet. Die Vorteile von beiden Technologien kommen zum Tragen. Die Batterie sorgt dafür, dass Sie immer eine Super-Mobilität haben."
Wichtig beim häufigen Stop-and-go von Bussen und Lieferwagen. So erklärt es Matthias Werner auf der Rundfahrt mit dem hochschuleigenen Wasserstoff-Mobil, das im Probebetrieb ohne Batterie auskommt.
"Sie brauchen eine Batterie, um Lastspitzen abzufangen, weil die Brennstoffzelle als träges chemisches Element nicht in der Lage ist, schnell die Ströme bereitzustellen."

Batterie immer im Wohlfühlbereich

Ideal dagegen findet Birgit Scheppat, wenn die Brennstoffzelle als Energie-Wandler mit der Batterie als Energiespeicher zusammenwirkt:
"Die Batterie wird von der Brennstoffzelle immer voll gehalten. Die Batterie möchte immer voll sein. Denn wenn sie nicht voll ist, bedeutet das, dass sie Verluste hat und anfängt zu altern. Das heißt, dieses schnelle Hoch- und Runterladen mag sie gar nicht."
Genau das zeichnet sich als Problem bei konventionellen, rein akku-getriebenen Autos und Bussen ab: Um zehn Prozent ließ die Batteriekapazität eines japanischen Elektro-Kompaktwagens der ersten Generation innerhalb von fünf Jahren nach, hat der ADAC festgestellt. Die Reichweite sinkt dann noch einmal. Ein Problem, das Wasserstoff-Fahrzeuge mit ihrer Batterie nicht haben werden, ist sich die Rüsselsheimer Forscherin sicher:
"Hier können wir dafür sorgen, dass sie sich immer in ihrem Wohlfühlbereich befindet, dafür sorgt dann die Brennstoffzelle."
Und garantiert damit, dass der neue H2-Bus auch im eisigsten Winter in Wiesbaden den steilen Taunushang hoch zum Bundeskriminalamt schafft. Voll besetzt und ohne dass die Fahrgäste frieren müssten. Beim Elektrobus ohne Brennstoffzelle dagegen bergen Anforderungsspitzen zur kalten Jahreszeit das Risiko, dass die Batterie-Technik versagt. Vorbeugen lässt sich da nur mit zweifelhaften Methoden, konstatiert Birgit Scheppat.
Das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden
Liegt auf einem steilen Berg: das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden© dpa / picture alliance / Fredrik von Erichsen
"Was ja wirklich sehr fragwürdig ist: dass viele Elektrobusse eine Diesel-Heizung haben, sonst könnten sie nicht fahren. Weil: Wenn sie im Winter noch heizen und im Sommer noch klimatisieren müssten, wäre es ganz problematisch mit diesen Bussen."

Zuschlag beim EU-Projekt

"Lügen-Busse" heißen die diesel-beheizten Elektro-Exemplare im Volksmund. Die Brennstoffzelle dagegen ersetzt in den H2-Fahrzeugen die Lichtmaschine. Sie liefert Strom für Heizung und Standheizung, für Klimaanlage und Steuerungselektronik, die in den kommenden Jahren bei Bussen und PKW immer aufwändiger ausfallen dürfte. Der H2-Bus läuft abgasfrei. Aus dem Auspuff: kein Milligramm Ruß, keine dunkle Giftwolke. Stattdessen: transparente Wasserdampfschwaden. Zu besichtigen bei den ersten Bussen, die in Hamburg und Köln im Probebetrieb zuverlässig, leise und sauber fahren.
Üblicherweise aber sind die hochfrequentierten Bushaltestellen in den Großstädten Lärm- und Abgashöllen. Diesel-getriebene Fahrzeuge herrschen vor. Mangels Landesförderung gehört die Mainzer Busflotte zu Deutschlands ältesten im öffentlichen Nahverkehr. Mit 132 Tonnen Stickoxid im Jahr 2017 geht ein Viertel der Belastung auf ihr Konto, hat die Deutsche Umwelthilfe im Rahmen ihrer Klage gegen die Stadt wegen fortlaufender Grenzwert-Überschreitung errechne.
Weitere 15 Prozent schreibt sie LKW und Transportern zu. Der Zuschlag beim EU-Projekt bringt vier der elf Wasserstoffbusse fürs Rhein-Main-Gebiet nach Mainz, ein Aufbruch mit eher symbolischem Charakter. Beim Bund sind weitere Mittel für das Projekt zum emissionsfreien Nahverkehr beantragt, die Zusage steht noch aus. Selbst wenn sie kommt, bleibt die grüne Verkehrsdezernentin Katrin Eder unzufrieden:
"Wenn man sich die Zahlen auf Bundesebene anschaut: Der Diesel wird jedes Jahr mit acht Milliarden Euro subventioniert, für ÖPNV-Ausbau in den Städten stellt der Bund jedes Jahr 300 Millionen zur Verfügung. Das ist ein Wert aus den 90er-Jahren und der ist auch für die nächsten Jahre so festgeschrieben. Also insofern ist das lächerlich. Wenn wir das mit dem Diesel-Ausstieg, aber auch mit dem Klimaschutz ernstnehmen, dann muss es hier komplett eine Umsteuerung geben."

Patent für energieeffizientes Kühlen in Arbeit

An dem EU-geförderten Wasserstoff-Bus-Projekt beteiligen sich die Länder Hessen und Rheinland-Pfalz. Rund 350 Kilometer Reichweite schafft ein Brennstoffzellen-Bus mit einer 35 Kilo-Tankfüllung H2. Im Rüsselsheimer Labor greift Birgit Scheppat nach dem Stutzen der hochschuleigenen Zapfsäule, die Tank-Kühlung brummt.
"Wenn Sie mit einem Fahrzeug an die Tankstelle fahren, sind Sie nach fünf Minuten betankt, wenn Sie mit einem Wasserstofffahrzeug an eine Tankstelle fahren, dann ist das genauso. Wenn Sie aber mit einem batteriebetriebenen Auto …, dann brauchen sie bei einer Schnellladung ungefähr 20 Minuten."
Birgit Scheppat,Professorin für Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie, begleitet das Projekt.
Birgit Scheppat,Professorin für Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie, begleitet das Projekt.© Deutschlandradio / Anke Petermann
Mit gasförmigem Wasserstoff geht es zügiger. Wenn es geht. Der ADAC hat in einer aktuellen Testfahrt mit einem Wasserstoff–SUV eines südkoreanischen Herstellers ermittelt, dass das noch recht dünne H2-Tankstellennetz aus 40 Stationen für PKW nicht zuverlässig funktioniert. Das Problem: Weil Wasserstoff als Gas leicht und reaktionsfreudig ist, muss es unter Druck und extrem kühl gelagert werden. Das ist energieaufwändig, teuer - und offensichtlich störanfällig.
"Wie man das Kühlen heute auch energieeffizient macht, da gibt es bei uns im Moment eine Reihe von Ideen",
kommentiert Birgit Scheppat.
"Da darf ich nicht mehr sagen. Wir müssen das Patent erst schreiben, bevor wir da weiter plaudern dürfen."

Wasserstoff vom Schmuddel-Image befreien

Sauber, schnell zu betanken, große Reichweite – diese Vorzüge jedenfalls veranlassten die Städte Mainz, Wiesbaden und Frankfurt, sich um die EU-Förderung von 200.000 Euro pro H2-Bus zu bewerben. Mit einem Preis zwischen 650.000 und 900.000 Euro je nach Größe ist ein Wasserstoffbus in etwa doppelt so teuer wie ein neuer Diesel, bedauert die Mainzer Verkehrsdezernentin Katrin Eder.
"Wir hätten das nie finanzieren können als Stadt Mainz allein oder mit Wiesbaden zusammen. Und insofern: Auch noch mal mit Frankfurt zusammenzulegen und zu sagen, über eine größere Charge bekommt man da bessere Bedingungen, das ist natürlich ein modellhafter Weg."
Modellhaft auch das sogenannte "Power to Gas"-Projekt im Energiepark Mainz-Hechtsheim, wo …
" … aus Windenergie Wasserstoff erzeugt wird. Insofern bietet sich das an: Regional gewonnener Strom wird dann für Fahrzeuge verwendet, die auch regional hier in der Stadt herum fahren",
so die grüne Dezernentin. Nachhaltig erzeugter Wasserstoff aus Windkraft-Überschüssen – damit befreit die Mainzer "Power to Gas"-Anlage diesen Energieträger vom Schmuddel-Image eines petrochemischen Abfallprodukts. Klar ist: nur aus grünem Strom entsteht grüner, sauberer Wasserstoff. Die Rüsselsheimer Brennstoffzellen-Expertin Birgit Scheppat wünscht sich, dass H2 bald nicht nur Busse in Rhein-Main und bundesweit emissionsfrei antreibt, sondern auch den Schwerlast- und den Bahnverkehr.
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