Zurück in die Zukunft mit Jacob Rees-Mogg
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Die britischen Abgeordneten sollen einander in Zukunft als "Schildknappen" adressieren. Das Wort "equal", also "gleich", ist gestrichen und gewogen werden soll zukünftig wieder in Pounds statt Kilogramm. Minister Jacob Rees-Mogg fordert Traditionspflege.
Ach, was haben wir es lieben gelernt, das britische Parlament, gerade in dunkelster Stunde der Brexit-Debatten. Ein gewisser Unterhaltungsfaktor war immer gegeben. Und das Bewusstsein, hier sitzt eine altehrwürdige Institution beisammen, so erfolglos sie auch sein mag, für irgendetwas eine Mehrheit zu finden. Das sieht noch immer so gut aus.
Und insofern ist es wahrscheinlich nur konsequent, dass einer der schillerndsten Brexiteers, Jacob Rees-Mogg, jetzt alle Energie in die Traditionspflege steckt.
Traditionspflege mit Stilkatalog
Rees-Mogg, der Theresa May wahrscheinlich mindestens so gequält hat wie Boris Johnson, ist von letzterem frisch belohnt worden: mit dem Amt des Vorsitzendes des Unterhauses, des Leaders. Und Jacob Rees-Mogg hat sogleich ein kleines Regelwerk für die Mitarbeiter des Parlamentes erlassen. Man könnte auch sagen: Er nimmt sie mit auf eine Reise ins 18. Jahrhundert.
Künftig, so heißt es im Stilkatalog, sollen alle männlichen Abgeordneten, soweit sie keinen Adelstitel tragen oder sich ohnehin Ritter nennen dürfen, mit dem Zusatz "Esquire" angeschrieben werden. Langenscheidt empfiehlt hier die Übersetzung "Schildknappe", "Waffenträger" oder "Junker" – nur für den Fall, dass im Deutschen Bundestag jemand auf die Idee kommen sollte. Kleines Problem: Für weibliche Member of Parliament gibt es den Titel leider nicht. Aber offenbar kein Problem für Rees-Mogg, den Vater von sechs Kindern, Katholiken und erklärtem Gegner von Homo-Ehe und Abtreibungen.
Streicht man mit dem Wort auch die Idee dahinter?
Mehr Probleme hat der 50-Jährige mit einer ganzen Reihen von Worten, die er künftig nicht mehr sehen möchte im Schriftverkehr des Parlaments: "equal", also "gleich", wobei nicht ganz klar wird, handelt es sich hier um eine Stilfrage oder, das ist die Vermutung des Guardian-Kolumnisten David Shariatmadari, hat der konservative Politiker möglicherweise vor allem ein Problem mit Ideen, die mit dem Wort transportiert werden: equal pay, equal opportunities und – bewahre Gott – equal marriage – also die gleichgeschlechtliche Ehe?
Stilistisch kohärent bleibt der frühere Investmentbanker bei der Suche nach falsch verwenden Wörtern der englischen Sprache. Beispiel "hopefully" – das, bitte merken für den nächsten Besuch auf der Insel, seit einigen Jahrzehnten auch von den Briten kollektiv falsch verwendet wird: "hopefully" nämlich im Sinne von "hoffentlich". "Hoffnungsvoll" wäre richtig, weiß Jacob Rees-Mogg. Und wissen jetzt eben auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des britischen Unterhauses.
Die auch das noch lernen müssen: Nach dem Punkt zwei Leerzeichen (ein Relikt aus Zeiten der Schreibmaschine), keinen Punkt nach "Miss" und bitte kein Komma nach dem Verbindungswort "and".
Der Mann aus dem 18. Jahrhundert
Was treibt diesen Mann, sich in sprachlichen Spitzfindigkeiten zu verlieren, während er doch die dringende Aufgabe hätte, Parlament und Regierung in der Brexit-Frage endlich zusammenzubringen? Rätselraten und vor allem Witzeleien in den sozialen Medien heute: Jacob Rees-Mogg, Esquire, MP from the 18. Century, heißt es da. Der ehrenwerte Abgeordnete Rees-Mogg aus dem 18. Jahrhundert.
Vielleicht will er nicht ganz so weit zurück. Doch Jacob Rees-Moggs Sprachpedanterie passt zu seinem Lebensziel Brexit besser, als es auf den ersten Blick erscheint. Zurück in eine andere Welt, als Großbritannien noch ein Empire war, als noch in – so wie er es jetzt übrigens auch im Stilbuch von den Parlamentsbeschäftigen fordert – in Pounds, Yards und Miles gemessen wurde und nicht in Kilos und Metern – eine Welt, die wenigstens auf die Parlamentsflure von Westminster wiederkehren soll. Auch wenn das Land längst eine andere Sprache spricht.