Risse bei den Tories werden bald wieder deutlich werden
Die Tories wähnten sich auf der Sonnenseite, Labour hingegen drohe derzeit der politische Untergang, kommentierte Friedbert Meurer. Die Krise um den Brexit werde Land und Parteien aber noch auf Jahre hinaus prägen.
"Crisis? What crisis?" Eine Krise, welche denn? Die Boulevardzeitung "The Sun" hat vor knapp 40 Jahren dem damaligen Premierminister James Callaghan diese Worte in den Mund gelegt. Großbritannien erlebte gerade den Winter of Discontent, den Winter der Unzufriedenheit, mit endlosen Streiks, Forderungen nach Lohnerhöhungen bis zu 90 Prozent, Müllhalden in den Parks und sogar die Totengräber legten die Arbeit nieder.
Welche Krise also jetzt? Im Unterhaus war davon heute wenig zu spüren. David Cameron lief als Stimmungskanone an der Dispatch Box, dem Rednerpult, noch einmal zur Hochform auf. Jeremy Corbyn und Labour vorzuführen, ist im Moment nicht schwer – die Partei steuert auf die Spaltung zu, wenn Corbyn nicht endlich einsieht, dass er zum Premierminister nicht geeignet ist. Sein Einsatz wider die vielen Ungerechtigkeiten im Land ist zwar glaubhaft, aber mit seiner Starrköpfigkeit, dass man nicht auf das Vertrauen von 80 Prozent direkt im Wahlkreis gewählter Abgeordneter pfeifen kann, führt er Labour in den politischen Untergang.
Tories fühlen sich auf der Sonnenseite
Auf David Cameron, Theresa May und die Tories schien dagegen heute in London die Sonne. Diesen Eindruck wollen die Konservativen jedenfalls vermitteln. Die Partei versammelt sich hinter Theresa May, sie werde jetzt Land und Tories einen und Großbritannien sicher aus der EU herausführen. Unter der Oberfläche aber sieht es anders aus. Die Messer sind gerade erst wieder ins Gewand zurückgesteckt worden.
Die Risse und Gräben bei den Konservativen werden noch früh genug wieder deutlich werden, wenn der Brexit den einen nicht schnell und radikal genug geht, die anderen aber immer noch hadern, was das Referendum da in Gang gesetzt hat. "Brexit means Brexit", sagt Theresa May. Ja, aber Nicola Sturgeon aus Schottland kontert schon: "Remain means remain." Bleiben heißt bleiben. Nicht nur die Schotten werden widerspenstig sein. Die Verhandlungen mit der EU werden extrem kompliziert, es wird also nicht mit dem Kopf durch die Wand gehen – das aber werden hart gesottene Brexiteers fordern.
Hoffnungen liegen bei Theresa May
Mit Theresa May ist die Hoffnung verbunden, dass nach der Revolution jetzt die besonnenen Kräfte das Ruder übernehmen – oder die Trümmer aufräumen, je nach Sichtweise. Die letzten zwei oder drei Wochen waren so dramatisch wie seit dem besagten Winter 1978/79 oder dem Falklandkrieg nicht mehr.
Damals musste übrigens der Premier Callaghan zurücktreten, Labour wurde auf Jahre hinaus regierungsunfähig. Dass ausgerechnet jetzt die Opposition in Großbritannien ausfällt, trägt zur guten Laune der Konservativen heute bei. Die Krise um den Brexit aber wird Land und Parteien noch auf Jahre hinaus prägen und in Atem halten.